Politik

WM an Russland und Katar: Fifa-Funktionäre verhaftet

Die Schweizer Polizei hat in einem Hotel in Zürich sechs hochrangige Fußball-Funktionäre festgenommen - unter ihnen auch der Stellvertreter von Fifa-Boss Sepp Blatter. Das FBI wirft den Männern Betrug, Erpressung und Geldwäsche im Zusammenhang mit der Vergabe der Fußball-WM an Russland und an Katar vor.
27.05.2015 09:34
Lesezeit: 2 min

Zwei Tage vor den FIFA-Präsidentschaftswahlen droht der FIFA der nächste riesige Skandal. Die Schweizer Staatsanwaltschaft eröffnete am Mittwoch ein Strafverfahren rund um die Vergaben der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar. Dabei wurden im Hauptquartier des Weltverbandes in Zürich elektronische Daten und Dokumente sichergestellt. Wenige Stunden zuvor wurden sechs FIFA-Mitglieder, darunter in Jeffrey Webb auch einer der Stellvertreter von FIFA-Präsident Joseph Blatter, festgenommen. Die Verfahren und polizeilichen Maßnahmen stehen allerdings in keinem Zusammenhang.

Beim Verfahren wegen der WM-Vergaben geht es nach Behördenangaben um den Verdacht «der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie des Verdachts der Geldwäscherei gegen unbekannt». Vorher sei bereits bei verschiedenen Finanzinstituten in der Schweiz «die Erhebung der betreffenden Bankunterlagen angeordnet» worden, hieß es von der Bundesstaatsanwaltschaft. Verbandsjuristisch waren die umstrittene WM-Vergaben an Russland und Katar eigentlich abgeschlossen, geraten jetzt aber erneut in den Fokus.

Im Falle der sechs Festgenommenen bestätigte das Schweizer Bundesamt für Justiz, dass die Verdächtigen in Auslieferungshaft genommen wurden. Ihnen droht die Abschiebung in die USA - die Ermittlungen gehen von Amerika aus. Den Personen wird von amerikanischen Ermittlern Betrug, Erpressung und Geldwäsche vorgeworfen.

Laut Berichten von BBC und «New York Times» gehören zu den Verdächtigen auch Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo - zwei Stellvertreter von FIFA-Boss Joseph Blatter, der allerdings laut des Weltverbandes nicht zu den Verdächtigen gehört. Auch der brasilianische Spitzenfunktionär José Maria Marin - maßgeblich an der WM-Organisation 2014 beteiligt - soll unter den Beschuldigten sein. Zudem steht das designierte FIFA-Exko-Mitglied Eduardo Li aus Costa Rica unter Verdacht.

Laut Schweizer Behörden geht es um Bestechungszahlungen von über 100 Millionen Dollar seit den 90er Jahren. Ein Sprecher des Schweizer Bundesamts für Justiz sagte, das Geld sei von Sportmedien- und Sportvermarktungsunternehmen gekommen. Als Gegenleistung hätten sie Medien-, Sponsoring- und Vermarktungsrechte an Fußball-Turnieren in den USA und Lateinamerika erhalten. Die Namen der Festgenommenen sollen noch am Mittwoch offiziell bekanntgegeben werden.

Die Polizeiaktion fand am frühen Mittwochmorgen im Zürcher Nobelhotel Bar au Lac statt. Der Kongress mit der Wahl des FIFA-Präsidenten am Freitag soll allerdings «definitiv» stattfinden, sagte FIFA-Sprecher Walter De Gregorio. «Wir machen weiter mit unserer Agenda.»

Zumindest Webb ist ein ganz enger Vertrauter des Schweizers Blatter. Der Präsident der Nord- und Mittelamerika-Konföderation, vergleichbar mit der Position von Michel Platini in Europa, ist auch Chef der von Blatter hochgelobte Anti-Diskriminierungs-Task-Force und Mitglied des inneren Machtzirkels der FIFA.

Der 79-jährige Blatter geht als großer Favorit in die Wahl für eine fünfte Amtszeit beim FIFA-Kongress. Einziger Gegenkandidat ist Prinz Ali bin al-Hussein aus Jordanien, dem praktisch keine Siegchancen eingeräumt werden. Der FIFA-Kongress soll am Donnerstagnachmittag mit einer Feier in einem Zürcher Theater beginnen. Al-Hussein drückte in einer ersten Reaktion seine Sorge aus. «Heute ist ein trauriger Tag für den Fußball.» Für eine detaillierte Bewertung der Vorfälle sei es aber noch zu früh.

In den USA laufen seit längeren Untersuchungen des FBI gegen frühere FIFA-Funktionäre. Der ehemalige US-Verbandschef Chuck Blazer und der frühere Blatter-Stellvertreter Jack Warner aus Trinidad und Tobago gehören zu Beschuldigten in diversen Korruptionsverdachtsfällen. Blazer soll zuletzt mit den US-Behörden kooperiert haben und unter anderem bei den Olympischen Spielen 2012 in London per verstecktem Mikrofon Aufzeichnungen von Funktionärsgesprächen gemacht haben.

Auch die WM-Vergabe 2022 an Katar, bei der der US-Fußballverband im Dezember 2010 überraschend dem Emirat unterlag, wird in den USA weiterhin untersucht. Die internen FIFA-Untersuchungen zu den Korruptionsvorwürfen waren im vergangenen Dezember ergebnislos eingestellt worden. Ermittler Michael Garcia aus den USA trat deswegen wenig später von seinem Posten als Chef der investigativen Einheit der FIFA-Ethikkommission zurück. Um die Veröffentlichung seines Reports wird im Weltverband weiterhin gestritten.

Zuletzt hatte Blatter Vermutungen zurückgewiesen, dass er eine Reise in die USA wegen der dort laufenden Ermittlungen seit längerem bewusst vermeide. Die Anschuldigungen richteten sich nicht gegen ihn, hatte der Schweizer Anfang des Monats betont.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...