Politik

Juristen des Weißen Hauses warnten Obama vor Kriegsverbrechen

Juristen und Beamte des Weißen Hauses haben US-Präsident Obama bereits 2015 gewarnt, die USA könnten sich der Beteiligung an Kriegsverbrechen schuldig machen, wenn sie die Saudis in ihrem Krieg gegen den Jemen unterstützen. Bei Luftangriffen der Koalition sind zahlreiche Zivilisten getötet worden. Obama hat nicht auf seine Berater gehört.
13.10.2016 02:24
Lesezeit: 4 min

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Trotz der Warnungen von hochrangigen US-Juristen des Weißen Hauses, dass die USA für Kriegsverbrechen im Jemen verantwortlich gemacht werden könnten, hat die US-Regierung im vergangenen Jahr einen Waffen-Deal mit Saudi-Arabien im Wert von 1,3 Milliarden Dollar genehmigt.

Warren Strobel und Jonathan Landay vom englischsprachigen Reuters-Dienst haben eine wichtige Geschichte recherchiert. Sie haben erfahren, dass Juristen und Beamte des Weißen Hauses US-Präsident Barack Obama vor der Beteiligung am Krieg Saudi-Arabiens gegen den Jemen gewarnt haben. Der Rechtsberater des Außenministeriums äußerte zu einem von Reuters nicht feststellbaren Zeitpunkt die Sorge, dass den USA die Beteiligung an Kriegsverbrechen vorgehalten werden könne.

Bei einem Treffen von Menschenrechtsgrupppen und einem Vertreter des US-Außenministeriums im Oktober 2015, räumte der Vertreter der US-Regierung ein, dass die Saudis zivile Opfer verursachen, versuchte jedoch, diese Tatsache mit der Unerfahrenheit der Saudis zu begründen: „Die Luftschläge werden nicht wahllos ausgeführt, sondern rühren aus einem Erfahrungs-Defizit im Umgang mit Munition und Raketen her. Die Unerfahrenheit mischt sich mit der asymmetrischen Situation zu Boden, wo feindliche Kämpfer keine Uniformen tragen und sich unter die Bevölkerung mischen. Wahrscheinlich verstärkt eine schwache Aufklärungsarbeit das Problem.“ Zwar könne noch keine abschließende Bewertung darüber getroffen werden, ob die USA sich nach internationalem Recht der Kriegsverbrechen oder Beihilfe bei Kriegsverbrechen gemacht hat.

Eine derartige Bewertung würde dazu führen, die Ereignisse im Jemen untersuchen zu lassen, was das rechtliche Risiko erhöhen und theoretisch zu Prozessen gegen US-Militärpersonal führen würde. In einer der offiziellen E-Mails wird darüber berichtet, dass im Jahr 2013 der liberianische Präsident Charles Taylor zuvor mit einer sehr weiten Auslegung des Tatbestands des Kriegsverbrechens am internationalen Strafgerichtshof in Den Haag für schuldig befunden wurde. Im Urteil wurde festgestellt, dass „praktische Hilfe, Ermutigung oder moralische Unterstützung“ ausreichend sind, um eine Haftung für Kriegsverbrechen zu bestimmen.

Die US-Regierung hatte das Taylor-Urteil selbst herangezogen, damit die Militärkommission in Guantanamo Bay Chalid Scheich Mohammed und andere al-Qaida-Häftlinge als „Komplizen“ des Anschlags vom 11. September bestrafen kann. Das Taylor-Urteil sollte die Argumentation der Anklage stärken.

Seit März 2015 haben die USA den Verkauf von Waffen an Saudi-Arabien im Wert von 22,2 Milliarden Dollar autorisiert. Das schließt den Verkauf von Präzisions-Munition im Wert von 1,29 Milliarden Dollar, die im Jemen eingesetzt wird, mit ein.

Die bisher nicht bekannten Materialien werfen ein Licht auf die Diskussion über die quälende US-Außenpolitik, die hinter verschlossenen Türen diskutiert wird. Die Frage ist, wie man die Sorgen Saudi-Arabiens über ein Atomabkommen ausräumen soll, wenn sich der Krieg im Jemen verschlimmert und Tausende dabei getötet werden. Die Dokumente, hatte Reuters unter dem Freedom of Information Act in einem Zeitraum von Mitte Mai 2015 bis Februar 2016 erhalten. Das war exakt die Zeit, in der Saudi-Arabien die Präzisions-Munition von den USA erhalten hatte, um sie im Jemen einzusetzen. Die Dokumente wurden geschwärzt und einige Bereiche stehen unter Verschlusssache.

