Politik

Euro-Zone plant gemeinsame Einlagen-Sicherung und Arbeitslosen-Hilfe

Im Windschatten der Diskussion um die Zukunft Großbritanniens in der EU bereitet die Euro-Zone klammheimlich die nächste Integrationsstufe vor. Dazu zählen eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung und Einlagensicherung für die Euro-Zone. Beide Maßnahmen sind Hebel zur radikalen Umverteilung, deren Nutznießer die Netzwerke der Regierungen und die Banken sind.
01.06.2015 02:10
Lesezeit: 2 min

Die EU wird die Debatte über Großbritanniens Wunsch, die EU-Verträge zu ändern dazu nutzen, eine stärkere Integration in der Eurozone voranzutreiben. Der Hebel dazu dürfte sein, keine politische, sondern eine weitere fiskalische Zusammenführung der Eurozone in den Fokus zu nehmen. Durch Umverteilungen wie eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung oder durch eine gemeinsame Einlagensicherung als dritte Säule der Bankenunion sind absehbar die Weichen hierfür gestellt.

Bei Camerons „Charme-Offensive“ in Berlin vergangene Woche, wo es dem britischen Premier um das Ausloten für eine EU-Reform ging, fiel der lapidare Satz der Kanzlerin: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“. Damit signalisierte Merkel zumindest verbal, offen für Camerons EU-Reformwünsche zu sein. EU-Kommissionpräsident Juncker versicherte zuvor sogar, er wolle einen „fairen Deal“ für Großbritannien finden.

Für die EU steht außer Frage, dass Großbritannien in der EU gehalten werden soll. Eine EU ohne Großbritannien hat wirtschaftlich und strategisch weniger Gewicht als mit ihm. Selbst wenn EU-Parlamentspräsident Martin Schulz unlängst betonte, er sei nicht bereit, „Erpressungen“ hinzunehmen. Seine rote Linie sei, dass man nicht anfangen dürfe, „die EU zu zerpflücken.“ Noch hat sich Cameron nicht konkret dazu geäußert, außer, dass man zunächst über die Inhalte der notwendigen Reformen gesprochen werden, etwa in Bezug auf die Freizügigkeit, so steht für Schulz bereits fest, „die von Cameron ‚angeregte Änderung‘ der europäischen Verträge steht nicht auf der Tagesordnung.

Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron äußerte in einem Interview mit der französischen Zeitung Le Journal du Dimanche dagegen, er würde eine Änderung der EU-Verträge nicht ausschließen. „Wir müssen akzeptieren, dass Europa auf zwei Geschwindigkeiten basieren wird“, sagte Macron.

Bei einem Treffen von Spitzenbeamten der 28 EU-Mitglieder und Vertretern der Präsidenten von EU-Kommission und EU-Parlament vergangene Woche in Brüssel betonten die Staatenvertreter mehrheitlich den Wunsch, Reformen sollten nur im Rahmen der bestehenden Verträge fokussiert werden. Demnach gibt es keinerlei Bestrebungen der 28 EU-Regierungsvertreter, wonach Vertragsänderungen nötig wären.

Unter dem Strich wird es für das Referendum in Großbritannien also darauf hinauslaufen, dass Cameron etwaige Zugeständnisse erhalten wird, um keinen Bruch mit Brüssel zu riskieren. Man wird mit London sicherlich zu einer loseren Verbindung kommen, ohne dass Großbritannien den Binnenmarkt verlässt. Cameron selbst ist aus wirtschaftlichen Gründen bestrebt, dass sein Land in der EU verbleibt.

Frankreichs Wirtschaftsminister Macron dürfte also damit Recht behalten, wenn es ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ gibt (früher noch gedacht als Gefälle zwischen Nord- und Südländern) – also dem Konzept flexibler Integration auf der Ebene der EU-Verträge entspricht.

Innerhalb der Eurozone jedoch ist absehbar eine verstärkte Integration zu erwarten. Da die Euro-Gruppe (also das Gremium der Finanzminister der Eurozone) in keinem der EU-Verträge verankert ist, gibt es ein Problem. Es wird daher eher eine fiskalische, denn eine politische Integration in der Eurozone geben. Schäubles Idee eines eigenen Euro-Parlaments innerhalb des Europa-Parlaments bzw. parallel dazu, ist aktuell nicht zu realisieren. Daher wollen die Euro-Politiker sicherstellen, dass die nächste Stufe der Integration über fiskalpolitische Mittel gezündet wird.

Offen bleibt nach einem internen Papier, ob die Eurogruppe einen hauptamtlichen Vorsitzenden mit Sitz in Brüssel erhält. Jedoch ist von der „Stärkung“ der Euro-Gruppe die Rede – was auch immer dies bedeuten mag oder welche weitere technische, beigeordnete „Institution“ dies beinhaltet.

Die fiskalische Integration dagegen – und damit gewissermaßen das „moralische“ Fundament oder auch als „Wohlfühlfaktor“ hierfür – dürfte in Zukunft auf eine Umverteilung von Nord zu Süd hinauslaufen. So weisen Papiere, die in Vorbereitung auf den EU-Gipfel Ende Juni der Financial Times zugespielt wurden, darauf hin, dass eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung und eine gemeinsame Einlagensicherung als dritte Säule der Bankenunion für die Eurozone vorgesehen sind.

Es klingt noch nach „Zukunftsmusik“, da solche Bestrebungen laut der Financial Times erst einmal „relegated to the medium and long term“ – also mittel- und langfristig – vorgesehen sind.

Doch die Zukunft beginnt bereits jetzt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Sanierung bleibt trotz Rekordminus auf Kurs
03.07.2025

Baywa steckt tief in den roten Zahlen – doch der Sanierungsplan bleibt unangetastet. Der traditionsreiche Konzern kämpft mit Altlasten,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Seltene Erden: China kontrolliert deutsche Industrie
03.07.2025

Die deutsche Industrie gerät zunehmend in die Abhängigkeit Chinas, weil Peking bei seltenen Erden den Weltmarkt kontrolliert....

DWN
Politik
Politik Keine Stromsteuersenkung für Verbraucher: "Fatales Signal"
03.07.2025

Die Strompreise bleiben hoch, die Entlastung fällt kleiner aus als versprochen. Die Bundesregierung gerät unter Druck, denn viele Bürger...

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....