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Grüne Zukunft oder nicht? Was von globalen Visionen wirklich bleibt

Wer das Klima retten möchte, muss groß denken. An vielen Orten weltweit entstehen grüne Megaprojekte. Doch nicht immer führen große Ankündigungen auch zu großen Taten.
30.03.2025 07:27
Lesezeit: 5 min

Diese Projekte sollten als Vorbilder für eine nachhaltigere Zukunft dienen: Die „Große Grüne Mauer“ in Afrika, ein gigantisches Baumprojekt mit Tausenden Kilometern, oder die Stadt The Line in Saudi-Arabien, ausgestattet mit Flugtaxis. Hunderte Milliarden Dollar fließen in diese Vorhaben, die aufzeigen sollen, wie eine moderne Zivilisation klimafreundlicher und lebenswerter gestaltet werden kann. Doch die Hoffnungen erfüllen sich nicht immer. Ein Realitätscheck.

Neom und „The Line“ – Saudi-Arabiens Zukunftsstadt am Roten Meer

Das ist das Vorhaben

Die futuristische Stadt Neom im Nordwesten Saudi-Arabiens soll als Modell für nachhaltiges Wohnen, Arbeiten und Leben dienen. In einer bislang dünn besiedelten Wüstenregion am Roten Meer ist dafür eine Fläche vorgesehen, die fast so groß wie Belgien ist. Der Name Neom – eine Wortschöpfung aus Altgriechisch und Arabisch – steht für „neue Zukunft“. Diese soll laut Kronprinz Mohammed bin Salman durch eine Stadt, die ausschließlich mit erneuerbaren Energien betrieben wird, verwirklicht werden.

Das Aushängeschild des Projekts innerhalb von Neom ist „The Line“, ein 170 Kilometer langer verspiegelter Gebäudekomplex, der mit einer Höhe von 500 Metern sogar das Empire State Building in New York überragt. Neom soll bis 2030 ein Knotenpunkt für Technologie und Forschung zwischen Asien, Europa und Afrika werden. Bis 2030 sollen hier eine Million, bis 2045 rund neun Millionen Menschen leben. Der Kronprinz sprach von einer „Revolution der Zivilisation“.

Was daraus geworden ist

Die groß angelegten Entwürfe und Ankündigungen, die stark an Science-Fiction erinnern, sorgten seit dem Projektstart im Jahr 2017 immer wieder für Schlagzeilen. Flugtaxis, ein künstlicher Mond und ein geplantes Skigebiet in der Wüste waren nur einige der beeindruckenden Ideen. Doch die riesigen Dimensionen und die schleppenden Bauarbeiten führten auch zu Zweifeln. Auch Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Vertreibung und teilweise Ermordung von Angehörigen des Huwaitat-Stammes.

Dennoch halten die Entwickler an ihren Plänen fest. Entwicklungschef Denis Hickey berichtete im Februar, dass mehr als 140.000 Menschen aus über 100 Ländern an dem Projekt beteiligt seien und bereits mehr als 140 Milliarden US-Dollar in die Infrastruktur des Projekts investiert wurden. Die Pläne für „The Line“ wurden jedoch deutlich reduziert. Laut einem Bericht des Finanzdienstes Bloomberg ist für 2030 nur noch die Fertigstellung von 2,4 Kilometern des Projekts vorgesehen.

Woran es hapert

Saudi-Arabien zählt zu den größten Ölproduzenten der Welt und zu den reichsten Ländern der Region. Doch mit Neom könnte sich der Golfstaat massiv verkalkuliert haben. Medienberichten zufolge sind die geplanten Kosten förmlich explodiert. Bis 2080 könnten Investitionen in Höhe von 8,8 Billionen US-Dollar erforderlich sein, berichtete das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf interne Projektdokumente. Dies entspricht etwa dem 25-fachen Staatshaushalt Saudi-Arabiens.

