Politik

Parlamente machtlos: Spionage ist Qualitätskontrolle der Geheimdienste

Lesezeit: 2 min
02.05.2015 00:38
Frankreich hält sich in der aktuellen Spionage-Affäre mit Deutschland auffällig zurück. Ein Grund dafür könnte sein, dass das Land selbst seit Jahren Industrie-Spionage in Deutschland und in den USA betreibt. Die wechselseitige Bespitzelung ist längst Alltag im Verhältnis der Verbündeten. Die mächtigen Geheimdienste sehen darin eine Art Qualitätskontrolle. Die nationalen Parlamente sind ahnungslos.

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Die französische Regierung schweigt beredt zur Spionage-Affäre mit Deutschland. Dabei hätte Paris allen Grund zur Empörung: Deutsche Nachrichtendienste haben im Auftrag der Amerikaner die französische Regierung im großen Stil ausspioniert – ein Verhalten, das Bundeskanzlerin Angela Merkel noch vor kurzem als ein Ding der Unmöglichkeit bezeichnet hat. Doch aus dem Elysée-Palast ist bisher kein Anruf bei der befreundeten Bundeskanzlerin eingegangen – obwohl diese nun auch in Deutschland direkt unter Beschuss gerät.

Ein Grund für die äußerst vornehme Zurückhaltung der Regierung in Paris könnte sein, dass man in Paris über die „Enthüllungen“ gar nicht überrascht ist: Denn französische Nachrichtendienste selbst spionieren schon seit Jahren deutsche und US-amerikanische Unternehmen aus.

Der ehemalige Chef des französischen Inlandsgeheimdienstes Direction de la surveillance du territoire (DST), Bernard Squarcini, sagte vor zwei Jahren in einem Interview mit der Zeitung Le Figaro: „Die Amerikaner betreiben Wirtschaftsspionage bei uns und wir betreiben Wirtschaftsspionage bei ihnen, weil es im nationalen Interesse ist, unsere Unternehmen zu schützen“. Das gegenseitige Ausspionieren sei eine Tatsache, die sich nicht leugnen lasse – sogar unter Bündnispartnern, so Squarcini. Jeder andere Gedanke sei als „Naivität“ einzustufen. Die Amerikaner sind sich über die Industrie-Spionage der Franzosen bewusst und gestehen ein, dass diese bisher sehr erfolgreich gewesen sind. Dabei sollen sie besonders aggressiv vorgehen, wenn es um den „Diebstahl“ von technologischem Wissen geht, berichtet die New York Times.

Ein Wikileaks-Dokument zeigt auch: Frankreich hat ein breit angelegtes Spionage-Netz bei deutschen Unternehmen. France 24 zitiert den ehemaligen Chef des Bremer Satelliten-Herstellers OHB, Berry Smutny, aus dem Dokument: „Frankreich ist das ,böse Reich´, wenn es um den geistigen Diebstahl von Technologie geht und Deutschland weiß das“. Dabei sollen die Franzosen erfolgreicher als die Chinesen sein.

Die ehemalige Handelsministerin Nicole Bricq sagte im vergangenen Jahr während ihrer Amtszeit, sie könne das „Gejammer“ über die Spionage-Affären nicht nachvollziehen. „Wirtschaftsspionage ist eine Realität (…) Da nützt kein Jammern. Ich denke, wir müssen besser sein und besser organisiert (…) Wir müssen besser sein als die Deutschen, die Briten und die Amerikaner“, zitiert Reuters Bricq.

Zudem verfügt der französische Auslandsgeheimdienst Direction Générale de la Sécurité Extérieure (DGSE) über ein Überwachungs-System, welches dem Echelon-System der USA gleicht. Das System greift die gesamte Kommunikation, die zwischen Frankreich und dem Ausland abläuft ab und speichert die Daten, berichtet Le Monde. Es taugt auch zur Überwachung der gesamten Kommunikation im EU-Raum.

Welchen Einfluss die aktuelle Spionage-Affäre zwischen Deutschland und Frankreich auf die künftige Kooperation im militärisch-technischen Bereich haben wird, bleibt unklar. Doch Ende März einigten sich Paris und Berlin darauf, die Zusammenarbeit im militärischen Weltraum-Sektor und in weiteren strategisch wichtigen technischen Branchen zu intensivieren, berichtet Defense Aerospace. Dabei soll es um neun Projekte in den „Schlüssel-Industrien“ gehen. In Planung ist die Entwicklung einer europäischen Drohne, die bis 2025 fertiggestellt werden soll. Diese Kooperation droht nun ins Stocken zu geraten.

Zur Kooperation scheint jedoch auch die wechselseitige Ausspähung zu gehören – eine Art Qualitätskontrolle der Geheimdienste: So hat der EADS-Konzern auf die Enthüllungen eher gelangweilt reagiert und es zunächst bei einer müden Ankündigung belassen: Airbus kündigte an, wegen des Verdachts der Industriespionage Anzeige zu erstatten. Nach Empörung klingt das nicht, eher nach einer Pflichtübung, um der Öffentlichkeit die Illusion nicht zu rauben, dass die Geheimdienste längst mehr wissen und mächtiger sind als die gewählten Regierungen.


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