Wohnen auf Zeit: Teurer Wohntrend aus den USA
Geringe Bautätigkeit in Kombination mit hohen Bevölkerungszuwächsen sorgen für eine anhaltend toxische Mischung am deutschen Wohnungsmarkt. Gerade in den Metropolen des Landes haben daher immer mehr Menschen Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden.
Wer schon mal in eine neue Stadt gezogen ist, kennt vermutlich den Stress und die Resignation, die Massenbesichtigungen mit Schlangen bis auf den Bürgersteig auslösen können. Je knapper das Wohnangebot und je höher die Nachfrage, desto mehr treibt einem die Suche Schweißperlen auf die Stirn. Hinzu kommen Stolpersteine, wenn Sprachbarrieren bestehen.
Eine Folge der globalisierten Arbeitswelt ist daher möbliertes Wohnen auf Zeit. Der Trend kommt aus den USA und setzt sich auch hierzulande immer mehr durch. Nationale Anbieter wie The Base, Habyt oder der Wunderflats GmbH vermieten in Berlin, München und anderen deutschen Städten kleine vollausgestattete Apartments zur Kurzvermietung für 3 bis 24 Monate. Die Mieten liegen meist um ein Vielfaches höher als die Marktpreise. Die Wohnungen gehen trotzdem weg wie warme Semmeln.
Expats, digitale Nomaden und Geschäftsleute
Denn das Angebot richtet sich vor allem an ein junges gutverdienendes Publikum, das wie selbstverständlich zwischen den Metropolen dieser Welt pendelt und meist nicht mehr als ein stabiles Wlan zum Arbeiten braucht, sogenannte digitale Nomaden. Ebenso finden sich gut betuchte Studenten aus Asien oder Übersee unter den Mietern. Nicht selten quartieren auch umsatzstarke Firmen ihre Mitarbeiter in temporäre Unterkünfte der genannten Anbieter ein. So etwa liegt die The-Base-Filiale in München laut dem Handelsblatt nicht zufällig direkt am Werk von BMW.
Wen das Unternehmen The Base als solvente Zielgruppe ausgemacht hat, lässt sich anhand einer Reihe einprägsamer Slogans auf der Homepage nachlesen, die ihre Brisanz durch Zahlen unbekannter Studien bekommen: „Aktuell leben schon 24 Millionen Singles mit akademischem Hintergrund in Städten“, heißt es da, oder „40 Prozent fühlen sich einsam“. Adressiert sind die Millennials der EU-Metropolen.
Wohnen auf Zeit: Wie viel kostet eine möblierte Wohnung in Großstädten?
Gegen die Einsamkeit wirbt das Unternehmen mit seiner "inspirierenden Community" und seinen Co-Living-Wohnkonzepten sowie Co-Working- und Netzwerkmöglichkeiten. Doch das eigentliche Geschäftsmodell von The Base ist schnelles und unkompliziertes Wohnen auf Zeit, für das es sich fürstlich entlohnen lässt. Der Preis für ein 23m² Mini-Apartment in Berlin beträgt zum günstigsten 4-bis-6-Monate-Tarif stolze 1355 Euro. Das sind knapp 59 Euro pro Quadratmeter. Zieht man 3 bis 4 Prozent für Betriebskosten ab, bleibt immer noch die astronomisch hohe Zahl von 55 Euro/m² - mehr als dreimal so viel, wie auf dem freien Markt. Derzeit liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis in der Hauptstadt zwischen 12 und 16 Euro.
Andere Anbieter sind nicht billiger. Die Berliner Wohnungsvermietungsagentur Wunderflats GmbH etwa vermietet im ruhigen Münchner Untergiesing-Harlaching eine möblierte 53m²-Wohnung für 2490 Euro, was abzüglich der Warmkosten noch etwa 43 Euro pro Quadratmeter sind. Selbst für Münchner Verhältnisse - die Durchschnittsmieten liegen laut Immoscout aktuell bei knapp 20 Euro/m² - ist das eine Hausnummer, die sich gewaschen hat.
Anbieter nutzen mietrechtliches Schlupfloch
In den meisten deutschen Großstädten gilt eine Mietpreisbremse, die vorgibt, dass bei Neuvermietung einer Wohnung die Miete zu Mietbeginn höchstens um 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Allerdings gilt dies nicht zwingend bei möblierter Kurzzeitvermietung, die einen Möblierungszuschlag in Anspruch nimmt. Dieses gesetzliche Schlupfloch nutzen Anbieter wie The Base, Wundeflats und Co.
Floriert hat das Geschäft erst, nachdem sich Städte gegen den Airbnb-Wildwuchs auf dem Wohnungsmarkt durch Zweckentfremdungsverbote zur Wehr setzten. So wird die Anzahl an Touristen-Unterkünften in Berlin (2014), Frankfurt (2018) oder Düsseldorf (2022) streng reguliert, um nicht den ohnehin raren Wohnraum weiter zu verknappen. Doch indem das rentable Touristengeschäft wegbrach, wurden neue Geschäftsfelder erschlossen. Wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) schreibt, waren 2022 im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bereits 70 Prozent der Wohnungsanzeigen als "Möbliertes Wohnen auf Zeit" inseriert. In Mitte waren es 65 Prozent, in Charlottenburg-Wilmersdorf 64 Prozent. Zum Vergleich: 2012 betrafen nur zwischen 18 und 26 Prozent der Mietinserate in diesen Bezirken dieses Segment.
In den Städten regt sich Widerstand
Doch immer mehr Städte wollen der Entwicklung gegensteuern. Denn der Trend zu teuren Mini-Apartments verschärft das Problem von bezahlbarem Wohnraum. Am strengsten könnte wohl die Hauptstadt mit den neuen Playern auf dem Wohnungsmarkt ins Gericht gehen. Laut einem Bericht der Berliner Zeitung strebt beispielsweise der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ein Verfahren an, "um Nutzungsuntersagungen für möbliertes Wohnen in Milieuschutzgebieten auszusprechen." Aber auch andere Bundesländer haben das Thema auf dem Schirm. Mitte 2023 nahmen Hamburg und Bremen Anlauf, eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat einzubringen, um den Mieterschutz bei der Vermietung von möbliertem Wohnraum zu stärken. Auch vom Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kamen entsprechende Signale. Doch der damalige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sah keinen Regulierungsbedarf.
Möbliertes Wohnen: Vorteile und Nachteile für Mieter
Grundsätzlich kann sich ein möbliertes Apartment auf Zeit für bestimmte Gruppen lohnen. Wer neu in der Stadt ist und noch über keinerlei Kontakte verfügt, kann zur Kurzmiete in ein Mikroapartment ziehen und von dort aus die Wohnungssuche starten, ohne sich mit lästigem Papierkram zu befassen. Denn zusätzlich zur gestellten Ausstattung wird beim "möblierten Wohnen auf Zeit" ein Rundum-Paket gestellt, sogenannte All-In-Verträge, die mitunter sogar online unterzeichnet werden können. In der Miete sind so neben den Möbeln und der Küche auch die Nebenkosten sowie Strom, Heizung und Wlan enthalten.
Zu den Nachteilen gehören der fehlende Mieterschutz, der Kostenaufwand und die Befristung. Ideal ist das Angebot daher für Menschen, die vorübergehend in der Stadt leben oder arbeiten und keine langfristige Bindung eingehen möchten. Denn auch diese Gruppe gehört zu einer vielfältigen Metropole.