Hinzu kommt die Repression gegenüber Kritikern des Königshauses und der Regierung in Saudi-Arabien, die mit härtesten Strafen verfolgt wird. Einige Bürger wurden wegen sozialer Medienposts zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt. Berichten zufolge soll Kronprinz Mohammed bin Salman trotz der Bedenken strikt an den ambitionierten Zielen festhalten, während Projektleiter ihm die wahren Kosten verschwiegen hätten. Finanzminister Mohammed al-Dschadaan äußerte inzwischen Bedenken hinsichtlich der „Fähigkeit der saudischen Wirtschaft, solche Ausgaben aufrechtzuerhalten“.

„Great Green Wall“ – Afrikas Baumgrenze gegen die Wüste

Das ist das Vorhaben

Entlang des mehr als 8.000 Kilometer langen südlichen Randes der Sahara sollte mit der „Great Green Wall“ (Große Grüne Mauer) ein Schutzwall aus Bäumen gepflanzt werden – so das Ziel, das afrikanische Staatschefs 2007 verkündeten.

Der Schutzwall sollte sich durch elf Länder erstrecken und vom Atlantik bis zum Roten Meer reichen. Bis 2030 sollten auf rund 100 Millionen Hektar – einer Fläche fast dreimal so groß wie Deutschland – Land wiederhergestellt werden, das durch Abholzung, Überweidung oder Desertifikation geschädigt wurde. Dadurch sollten klimaschädliche CO2-Emissionen gebunden und Millionen Arbeitsplätze im grünen Sektor geschaffen werden.

Was daraus geworden ist

Aus der ursprünglichen Vision einer Baumgrenze ist mittlerweile ein Sammelbecken für ländliche Entwicklungsprojekte geworden. Neben Aufforstung sind auch Obstgärten, Weideflächen, Maßnahmen zur Wasserspeicherung oder Bodenverbesserung Teil des Projekts. Laut einem UN-Zwischenbericht wurden bis 2020 lediglich 4 Millionen Hektar der angestrebten 100 Millionen Hektar aufgewertet. Nur etwa 670.000 Hektar wurden aufgeforstet, was weniger als einem Prozent des ursprünglichen Ziels entspricht. Weitere Umweltprojekte finden sich auf 18 Millionen Hektar in anderen Regionen.

Internationale Geldgeber sagten 2021 zusätzliche Milliarden zu, doch das ursprüngliche Ziel von 2030 ist nicht mehr realistisch. Eine neue Strategie der Afrikanischen Union für die Zeit bis 2034 verzichtet auf konkrete Zielvorgaben.

Woran es hapert

In sieben der elf beteiligten Staaten führten bewaffnete Konflikte und Bürgerkriege zu dramatischen Sicherheitsproblemen. Die wachsende Wüste im Sahel hat Konflikte zwischen Viehhirten und Bauern verschärft, wobei islamistische Terrorgruppen die Lage ausnutzten.

Die Überlebensrate der neu gepflanzten Bäume liegt schätzungsweise nur bei 20 bis 40 Prozent. Viele Setzlinge enden als Feuerholz oder Viehfutter oder sterben an Dürren oder Überflutungen, die durch den Klimawandel verstärkt werden. Kritiker argumentieren, dass das Konzept der grünen Mauer veraltet ist und hauptsächlich als Metapher verwendet wird, um Gelder zu sammeln. Reines Aufforsten könnte das Grundwasser belasten und sogar die Temperaturen erhöhen.

Erschaffen aus dem Wattenmeer: Südkoreas „Smart City“ Songdo

Das ist das Vorhaben

Die erste „Smart City“ Südkoreas wurde wörtlich aus dem Wattenmeer erschaffen. Seit dem Jahr 2000 wurden Hunderte Millionen Tonnen Sand aufgeschüttet, um 50 Kilometer südwestlich von Seoul eine Zukunftsstadt zu errichten. Ziel war es, dass bis 2020 eine halbe Million Menschen auf einer Fläche leben würden, die mit Manhattan vergleichbar ist.

