Erwartungen an einen Waffenstillstand und ihre Wirkung auf die Märkte
Aktien jener Unternehmen, die als künftige Gewinner des Ukraine-Wiederaufbaus gelten, entwickeln sich derzeit stabiler als die globale Einschätzung eines möglichen Waffenstillstands. Trotzdem verabschieden sich Investoren auffallend schnell von Titeln aus der Rüstungsbranche. Ein polnischer Marktkommentator beschreibt, dass Meldungen über ein bevorstehendes Kriegsende inzwischen fast so häufig auftreten wie das alljährlich gespielte "Last Christmas". Gleichzeitig nähert sich der Krieg in der Ukraine seinem vierten Jahr.
US-Präsident Donald Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, den Krieg in 24 Stunden zu beenden. In den vergangenen Wochen wächst der Eindruck, dass er verstärkt Druck ausübt, um die Kämpfe so schnell wie möglich zu stoppen. Die Plattform Polymarket sieht dennoch nur eine Wahrscheinlichkeit von dreizehn Prozent für ein Kriegsende bis Jahresende. Für einen Waffenstillstand bis Ende April liegt die Quote bei achtundzwanzig Prozent, bis Ende kommenden Jahres bei vierundfünfzig Prozent.
Ukraine-Aktien rauf, Militärtitel runter: Ein auffälliges Börsenmuster
Der Autor verzichtet bewusst auf eine Debatte über mögliche territoriale Kompromisse. Ihn interessiert vor allem die Marktdynamik. An der Warschauer Börse zeigt sich seit Monaten ein Muster: Aktien ukrainischer Unternehmen wie Astarta, Milkiland oder KSG Agro steigen, während Titel von Firmen mit hohen Militärumsätzen fallen. Dazu zählen etwa Lubawa und Zremb. Die Aktie des Unternehmens Arlen, das in Polen als Zulieferer für militärische Textilien wahrgenommen wird, folgt einem eigenen Rhythmus. Obwohl ein Großteil des Umsatzes im Jahr 2024 aus Kleidung und Rucksäcken für das Militär stammt, notiert die Aktie zuletzt rückläufig.
Die Kurse zahlreicher europäischer Rüstungshersteller verlieren deutlich. Seit Anfang Oktober hat der europäische Branchenindex fast ein Viertel eingebüßt. Einzelwerte zeigen sogar stärkere Ausschläge. Der österreichische Hersteller Steyr Motors verlor binnen zwei Wochen ungefähr vierzig Prozent seines Wertes. Die deutsche Rheinmetall-Aktie gab innerhalb von fünf Tagen fünfzehn Prozent ab. In absoluten Zahlen handelt es sich um erhebliche Kurskorrekturen. Analysten von JP Morgan widersprechen dieser Entwicklung. David Perry erklärte gegenüber MarketWatch, die Reaktion sei übertrieben und eröffne attraktive Einstiegsgelegenheiten. Viele Anleger hätten vorschnell verkauft, obwohl der Krieg nicht beendet sei. Zudem könnte ein Waffenstillstand aus Sicht der Bank ein geopolitisches Signal zugunsten Russlands darstellen, was europäische Regierungen zu höheren Rüstungsausgaben veranlassen könnte. Dennoch fielen die Aktienkurse nach Perrys Einschätzung weiter.
Trendumkehr seit August: Wiederaufbau schlägt schnellen Frieden
Der Schweizer UBS-Konzern beobachtet zwei eigene Aktienkörbe. Der erste enthält Titel, die im Fall eines schnellen Waffenstillstands profitieren könnten. Der zweite umfasst Unternehmen, die vom späteren Wiederaufbau der Ukraine profitieren dürften. Seit August zeigt sich eine klare Trendumkehr. Die auf einen Waffenstillstand ausgerichteten Titel fielen. Der entsprechende Index legte seit Jahresbeginn nur um fünfzehn Komma vier Prozent zu.
Die Gruppe möglicher Wiederaufbaugewinner verdiente hingegen vierzig Komma sechs Prozent. Die Erklärung lautet, dass ein Wiederaufbau zwar später, aber sicherer gilt, während der Friede weiterhin ungewiss bleibt. Zudem enthält der Waffenstillstandsindex viele zyklische Werte, deren Kursprobleme unabhängig vom Krieg bestehen.
Belastungsfaktoren für Unternehmen und Branchen
Unter den stärksten Verlierern befinden sich zyklische Aktien. Auffällig sind zwei deutsche Spezialchemieunternehmen: Lanxess und Evonik Industries. Beide verzeichnen rückläufige Gewinne und schwächere Prognosen. Lanxess leidet unter einer geringen Nachfrage in Europa, während Evonik eine umfassende Restrukturierung durchläuft. Die Probleme sind überwiegend struktureller Natur und spiegeln die schwierige wirtschaftliche Lage in Deutschland wider. Auch die Aktien großer Fluggesellschaften geraten unter Druck. Erwartet wurde eigentlich, dass Airlines langfristig von sinkenden Treibstoffpreisen sowie von geringeren Kosten durch Umfluggebiete profitieren. Stattdessen dominieren operative und kostenbedingte Probleme. In beiden Aktienkörben der UBS liegt weiterhin der schweizerisch-ukrainische Rohstoffkonzern Ferrexpo am unteren Ende. Das Unternehmen zählt zu den weltweit größten Exporteuren von Eisenerz und steht aufgrund der geopolitischen Lage und geringerer Nachfrage unter besonderem Druck.


