Die "Gen Z" Revolution: Welches Land folgt als Nächstes?
Sie haben die Nase voll von korrupten Politikern und leeren Versprechungen. Junge Demonstranten der "Gen Z" setzen in Afrika, Asien und Südamerika ihre Regierungen unter Druck.
Globale Unzufriedenheit der Jugend
Ob Marokko, Madagaskar, Kenia, Peru oder Nepal – in vielen Teilen der Welt fühlen sich junge Menschen von ihrer Regierung ignoriert. Sie sind frustriert von Misswirtschaft, mangelhaften Dienstleistungen und Perspektivlosigkeit. Ihr Zorn treibt sie auf die Straße.
Im Inselstaat Madagaskar im Indischen Ozean führte ihr Protest nun zum Sturz des Präsidenten – auch wenn nach einer Machtübernahme durch das Militär noch unklar ist, wie es weitergeht.
Die politischen Hintergründe unterscheiden sich von Land zu Land, doch die Motive sind gleich: Die Demonstranten der "Generation Z", zu der Menschen gehören, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden, verweigern es, gebrochene Versprechen ihrer Politiker hinzunehmen – in Asien, Afrika oder Südamerika.
Dort ist die Bevölkerung deutlich jünger als in Europa. Doch die Jungen, die einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen, sehen keine Zukunft. Sie fordern ein Ende hoher Arbeitslosigkeit und steigender Lebenshaltungskosten; sie verlangen sauberes Trinkwasser, Strom, gute Bildung und Gesundheitsversorgung.
Ihre Wut und ihr Mut, für eine bessere politische und wirtschaftliche Zukunft zu kämpfen, lösten eine Welle von Protestbewegungen aus. Diese führten unter anderem zum Rücktritt eines Premiers in Nepal, zur Auflösung einer Regierung und der Flucht des Präsidenten in Madagaskar, zu massivem Druck auf repressive Machthaber in Marokko und zur Amtsenthebung einer äußerst unbeliebten Präsidentin in Peru. Aber auch zu Tausenden Festnahmen, Hunderten Verletzten und Dutzenden Toten. Zu den Vorreitern gehört die "Gen Z" in Kenia, die seit dem Sommer 2024 regelmäßig Proteste gegen die Regierung organisiert.
TikTok, Memes und virale Symbole
Während Massenproteste früher durch Verbände, Basisorganisationen oder zivilgesellschaftliche Gruppen koordiniert wurden, kommuniziert die "Gen Z" über digitale Plattformen wie TikTok, Instagram, Telegram oder die Gaming-App Discord.
"Soziale Medien bieten jungen Aktivisten einen Raum, um taktisches Wissen sowohl innerhalb ihres Landes als auch über Grenzen hinweg auszutauschen", schreibt Janjira Sombatpoonsiri, Forscherin im Bereich Digitale Demokratie, in einer Analyse für das Carnegie Institut. So hätten die "Gen Z"-Bewegungen weltweit voneinander gelernt, sich gegenseitig inspiriert und "transnationale Solidarität" entwickelt. Persönliche Erfahrungen, die auf sozialen Medien geteilt werden, wuchsen zu kollektiver Wut heran, aus der sich eine Gruppenidentität bildete, die dann in Aktion umschlug, erklärt Sombatpoonsiri.
Ganz neu ist das Phänomen nicht. Über die vergangenen 15 Jahre führten junge Menschen regierungskritische Proteste an, geprägt durch digitale Vernetzung, sagt die Forscherin. Begonnen habe dies mit dem Arabischen Frühling in Nordafrika und dem Nahen Osten (2010–2011), gefolgt von den Protestbewegungen Occupy Wall Street in New York (2011) und den Indignados-Demos gegen den Sparkurs der spanischen Regierung (2011). Dem schlossen sich die asiatischen Pro-Demokratie-Proteste in Thailand (2020–2021), Sri Lanka (2022) und Bangladesch (2024) an.
Madagaskar: Kampf um Grundbedürfnisse
Im südostafrikanischen Inselstaat Madagaskar überschlagen sich die Ereignisse. Seit Ende September demonstrieren Zehntausende junge Menschen gegen Strom- und Wasserausfälle, Mängel im Bildungssystem und hohe Arbeitslosigkeit. Trotz seines beträchtlichen Reichtums an Bodenschätzen zählt der Staat im Indischen Ozean zu den ärmsten Ländern der Welt. Die "Gen Z" hat es satt, dass die Regierung ihre Fehler mit einem Mangel an öffentlichen Mitteln rechtfertigt, sagt ein 28 Jahre alter Unternehmer, der sich Luffy nennt, der Deutschen Presse-Agentur in der Hauptstadt Antananarivo. Dabei sei Misswirtschaft der wahre Grund. "Es reicht uns mit dieser Rhetorik!", so Luffy.
