Finanzen

ESM: Umsetzung von Karlsruhe-Einwänden reduziert Feuerkraft

Der europäische Rettungsschirm ESM wird möglicherweise mit weniger Feuerkraft auskommen müssen als erhofft: Die Euro-Staaten haben sich auf Änderungen verständigt, denen zufolge die Haftungsgrenzen für alle Staaten beschränkt werden. Daher spekuliert die Euro-Gruppe nun wieder auf Hebel-Wirkungen. Diese sind jedoch bereits beim EFSF kläglich gescheitert.
23.09.2012 23:37
Lesezeit: 2 min

Aktuell: Opposition fordert Abstimmung im Bundestag zum ESM-Hebel

Die Euro-Rettung dürfte auf absehbare Zeit vor allem in den Händen der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen (wie sie das machen will – hier). Die neue Lage ergibt sich durch die vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geforderten Änderungen (Urteil im Wortlaut – hier). Demnach sind die Obergrenzen für die einzelnen Staaten bindend, im Falle Deutschlands sind das die vom Deutschen Bundestag vor dem Sommer genehmigten 190 Milliarden Euro. Die Euro-Staaten haben in einer gemeinsamen Zusatzerklärung festgelegt, dass die Grenzen nicht erhöht werden dürfen und haben damit jene völkerrechtlich verbindliche Übereinkunft geschaffen, die das BVerfG gefordert hat. Das Papier soll am kommenden Mittwoch unterzeichnet werden.

Bemerkenswert ist, dass die für Deutschland notwendig gewordene Präzisierung für alle Staaten gilt, die in den ESM einzahlen, wie Guntram Wolff vom Brüsseler Think Tank Bruegel den Deutschen Wirtschafts Nachrichten erklärt: „Eine Erhöhung der Beiträge kann es nur geben, wenn die nationalen Kriterien für eine Zustimmung erfüllt sind. Die Verbindlichkeit der Obergrenze, wie Karlsruhe sie fordert, gilt für alle Staaten.“ Für Deutschland ist nicht ganz klar, ob dies eine ausdrückliche Zustimmung des Bundestages erfordert, oder ob der Vertreter Deutschlands im ESM-Gouverneursrat diese allein treffen kann. Wolff geht davon aus, dass der Bundestag zustimmen muss, auch das Karlsruher Urteil legt diese Annahme nahe.

Demnach fällt vor allem die sogenannte „Nachschusspflicht“. Der ursprüngliche Vertrag hatte vorgesehen, dass Staaten für weitere Zahlungen herangezogen werden können, wenn einzelne Zahler ausfallen. Dieser Fall ist alles andere als unwahrscheinlich: Denn aktuell müssen auch Griechenland, Portugal, Spanien und Italien erhebliche Summen in den ESM einzahlen oder garantieren – eine Idee, die angesichts der Staatsfinanzen in den besagten Ländern als sehr optimistisch bezeichnet werden kann. Wolff: „Es kann durchaus sein, dass der ESM mit weniger Kapital starten kann.“ Wichtig für Wolff ist jedoch, dass die Institution ESM damit auf jeden Fall geschaffen werden kann: „Der ESM muss eine dauerhafte Einrichtung sein, die die Politik in der Euro-Zone verändert. Der ESM soll ein Europäischer Währungsfonds nach dem Vorbild des IWF werden.“

Damit könnte sich jedoch die Feuerkraft des ESM und damit seine Wirkung auf die Märkte deutlich reduzieren. Die jüngst aufgetauchten Bestrebungen für eine Hebelung des ESM auf 2 Billionen Euro, von denen der „Spiegel“ berichtet, sind daher auch als Beruhigungspille für die Märkte zu verstehen. Wie genau die Hebelung geschehen soll, ist unklar. Im Kreise der Finanzminister wird das Beispiel des EFSF genannt, der durch die Beteiligung von privaten Kreditgebern ebenfalls gehebelt hätte werden sollen. Dies ist jedoch trotz intensiver Road-Shows nicht gelungen. Und es scheint unsicher, dass die Bereitschaft privater oder außereuropäischer Investoren beim ESM höher sein wird als beim EFSF. Denn schließlich ist die europäische Staatsschuldenkrise nicht einmal im Ansatz gelöst – im Gegenteil: Angeführt von Mario Monti versuchen die Südeuropäer, die Rezession durch eine weitere Aufweichung der Defizitziele zu bekämpfen (hier). So hoffen auch die Spanier, einen Teil zur Staatsfinanzierung über die Bankenrettung zu erhalten – um weitere radikale Sparmaßnahmen zu vermeiden (hier). In Portugal wurde ein bereits beschlossenes Sparpaket nach massiven öffentlichen Protesten bereits wieder gekippt (hier).

Die Lösung der Staatsschuldenkrise dürfte demnach über eine Intensivierung des Gelddruckens geschehen – mit der Folge, dass jene inflationären Tendenzen auftreten werden, vor denen Bundesbankpräsident Jens Weidmann kürzlich in einer feinsinnige literarischen Allegorie gewarnt hat (mehr zu Weidmann und Mephisto – hier).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Technologie
Technologie BradyPrinter i7500: Revolution im Hochpräzisionsdruck

Sie haben genug vom altmodischen Druck großer Etikettenmengen? Keine Kalibrierung, keine Formatierung, kein umständliches Hantieren mit...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Neue US-Zölle: Was die deutsche Wirtschaft fürchten muss
02.04.2025

Die geplanten Zölle von US-Präsident Trump sorgen für Unruhe in Europa. Niemand weiß genau, welche Branchen betroffen sein werden –...

DWN
Politik
Politik Ukraine erhält massive Militärhilfe aus Schweden und den Niederlanden – Russland weitet Einberufungen aus
02.04.2025

Die Ukraine erhält verstärkte militärische und finanzielle Unterstützung von Schweden und den Niederlanden, während Russland...

DWN
Politik
Politik Migration: Nancy Faeser sieht eigene Migrationspolitik als Erfolg
01.04.2025

Während SPD und Union über eine mögliche Koalition verhandeln: Die geschäftsführende Innenministerin Faeser präsentierte heute...

DWN
Politik
Politik Handelskonflikt eskaliert: EU prüft bislang ungenutztes Instrument
01.04.2025

Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA stehen kurz vor einer Eskalation. US-Präsident Trump plant neue Zölle auf eine...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Trumps Zölle - Warum Hyundai jetzt auf Milliarden-Investitionen in den USA setzt
01.04.2025

Geht sein Plan auf? Trumps Zollerhöhungen erzwingen bereits drastische Reaktionen. Hyundai investiert 21 Milliarden US-Dollar in die USA,...

DWN
Politik
Politik AfD holt in Umfrage auf: Union büßt nach Bundestagswahl stark ein
01.04.2025

Nach der Bundestagswahl verliert die Union in den Umfragen, während die AfD kräftig zulegt. Auch SPD und Grüne verzeichnen Rückgänge,...

DWN
Politik
Politik Bamf-Chef Sommer will radikale Asyl-Wende - Rücktritt gefordert
01.04.2025

Bamf-Chef Hans-Eckhard Sommer fordert eine radikale Wende in der deutschen Asylpolitik. Statt individueller Anträge plädiert er für eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Europa-ETF-Vergleich: Wie Sie mit Europa-fokussierten ETFs Geld verdienen - und welche Europa-ETF sinnvoll sind
01.04.2025

Da die Trump-Administration die Unterstützung für die Ukraine zurückfährt, protektionistische Zölle erlässt und sich von der...