Bei der Planung des Projekts stand die Digitalisierung im Mittelpunkt. Gleichzeitig wurde Songdo auch als nachhaltige Stadt vermarktet: 40 Prozent der Fläche sollen für Grünflächen reserviert sein, und ein automatisiertes Entsorgungssystem soll Mülleimer überflüssig machen. Bewegungsmelder sollen dafür sorgen, dass die Straßen nachts nur nach Bedarf beleuchtet werden.

Was daraus geworden ist

Wer Songdo besucht, findet heute eine moderne und für südkoreanische Verhältnisse extrem ruhige Stadt vor. Zwischen futuristischen Hochhäusern gibt es weite Grünflächen, als zentrales Erholungsgebiet gilt der nach dem Vorbild Manhattans benannte Central Park. Dank großzügiger Fahrradwege ist Songdo eine der wenigen radfreundlichen Großstädte Südkoreas. Ladestationen für Elektroautos sind ebenfalls allgegenwärtig.

Trotzdem fällt auf, dass die Stadt bislang noch verhältnismäßig leer ist: Von den ursprünglich anvisierten 500.000 Bewohnern leben derzeit nur rund 200.000 in der Planstadt. Teile von Songdo sind immer noch im Bau.

Woran es hapert

„Obwohl die digitale Verwaltung des Verkehrs in Songdo sehr fortschrittlich ist, würde ich die Stadt nicht als Vorbild für Nachhaltigkeit bezeichnen“, sagt Frederic Spohr, Leiter des Südkorea-Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul. Er kritisiert, dass die Stadt sehr stark auf den Autoverkehr ausgerichtet sei und beim Bau wenig Rücksicht auf ökologische Aspekte genommen wurde.

Außerdem empfinden viele Koreaner die Lebenshaltungskosten als zu hoch – angefangen bei den Wohnpreisen bis hin zu den teuren, meist privat betriebenen Krankenhäusern und Schulgebühren.

Xi Jinpings sozialistisches Herzensprojekt Xiong'an in China

Das ist das Vorhaben

Südlich von Peking ließ Chinas Staatschef Xi Jinping 2017 drei Landkreise zusammenlegen, um für etwa 77,5 Milliarden Euro eine sozialistische Modellstadt aus dem Boden zu stampfen: Xiong'an. Das Ziel war es, eine „grüne, kohlenstoffarme, intelligente, effiziente und umweltfreundliche Stadt“ für fünf Millionen Einwohner zu schaffen, die als Entlastung für Peking und als Zentrum für Verwaltung dienen sollte.

Was daraus geworden ist

Xiong'an verfügt für chinesische Verhältnisse über viele Grünflächen. Den Bewohnern verspricht die Stadt, dass sie innerhalb von 15 Minuten zu Fuß sämtliche Bildungs-, Einkaufs-, Kultur- und Betreuungsangebote erreichen können. Das mit Solarzellen bedeckte Dach des Bahnhofs erzeugt jährlich bis zu 5,8 Millionen Kilowattstunden Strom und spart 4.500 Tonnen CO2-Emissionen ein.

Woran es hapert

Xiong'an fehlt vor allem eines: Menschen. An einem sonnigen Wochenende wirkt die Stadt mit ihren mittlerweile 1,3 Millionen Einwohnern fast menschenleer. Zahlreiche Gewerbeflächen stehen leer, und viele, die es nach Jahren harter Arbeit nach Peking geschafft haben, wollen nicht in das Experiment Xiong'an ziehen. Zudem verliert die Stadt Kapital, da der Wohnungsmarkt stark reguliert ist, um Spekulationen zu verhindern. Xiong'an bevorzugt zudem die Ansiedlung von Tech-Unternehmen und nicht von Unternehmen traditioneller Branchen.

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