Wie sehr sich die US-Beamte des Problems bewusst gewesen sei, zeige eine Liste mit Zielen, die unbedingt verschont werden müssten, schreiben die Reuters-Journalisten. Diese Liste sei den Saudis im Jahr 2015 übergeben worden und enthielt unter anderem Wasser- und Elektrizitätsinfrastruktur sowie Orte, an denen humanitäre Hilfe geleistet wurde. Die Liste trug den Namen "The Overlay". Eine weitere Liste wurde übermittelt. Diese enthielt unter anderem die Brücke vom Hafen Hodeidah in die Hauptstadt Sanaa. Diese Brücke war laut Oxfam die wichtigsten Verbindungsroute, um Lebensmittel in die Stadt zu bringen. Die Brücke wurde im August 2015 von den Saudis zerstört. Die US-Beamten hatten laut den Dokumenten bei den Saudis darauf gedrungen, Ziele mit äußerster Vorsicht auszuwählen und nur nach vorheriger gründlicher Prüfung zu bombardieren.

Die Bemühungen der Mitarbeiter des Weißen Hauses waren vergeblich - die USA liefern dem Weißen Haus weiter Waffen. Bruce Riedel, ein früherer CIA_Offizier und Senior fellow des Brookings Institute, sagte im April laut The Intercept: "Wenn die USA und Großbritannien dem saudischen König heute Abend sagen würden, dieser Krieg müsse beendet werden - er wäre morgen zu Ende. Die Royal Saudi Air Force kann ohne amerikanische und britische Hilfe nicht operieren.”

Am Samstag bombardierte die von den Saudis angeführte Koalition ein Ziel im Jemen, das zum Tod von 140 Zivilisten führte. Die Koalition verweigerte, die Verantwortung zu übernehmen, doch der Angriff zog einen Tadel aus Washington nach sich. Die Regierung in Washington gab bekannt, dass sie die Unterstützung für ihre Kampagnen danach überprüfen würde, ob sie „mit US-Prinzipien, Werten und Interessen“ im Einklang sind.

Die saudische Regierung ist der Ansicht, dass die Behauptungen über zivile Opfer frei erfunden oder übertrieben seien. Das Königreich ist gegen eine unabhängige Untersuchung. Die von Saudi-Arabien geführte Koalition im Jemen hat gemeldet, dass sie ihrer Verantwortung gemäß dem internationalen Völkerrecht bewusst sei und diese ernst nehme. Deshalb habe sie sich auch zum Schutz von Zivilisten im Jemen verpflichtet. Die saudische Botschaft in Washington lehnte weitere Kommentare ab. Der Sprecher des National Security Council, Ned Price, sagte nach dem Angriff auf die Trauerfeier der Nachrichtenagentur Reuters: „Die US-Sicherheitszusammenarbeit mit Saudi-Arabien ist kein Blankoscheck (…) Wir haben unsere tiefe Besorgnis über Luftangriffe, wodurch angeblich Zivilisten getötet und schwer verletzt werden und das jemenitische Volk die humanitäre Maut bezahlen muss, immer wieder zum Ausdruck gebracht.“

Die USA würden Druck auf Saudi-Arabien ausüben, damit künftig keine „zivilen Schäden“ entstehen, so Price.

Die Rechtsberater des US-Außenministeriums äußern trotzdem ihre Sorge darüber, dass die US-Regierung sich an den saudischen Verstößen mitschuldig gemacht hat. Die US-Luftwaffe betankt die saudischen Jets und liefert logistische Unterstützung. Dieser Aspekt ist weitaus ausgeprägter als die Waffenlieferungen. Nach Ansicht von weiteren US-Juristen der Obama-Regierung könnten genau diese Hilfen dazu führen, dass die USA im Jemen nach internationalem Recht als Kriegspartei eingestuft werden.

Im Jemen sind bisher 3.800 Zivilisten aufgrund saudischer Luftangriffe gestorben. 60 Prozent der Opfer kamen bei saudischen Luftangriffen auf Märkte, Krankenhäuser und Schulen um. Das berichtete die UN im August.

Mehr als 60 Mitglieder des US-Repräsentantenhauses drängen Obama dazu, einen neuen Waffen-Deal mit Saudi-Arabien zu stoppen. Eine diesbezügliche Abstimmung scheiterte am 21. September im US-Senat. „Im Kriegsrecht kann man wegen Beihilfe und Anstiftung zu Kriegsverbrechen schuldig gesprochen werden (…) Die Beweise sammeln sich weiter und ich denke, dass die US-Administration jetzt in einer unhaltbaren Situation ist“, so Ted Lieu, US-Kongressabgeordneter und ehemaliger Militärstaatsanwalt.

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