Jetzt hat die "Gen Z" ihr demografisches Gewicht spürbar gemacht – etwa zwei Drittel der 32 Millionen Madagassen sind jünger als 30 Jahre. In der Hoffnung, den gewaltsamen Protesten ein Ende zu setzen, löste Präsident Andry Rajoelina die Regierung auf und ernannte einen neuen Ministerpräsidenten. Doch die Demonstranten forderten Rajoelinas Rücktritt.
Sein Versuch, am Dienstag das Parlament aufzulösen, scheiterte: Selbst die eigenen Abgeordneten stimmten für ein Amtsenthebungsverfahren. Kurz darauf übernahm das Militär die Macht. Teile der Soldaten hatten sich bereits am Wochenende auf die Seite der jungen Protestierenden gestellt. Rajoelina wurde inzwischen an einen unbekannten Ort ausgeflogen.
Marokko: Protest gegen Prestigeprojekte
In Marokko richtet sich der Zorn der Jugend vielfach gegen milliardenschwere Investitionen in die Fußball-WM 2030, während das öffentliche Gesundheits- und Bildungssystem vernachlässigt wird. Die Bewegung "Gen Z 212" – benannt nach der Ländervorwahl für Marokko – organisiert sich großteils über Discord. Trotz massiver Polizeigewalt und Hunderter Festnahmen bleibt die Bewegung aktiv und fordert tiefgreifende Reformen.
"Die Bewegung begann mit einer Gruppe gebildeter, junger Leute, die sich über mehrere grundlegende Probleme im Land sorgen", sagt einer der Aktivisten, die anonym bleiben wollen. Die Forderungen seien einfach: "Gesundheit, Bildung und ein würdiges Leben". Politische Bindungen hätten sie nicht – "und wer sie hat, soll es für sich behalten", sagt einer der Aktivisten der dpa. Auch Verbindungen zu Gen-Z-Protesten in anderen Ländern gebe es nicht.
Die Unterstützer der "Gen Z 212", die sich von Randalierern und Plünderern distanzierten, vertreten ihre Ideen ruhig und sachlich. Sie wollen staatliche Institutionen nicht schädigen, sondern ihre Bürgerrechte wahrnehmen und damit Reformen erreichen. "Wir unterstützen die Monarchie bis ins Mark", sagt einer. König Mohammed VI. bat die Bewegung in einem offenen Brief kürzlich, bei der Krise in dem nordafrikanischen Land einzugreifen.
Peru: Von Rentenreform zum Generalaufstand
In Peru löste eine umstrittene Rentenreform landesweite Proteste aus. Die Bewegung erweiterte sich rasch auf Themen wie Korruption, Bandenkriminalität und Gewalt. Die Proteste sind jugendzentriert, finden aber auch Unterstützung aus dem Transport- und Geschäftssektor.
"Die Leute sind einfach der Gewalt, der Erpressung, der Unsicherheit und der Korruption überdrüssig", sagte der Politikwissenschaftler Carlos Fernández Fontenoy dem Radiosender RPP. Ein Sprecher der Protestbewegung, Yackov Solano, erklärte: "Wir haben Angst, auf die Straße zu gehen, weil wir befürchten müssen, überfallen zu werden oder sogar unser Leben zu verlieren."
Wegen massiver Polizeigewalt und der Zurschaustellung teurer Uhren stand die Staatschefin Dina Boluarte schon lange in der Kritik; zudem wurde wegen illegaler Parteienfinanzierung gegen sie ermittelt. Vor kurzem enthob der Kongress des südamerikanischen Landes sie wegen "moralischer Unfähigkeit" des Amtes.
Nepal: Sperre sozialer Medien führt zum Umsturz
In Nepal begann die Protestwelle im September, als die Regierung zahlreiche Social-Media-Plattformen sperrte. Innerhalb weniger Tage eskalierte die Lage: Massenproteste und brennende Regierungsgebäude erschütterten den Himalaya-Staat und leiteten einen politischen Umbruch ein. Im Zuge der Unruhen gab es mehr als 70 Tote. Ministerpräsident Khadga Prasad Sharma Oli beugte sich dem Druck der Demonstranten und trat zurück. Kurz darauf wählte man per Online-Abstimmung die frühere oberste Richterin Sushila Karki zur Interimsregierungschefin – die erste Regierungschefin des Landes.
Der Aufruhr der Gen Z in Nepal galt auch als Warnung an die Mächtigen anderer Länder. In ihnen entlud sich nicht nur die Wut über das Verbot beliebter Apps wie Facebook und Instagram. Dahinter steckte auch eine wachsende politische Unzufriedenheit mit weit verbreiteter Korruption und Nepotismus, wirtschaftlicher Instabilität und den großen Einkommensunterschieden im Land. So wurde etwa der Hashtag #NepoBabies zum kritischen Symbol für Profiteure von Vetternwirtschaft, die in sozialen Medien mit ihrem Luxusleben prahlen. "Soziale Medien waren während unserer Proteste ein effektives Mittel. Sie sind der digitale, zivile Raum unserer Generation", sagt die 26-jährige nepalesische Aktivistin Rakshya Bam in Kathmandu.

