Finanzen

Krisensitzung in Brüssel wegen griechischer Schuldenkrise

Griechenland droht in wenigen Tagen das Geld auszugehen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der griechische Premier Alexis Tsipras und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem trafen sich in Brüssel, um Lösungen im Schuldenstreit auszuloten.
04.06.2015 00:25
Lesezeit: 2 min

Mit einem Krisentreffen in Brüssel sind die Verhandlungen für die Rettung Griechenlands vor der Staatspleite in der entscheidenden Phase angelangt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der griechische Regierungschef Alexis Tsipras und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem loteten am Mittwochabend gemeinsam Kompromissvorschläge aus, berichteten Diplomaten. „Wir haben noch eine Menge Arbeit zu erledigen“, sagte der Niederländer Dijsselbloem.

Viel Zeit bleibt Athen angesichts leerer Kassen nicht mehr. Schon am Freitag ist eine Zahlung an den IWF in Höhe von 305 Millionen Euro fällig. Im laufenden Monat stehen Zahlungen an den Weltwährungsfonds von insgesamt knapp 1,6 Milliarden Euro an. Athen muss zusätzlich bis Monatsende fällige Staatsanleihen von gut 5 Milliarden Euro bedienen. Experten sehen das Land damit überfordert.

Bei dem als privat bezeichneten Treffen im Brüsseler Europaviertel kamen zunächst Juncker und Tsipras zusammen. Dann wurde Dijsselbloem, der vorher Juncker schon unter vier Augen gesehen hatte, in die Runde dazugebeten, hieß es aus EU-Quellen. Eine endgültige Vereinbarung über das von den Geldgebern geforderte Reformpaket wurde nicht erwartet.

Tsipras betonte vor seinem Abflug nach Brüssel, Griechenland habe im Tauziehen um weitere Milliardenhilfen einen Reformplan vorgelegt, der einen für alle Seiten „ehrenhaften Kompromiss“ ermögliche. Auch die EU-Kommission, die EZB und der IWF haben sich auf ein gemeinsames Angebot an Athen verständigt. Beide Vorschläge sollen nun abgeglichen werden. Ohne einen Kompromiss auf Reformen - dazu gehören auch Privatisierungen - können blockierte Hilfsgelder von insgesamt 7,2 Milliarden Euro nicht fließen.

Zuvor hatte Tsipras von Brüssel aus mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsidenten François Hollande telefoniert. Sie hätten darin übereingestimmt, dass Athen künftig in seinem Staatshaushalt nur niedrige „primäre Überschüsse“(ohne Zinszahlungen für Staatsschulden)erwirtschaften müsse, hieß es aus Athen. Dies war eine der Forderungen Griechenlands.

In EU-Kreisen war davon die Rede, dass angesichts akuter Geldnot in Athen auch Zwischenlösungen erwogen werden. Alle Optionen lägen auf dem Tisch. So könnte es darum gehen, die im Juni fälligen IWF-Kreditraten zusammenzufassen und sie erst am Monatsende von Athen zu fordern. Eine andere Möglichkeit sei eine Verlängerung des Ende Juni endenden Hilfsprogramms über den Sommer hinweg.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz glaubt nicht an einen schnellen Durchbruch. „Es wird weder heute noch morgen eine endgültige Lösung geben“, sagte er dem Tagesspiegel.

Deutschland und Frankreich suchen nach Angaben Merkels mit Hochdruck nach einer Lösung der Griechenland-Krise. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble beurteilt den Kompromissvorschlag Athens allerdings skeptisch. Er könne den Optimismus der griechischen Regierung nach wie vor nicht teilen, sagte er in Berlin.

Die EZB geht fest von einem Verbleib Griechenlands im Euroraum aus. „Es gibt einen großen Willen und eine starke Entschlossenheit, dass wir am Ende ein gutes Ergebnis finden“, sagte Notenbank-Präsident Mario Draghi in Frankfurt. In der Nacht zum Dienstag hatten Merkel und Hollande mit Juncker und IWF-Chefin Christine Lagarde sowie Draghi in Berlin einen Kompromiss ausgelotet. Details ihres „allerletzten Angebots“ wurden nicht genannt.

Nach Informationen der Welt bewegen sich die Gläubiger im Schuldenstreit auf Griechenland zu. So forderten sie bei Renten nur noch Kürzungen von einem Prozent des BIP. Zuvor hatten sie noch Einsparungen in Höhe von 1,5 Prozent verlangt. Hingegen zitierte das Handelsblatt eine gegensätzliche Stimme aus Verhandlungskreisen. „Da liegen Welten dazwischen.“

Tsipras soll nach griechischen Medienberichten bereits ein ganzes Stück von seinen Wahlversprechen abgerückt sein. Unter anderem lehne er Privatisierungen nicht mehr ab. Eine umstrittene Immobiliensteuer solle bleiben. Zudem soll es eine Mehrwertsteuerreform mit mehr als einer Milliarde Euro Mehrbelastungen für die Bürger geben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Kupferpreis explodiert: Was Trumps Zollfantasien auslösen
11.07.2025

Eine 50-Prozent-Zollandrohung von Trump lässt den Kupferpreis durch die Decke schießen – und sorgt für ein historisches Börsenchaos....

DWN
Politik
Politik Putins Imperium zerbröckelt: Aserbaidschan demütigt den Kreml – mit Hilfe der Türkei
10.07.2025

Aserbaidschan widersetzt sich offen Moskau, schließt russische Propagandakanäle und greift zur Verhaftung von Russen – ein Tabubruch in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Gasfeld vor Zypern könnte Europas Energiestrategie neu ausrichten
10.07.2025

Ein neues Erdgasfeld vor Zypern könnte zum Wendepunkt in Europas Energiepolitik werden.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Jahreszahlen zeigen das ganze Ausmaß der Krise beim Mischkonzern
10.07.2025

Jetzt ist der Milliardenverlust bei der Baywa amtlich: Das Minus von 1,6 Milliarden Euro ist vor allem auf Abschreibungen bei der...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Rechnung für die Private-Equity-Branche: 79 Milliarden
10.07.2025

Donald Trumps Zollkurs und globale Kriege setzen der Private-Equity-Branche massiv zu. Was hinter dem dramatischen Kapitalschwund steckt...

DWN
Politik
Politik „Kleiner Lichtblick für die Ukraine“ nach Trumps Kehrtwende
10.07.2025

Der Kurswechsel der USA beim Waffenlieferprogramm für die Ukraine dürfte die Gespräche europäischer Staats- und Regierungschefs in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende: Industriestandort gefährdet
10.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Schuldenkrise: Droht der Dollar-Kollaps? Was Anleger jetzt wissen müssen
10.07.2025

Die USA spielen mit dem Feuer: Zölle, Dollar-Schwächung und wachsende Schulden bedrohen das globale Finanzsystem. Doch es gibt Strategien...