Politik

Flüchtlingsgipfel: EU will Balkan-Route für immer dicht machen

Lesezeit: 2 min
24.09.2016 20:05
Die EU will die Balkan-Route für immer dicht machen. In diesem Jahr sind trotz drastischer Maßnahmen immer noch 50.000 Flüchtlinge und Migranten über Österreich nach Deutschland gekommen.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Matthias Röder von der dpa analysiert den Flüchtlingsgipfel der EU in Wien:

«Wir stehen nicht vor einem Problem, das heuer vorbei sein kann, sondern es ist ein Generationenproblem.» Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) formulierte in einem Interview mit der Zeitung «Der Standard» seine politische Botschaft in der Flüchtlingskrise. Millionen von Migranten werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf eine lebenswerte Zukunft in der EU hoffen - und jeder Baustein zu einer fundamentalen Lösung ist gefragt. Bausteine dieser Art wollte Kern bei dem Flüchtlingsgipfel von elf europäischen Staaten in Wien zusammentragen. Viel Konkretes oder gar grundlegend Neues ist nicht herausgekommen.

Klar wurde immerhin, dass die Rolle der europäischen Grenzschutzagentur Frontex gestärkt werden soll. Diverse Staaten, darunter aktuell vor allem Griechenland, hätten großes Interesse am Einsatz der europäischen Grenzschutzwache, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Abschluss der etwa vierstündigen Beratungen. Von Oktober an wird Frontex über etwa 1000 schnell einsetzbare Grenzschutzbeamte verfügen, was den Schutz der Außengrenzen verbessern soll.

Der Andrang der Flüchtlinge selbst auf der weitgehend geschlossenen Balkanroute ist nämlich bei weitem nicht vollends zum Erliegen gekommen. Rund 50.000 Menschen hätten auf diesem Weg in diesem Jahr Deutschland erreicht, sagte Österreichs Kanzler zur angeblich so unüberwindbaren Grenze. Bemerkenswerterweise sieht auch die EU die Sinnhaftigkeit einer Schließung der Balkanroute inzwischen ein. Es gelte, diese Route für illegale Migration «für immer» dicht zu machen, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk. Lange Zeit hatte die EU solche nationalstaatlichen Lösungen in Bausch und Bogen verdammt.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist weiterhin das gesamte Bündel an möglichen Maßnahmen der entscheidende Hebel. Sicherung der Außengrenzen, Rückführungen und entsprechende Abkommen mit Ländern in Nordafrika sowie Afghanistan und Pakistan, Abkommen wie mit der Türkei auch mit Ägypten und anderen nordafrikanischen Staaten, aber auch Hilfe für Migranten. Sie bestätigte einen Bericht der «Welt am Sonntag», dass die Bundesrepublik pro Monat mehrere Hundert Flüchtlinge mit Bleiberecht aus Italien und Griechenland übernehmen werde. Gerade für diese Menschen sei eine Perspektive nötig. «Wir wollen insgesamt Illegalität bekämpfen und Legalität stärken», plädierte sie für Grenzen, die für wirklich bedrohte Menschen offen bleiben müssten.

Dass auf dem Gipfel nicht nur Einigkeit herrschte, signalisierte ein Anruf des serbischen Regierungschefs Aleksandar Vucic bei seinem Außenminister Ivica Dacic in Belgrad. Er sei unzufrieden mit dem Treffen, sagte er seinem Chefdiplomaten laut Staatsfernsehen RTS. Einmal mehr habe sich gezeigt, dass die beteiligten Länder einen ganz unterschiedlichen Zugang zu diesem Problem hätten. Serbien drohe daher, ein Opfer dieser Meinungsverschiedenheiten zu werden. Das Land ist im Zentrum der Balkanroute besonders von der Flüchtlingskrise betroffen.

Von Viktor Orban war nicht viel Beweglichkeit zugunsten umfassender Lösungen zu erwarten. Der rechtskonservative Ministerpräsident Ungarns will in einer Woche (2. Oktober) seinen Anti-Flüchtlingskurs von der Bevölkerung per Volksabstimmung absegnen lassen.

Schon im Vorfeld stellte sich die Frage, warum Kern einen solchen Gipfel arrangiert, dessen eher überschaubares Ergebnis zu diesem Zeitpunkt durchaus erwartbar war. Möglicherweise trieben den seit vier Monaten amtierenden Chef der rot-schwarzen Koalition in Wien auch zutiefst innenpolitische Motive um: Er hatte für einen Tag einen große Bühne, auf der sonst sein Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) zu Hause ist. Kern und Kurz werden - wenn die Auguren Recht behalten - in absehbarer Zeit als Gegenkandidaten bei vorgezogenen Neuwahlen antreten.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutsche Bahn Infrastruktur: Rekordinvestitionen von 17 Milliarden Euro in 2024
02.01.2025

Die Deutsche Bahn investiert 2024 knapp 17 Milliarden Euro in ihre Infrastruktur – ein Rekord. Mit erneuerten Gleisen, modernisierten...

DWN
Politik
Politik US-Industriepolitik: Warum Biden und Trump unterschiedliche Wege zur Industrieankurbelung wählen
02.01.2025

Die US-Industriepolitik steht im Fokus der wirtschaftlichen Debatten zwischen Trump und Biden. Während die Biden-Regierung mit...

DWN
Politik
Politik Russland stoppt Gaslieferungen: Moldau unter Druck, Rumänien hilft aus
02.01.2025

Russland setzt Moldau mit einem Gaslieferstopp unter Druck. Vor allem Transnistrien, die prorussische Separatistenregion, spürt die Folgen...

DWN
Politik
Politik Estlink 2: Kabelschäden ohne Folgen für Anschluss an EU-Stromnetz
02.01.2025

Estlink 2: Der Ausfall des Unterseekabels sorgt für Unsicherheit in den baltischen Staaten. Dennoch bleibt die litauische Regierung...

DWN
Finanzen
Finanzen Strompreise 2025: Wie sich Kosten durch Netzentgelte und Umlagen entwickeln
02.01.2025

Strompreise 2025 bleiben ein heißes Thema: Verbraucher:innen erwarten steigende Kosten durch höhere Netzentgelte und CO2-Preise. Doch...

DWN
Politik
Politik CSU verschärft Ton in der Migrationspolitik
02.01.2025

Zur CSU-Winterklausur gehören traditionell lautstarke Forderungen an die Bundesregierung. Dieses Mal hofft die Partei, viele davon nach...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis anno 2025: Konflikte und Verschuldungen bleiben die Hauptsorgen der Anleger
02.01.2025

Die Gold-Verwalter von BullionVault in London haben mal wieder seine Kunden befragt, warum sie in Gold und Edelmetalle investieren....

DWN
Panorama
Panorama New Orleans und ein explodierter Cybertruck vor Trumps Hotel: Gibt es einen Zusammenhang?
02.01.2025

Mit voller Absicht soll der Attentäter in die Menge gerast sein und 15 Menschen getötet haben. Das FBI geht von einem Terroranschlag aus,...