Im Zuwanderungsstreit mit der EU gibt die Schweiz nach. Statt der ursprünglich vorgesehenen harten Begrenzung der Immigration aus dem Ausland will eine Parlamentskommission nun lediglich Arbeitskräfte bevorzugt behandeln, die bereits im Land sind. Damit kommt die Schweiz der EU entgegen, die eine Aufkündigung der seit Jahren geltenden vollen Personenfreizügigkeit strikt ablehnt. Besonders die Mitte- und Linksparteien sehen die Lösung des Streits in einem sogenannten Inländervorrang. Die Abgeordneten wollen eine ganze Reihe von Verträgen mit der Europäischen Union, die für die Schweizer Wirtschaft sehr wichtig sind, nicht aufs Spiel setzen. Der Vorschlag dürfte von der EU akzeptiert werden: Er sieht nur noch eine freiwillige Meldepflicht, aber keine Obergrenzen mehr vor. In einer Notsituation könne zwar über Begrenzungen diskutiert werden, der EU soll jedoch ein Veto eingeräumt werden, mit dem sie alle Obergrenzen verhindern kann.
Der Vorschlag ist im Grunde das Gegenteil dessen, was die Schweizer in der jüngsten Volksbefragung entschieden hatten: Zum Thema Masseneinwanderung haben die Schweizer Wähler eine Begrenzung gefordert. Der für Einwanderung zuständige Nationalrat Roger Köppel sagte im Schweizer Fernsehen am Freitag, dass der Vorschlag dr Kommission ein "Skandal" sei, weil der Wäherwille ignoriert werde. Der Vorschlage mache Volksabstimmungen zu "Juxveranstaltungen" und stelle die direkte Demokratie in der Schweiz in Frage. Die Schweizerische Volkspartei, der Köppel angehört, bezeichnete den Vorschlag als zu vage und als Verrat am Willen des Volkes. 2014 hatten sich die Schweizer für eine markante Drosselung der Zuwanderung ausgesprochen, die Regierung schlug darauf die Einführung von harten Quoten für Ausländer im kommenden Jahr vor. Die Parlamentskommission will mit ihrem Vorschlag, über den die Abgeordneten schon bald abstimmen sollen, eine Konfrontation mit der EU vermeiden.
Eine Antwort aus Brüssel erhofft sich die Schweiz von einem Treffen der Regierung mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Mitte des Monats. Bisher hat Brüssel kaum Bereitschaft gezeigt, mit der Schweiz zu verhandeln und von ihrer harten Haltung abzuweichen. Nicht einfacher macht das Brexit-Votum die Situation. Denn die EU ist überzeugt, dass ein Kompromiss mit der Schweiz Forderungen der Briten befeuern könnte.
Die NZZ lobt den Vorschlag und schreibt, dass der Kommission die Quadratur des Kreises gelungen sei.