Finanzen

EZB-Geldschwemme: Experten rechnen nicht mit großem Wachstum

Die Europäische Zentralbank wird bis Ende September 2016 monatlich für 60 Milliarden Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere kaufen. Experten gehen nicht davon aus, dass dieser Schritt das Wachstum ankurbeln wird.
30.06.2015 10:11
Lesezeit: 2 min

Die Europäische Zentralbank wird bis Ende September 2016 monatlich für 60 Milliarden Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere kaufen. Das sagte EZB-Chef Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt. Experten sagten dazu in ersten Reaktionen:

JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:

„Da das Programm 19 Monate laufen soll, dürften mehr als 1000 Milliarden Euro in den Markt gepumpt werden. Das Kaufprogramm ist damit deutlich größer, als es die meisten Experten erwartet hatten. Darüber hinaus hat Draghi gesagt, dass solange gekauft wird, wie es die Inflation notwendig erscheinen lässt. Das könnte darauf hindeuten, dass die EZB im Falle einer anhaltend niedrigen Inflation noch einmal nachlegt. Nach QE ist vor QE.

Die Maßnahmen ändern wenig am schwachen Wachstum und an der niedrigen Inflation im Euro-Raum. Sie treiben aber die Vermögenspreise. Das hilft also nicht der Konjunktur, sondern über niedrige Zinsen den Finanzministern der hoch verschuldeten Euro-Ländern und deren Banken.“

HOLGER SANDTE, NORDEA:

„Die EZB hat ein Mandat und verfolgt es. QE war überfällig. 1140 Milliarden Euro entsprechen 11 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Euroraum, ein recht großes Programm. Pro Einwohner wären das knapp 3400 Euro, die aber nur sehr indirekt ankommen werden. Natürlich löst das nicht die Probleme des Euroraums. Aber es wird helfen, Deflation zu vermeiden, die Schuldenlast einiger Länder tragbar zu machen und die konjunkturelle Erholung zu unterstützen. Die damit verbundenen Risiken halte ich für vertretbar. Dass einige Regierungen ihre Hausaufgaben nicht machen, ist der EZB nicht anzulasten.“

MARTIN WANSLEBEN, DIHK-HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER:

„Die EZB ist zum Gefangenen der eigenen Ankündigungen geworden. Sie hat ohne Not nun ihren letzten Trumpf ausgespielt. Dabei überwiegen eindeutig die Risiken: Die Wirkung des Ankaufs von Staatsanleihen auf die Preisentwicklung in der Euro-Zone ist unsicher. Zugleich schwächt er den Druck zu dringend notwendigen Reformen in den Mitgliedstaaten. Auch die Gefahr von Spekulationsblasen an den Finanzmärkten lässt er weiter steigen. Die EZB muss deutlich machen, dass Geldpolitik die Reformanstrengungen der Mitgliedstaaten zwar unterstützt, nicht aber ersetzen kann.“

STEFAN BIELMEIER, CHEFVOLKSWIRT DZ BANK:

„Die EZB hat das seit langem erwartete Staatsanleihenkaufprogramm beschlossen. Die realwirtschaftlichen Effekte für Wachstum und Inflation dürften sehr überschaubar bleiben. Die Finanzmärkte gaben und geben sich mit Hingabe der Geldillusion hin - mehr Geld soll auch mehr helfen. Doch was kommt danach? Was der Euroraum wirklich braucht, sind nicht noch weitere Programme der EZB, sondern Reformen in Wirtschaft und Politik. Nur damit werden wir ein nachhaltig stärkeres Wirtschaftswachstum erzielen, auf das wir nun schon so lange warten. Deutschland wird von dem angekündigten QE-Programm der EZB zwar kurzfristig profitieren, jedoch zum Preis eines höheren impliziten Risikos in den Bilanzen der Notenbanken.“

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...