Heftige diplomatische Reaktion aus Moskau
Es sei provozierend, es sei irreführend, es sei verantwortungslos, es sei kriminell. Russland zeigt sich empört über die Aussagen von Rob Bauer. Er war bis Januar der höchste Offizier der NATO und damit einer der einflussreichsten Militärs der Welt. In der vergangenen Woche gab er in einem großen Interview eine Analyse der sicherheitspolitischen Lage ab.
In einer ausführlichen Stellungnahme, die die russische Botschaft in Dänemark an unsere Kollegen Børsen gesendet hat, die dieses Interview zuerst veröffentlicht hatten, distanziert sich der russische Botschafter in Dänemark, Vladimir Barbin, klar von Rob Bauers Einschätzung der Sicherheitslage. Bauer sagte im Interview unter anderem, dass er fürchte, dass Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping innerhalb weniger Jahre eine gefährliche Vereinbarung treffen könnten. Sie könnten einen koordinierten militärischen Angriff auf Taiwan und Europa planen. Eine Aktion, die einen Weltkrieg auslösen könne, fügte Bauer hinzu.
Russland weist dies jedoch in klaren Worten zurück. Russland und China seien durch eine umfassende Partnerschaft und eine strategische Zusammenarbeit verbunden. Diese sei gegen niemanden gerichtet. Spekulationen des früheren Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses über die Möglichkeit eines koordinierten Angriffs beider Länder auf Europa und Taiwan seien nichts anderes als Provokation und Desinformation, schreibt Vladimir Barbin.
Russische Gegenargumente und Warnungen vor Eskalation
Der russische Botschafter geht außerdem entschieden gegen Bauers Aussage vor, dass die NATO am Ende trotz großer Opfer in der Lage sein werde, einen Krieg gegen Russland und China zu gewinnen. Rob Bauer verbreite konsequent die Idee, dass ein Krieg zwischen Russland und der NATO akzeptabel sei, weil die NATO einen solchen Krieg gewinnen könne. Das sei verantwortungslos und kriminell, schreibt Vladimir Barbin. Es werde in einem solchen Krieg keine Sieger geben. Angesichts der Entwicklung moderner Massenvernichtungswaffen sei es schwer vorstellbar, dass überhaupt noch etwas Lebendiges auf der Erde übrig bleiben würde. Das sei der Ausgangspunkt, von dem man ausgehen müsse.
Vladimir Barbin fügt hinzu, dass Russland nicht an einem Krieg gegen Europa interessiert sei und keinen Krieg suche. Behauptungen über das Gegenteil seien reiner Unsinn und hätten keinen Bezug zur Realität, schreibt er. Es sei traurig, aber nicht überraschend, dass niemand, auch nicht in Dänemark, es wage, die Argumente zu widersprechen, dass ein Krieg zwischen Europa, der NATO und Russland akzeptabel sei. Der öffentliche Raum im Westen sei von alternativen Sichtweisen gereinigt worden.
Streit über Kriegsökonomie, Ukraine und geopolitische Motive
Im Interview mit Rob Bauer sagte der viersternige niederländische Admiral, dass Russland seine Wirtschaft auf eine sogenannte Kriegsökonomie umgestellt habe. Europa müsse dasselbe tun.
Wenn Europa keine umfassende, drastische und schnelle Aufrüstung vornehme, um eine abschreckende Wirkung auf Wladimir Putin zu erzielen, werde das Risiko eines großen Krieges überwältigend sein. So lautet Bauers Analyse.
Auch das weist Vladimir Barbin entschieden zurück. Menschen wie Rob Bauer bereiteten Europa auf einen Krieg mit Russland vor. Sie wollten keinen Frieden in der Ukraine. Sie seien daran interessiert, den Konflikt am Laufen zu halten, um Russland so stark wie möglich zu schwächen und die europäischen Länder vollständig zu militarisieren, schreibt er.
Barbin widerspricht der Behauptung, dass Russland de facto auf eine Kriegsökonomie umgestellt habe. Angesichts der umfangreichen und fortlaufenden Lieferung westlicher Waffen an die Ukraine sei Russland gezwungen gewesen, seine Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit zu erhöhen. Russische Rüstungsunternehmen hätten die Produktion steigern müssen. Die Wirtschaft des Landes insgesamt sei jedoch nicht auf Kriegsbereitschaft ausgerichtet, schreibt er. Die russische Wirtschaft entwickle sich entsprechend den Gesetzen des Marktes und sei nicht auf Krieg ausgerichtet. Sie konzentriere sich in erster Linie darauf, soziale Probleme zu lösen und den Wohlstand der Bevölkerung zu verbessern.
Der Botschafter weist auch ein weiteres Argument von Rob Bauer zurück. Dieser hatte erklärt, Russland wolle die Ukraine nur deshalb weiter im Krieg halten, weil eine Rückkehr hunderttausender Soldaten zu einem enormen Anstieg der Kriminalität führen könnte. Im Gegensatz zu Rob Bauers Behauptungen wolle Russland, dass die Teilnehmer der speziellen Militäroperation so schnell wie möglich zu ihren Familien und Angehörigen zurückkehren. Ihre Arbeitskraft werde in der russischen Wirtschaft dringend gebraucht, schreibt Barbin. Russland rechne mit ihrer aktiven Teilnahme am öffentlichen Leben sowie in lokalen und staatlichen Verwaltungsorganen.
Er sagt außerdem, dass Russland bereit für eine politische und diplomatische Lösung des Konflikts in der Ukraine sei. Darüber werde aktuell verhandelt. Dies gelte jedoch nur, wenn russische Interessen angemessen berücksichtigt würden, fügt Barbin hinzu. In dieser Hinsicht müsse ein zukünftiges Friedensabkommen die grundlegenden Ursachen des Konflikts in der Ukraine beseitigen. Dazu gehöre eine garantierte neutrale Stellung der Ukraine und ihre Nichteinbindung in die NATO.
Diplomatie am Abgrund: Der Russland-NATO-Konflikt erreicht neue Schärfe
Die Auseinandersetzung verdeutlicht die Eskalationsgefahr im Russland-NATO-Konflikt. Für Deutschland ist das besonders relevant. Deutschland ist militärisch und sicherheitspolitisch stark in die NATO eingebunden. Jede Verschärfung der Rhetorik zwischen Russland und der Allianz erhöht das Risiko einer sicherheitspolitischen Destabilisierung Europas. Der Krieg in der Ukraine betrifft deutsche Energieversorgung, Verteidigungsplanung und außenpolitische Handlungsspielräume direkt. Gleichzeitig wird sichtbar, wie begrenzt Europas Einfluss auf zentrale strategische Entscheidungen ist, die zwischen Washington, Moskau und Peking getroffen werden. Deutschland steht vor der Herausforderung, innerhalb der EU und der NATO eine strategische Rolle zu behaupten, während die geopolitischen Spannungen weiter zunehmen.

