Finanzen

Zins-Erhöhung bringt Crash-Gefahr für unregulierte Schattenbanken

Anleger sorgen sich wegen einer Zins-Erhöhung in den USA. Der Grund: Zahlreiche Schattenbanken haben in den vergangenen Jahren mit dem geschenkten Geld massiv spekuliert. Wenn sie der Kurswechsel der Fed auf dem falschen Fuß erwischt, besteht akute Crash-Gefahr. Die Branche erinnert sich mit unguten Gefühlen an den Zusammenbruch von Long-Term Capital Management (LTCM).
21.03.2015 00:41
Lesezeit: 3 min

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Analysten gehen davon aus, dass es in den USA im Juni oder auch im September 2015 zur ersten Zinserhöhung seit neun Jahren kommen könnte. Nach dem Wegfall des Signalworts „geduldig“ werde die Fed über die Zinspolitik von „Treffen zu Treffen“ entscheiden. Fakt ist, die Fed kann vorerst weder im Juni noch im September die Zinsen deutlich anheben, da ansonsten der Börsenhype nachlassen und die Kreditblase platzen könnte. Auch die Entwicklung auf den Emerging Markets ist ein Problem, da sich die Schwellenländer in enormem Ausmaß verschuldet haben, und das zu einem beträchtlichen Teil in Dollar.

Die Ökonomie in den USA selbst ist – wie inzwischen auch die in der Eurozone – nach billigem Geld der Zentralbank süchtig. Denn seit Jahren hält die Fed den Leitzinssatz auf dem historisch niedrigen Niveau von null bis 0,25 Prozent.

Zero Hedge analysiert, weshalb die Fed die Leitzinsen außerdem nicht noch weiter nach unten drücken kann. Zero Hedge bezieht sich auf Äußerungen von Zoltan Poszar, Leiter der Globalstrategie und Research-Abteilung bei Credit Suisse. Zuvor war Poszar Berater des US-Departments of Treasury, wo er das Büro des Schuldenmanagements leitete und seit 2008 für die Fed verantwortlich für die Marktforschung für verbriefte Kreditmärkten arbeitete.

Poszar richtet seinen Blick auf das unregulierte Schattenbanken-System. Und weshalb die Fed davor zurückschreckt, den derzeitigen Leitzins von 0,25 Prozent in absehbarer Zukunft zu erhöhen.

In den USA – wie auch in Europa – sind wichtige Teile der Finanzmärkte kaum reguliert, obwohl sie ähnlich wie Banken funktionieren. Dieses sogenannte Schattenbanken-System ist jedoch in den USA nicht erst in den letzten Jahren entstanden, sondern war schon immer Teil des US-Finanzmarkts und zwar bedingt durch die historisch gewachsene Schwäche des zersplitterten Bankensystems (Fünf Fakten zu Schattenbanken im Video am Anfang des Artikels).

Kurzum, Poszar erklärt, dass die traditionellen Broker-Dealer und Banken die Sicherheit für Kredite („Collateral“) reduziert haben. Stattdessen nutzen sie rund 2,5 Billionen US-Dollar an Fed-Reserven als Ersatz für Kreditsicherheiten. Und zwar gegen Kreditderivate, wie beispielsweise JPM CIO Office und dessen Versuche, die IG9-Märkte zu erobern, wie Bloomberg meldet. Sollte die Fed den Zinssatz erhöhen, so befürchten Beobachter, könnte sich ein Fiasko wiederholen, wie es die Märkte 1998 beim Zusammenbruch des Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM) erlebt haben.

Wie damals sind laut Zero Hedge die Banken gezwungen worden, festverzinsliche Produkte ins Portfolio aufzunehmen, was die Hebelwirkungen der Finanzprodukte, die ja nach wie vor auf dem Markt sind, nicht eben ausschließt oder bereinigt.

Der globale Schattenbankensektor wird auf etwa 70 Billionen Dollar geschätzt. Der FSB (Internationaler Ausschuss für Finanzstabilität) in Basel schätzt, dass allein zwischen 2011 und 2012 das Volumen der Finanzanlagen in den Schattenbanken um 8,1 Prozent gestiegen ist. In 2001 betrug das Volumen noch lediglich 26 Milliarden Dollar. Für 2014 liegen noch keine neuen Werte vor, es ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Anstieg erneut gesteigert hat. Selbst die Finanzkrise konnte diesem Wachstum nicht Einhalt gebieten.

Schattenbanken verstecken und streuen ihre Risiken, damit am Ende nicht sie, sondern andere für diese Risiken gerade stehen müssen. Ohnehin gilt: Finanzmarktakteure versuchen immer und überall, Regulierungen zu unterlaufen. Dabei haben sie oftmals Fürsprecher in der hohen Politik.

Nach der Finanzkrise wurden in den USA zwar neue Verordnungen auf den Weg gebracht, wie das „Dodd-Frank-Gesetz“ zur Finanzmarktreform im Jahr 2010. Dieses Gesetz wurde zur Erhöhung von Stabilität und Transparenz im US-amerikanischen Finanzsektor eingeführt und sah vor, dass alle „systemisch relevanten“ Banken reguliert werden müssen. Tatsächlich aber sind erhebliche Lücken geblieben. Der frühere US-Finanzminister Henry M. Paulson schloss unlängst auch eine neue Finanzkrise nicht aus: „Wir sind den Markt der Schattenbanken nicht angegangen“, so der Paulson. Es sei noch „mehr zu tun”, um die Probleme mit Repo-Transaktionen zu beheben, und es sollte mehr Transparenz bei den Investments der Geldmarktfonds geben.

Der IWF sieht indessen die Sache weit gelassener: Er schätzt, dass etwa 25 Prozent der globalen Finanzgeschäfte auf Schattenbanken entfällt. Doch könne dieser Sektor die Effizienz des Finanzsystems verbessern.

Insgesamt gibt es zwar Bestrebungen, den Schattenbanken-Markt zu regulieren. Auf dem G20-Gipfel im November 2014 gab es hierzu Ankündigungen, doch geschehen ist bisher nichts. Ein Bankenregulierer, der seine Identität nicht preisgeben wollte, erklärt: „Seit sechs Jahren ist man über die Analyse nicht hinausgekommen.“ Das mag auch damit zusammenhängen, dass Schattenbanken oftmals ihr Domizil in exotischen Finanzzentralen wie Singapur oder in Steuerparadiesen haben und somit schwer unter eine Aufsicht der G20-Staaten zu bringen sind.

In Europa dagegen, wo eine Aufsicht vom Grunde her etabliert und machbar wäre (neuerdings in der EZB) tut sich in diesem Bereich auch recht wenig. Sven Giegold, Europaparlamentarier der Grünen erläuterte in einem Gastartikel des Handelsblatts gar: „In Sachen Bankenregulierung gibt sich Wolfgang Schäuble in der Öffentlichkeit streng. Doch im Europaparlament hintertreiben seine eigenen Parteifreunde und FDP-Abgeordnete seine Initiativen gegen Schattenbanken.“

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