Politik

Deutsche Staatsbürger ausspioniert: Generalbundesanwalt ermittelt weiter gegen NSA

Der Generalbundesanwalt ermittelt weiter gegen die NSA wegen des massenhaften Ausspionierens deutscher Staatsbürger. Die Ermittlungen wegen des Handys von Angela Merkel wurden dagegen eingestellt - augenscheinlich zu Recht, weil die Behörde nur eine Fabrikation des Magazins Spiegel zur Verfügung hatte.
12.06.2015 17:31
Lesezeit: 3 min

Der Generalbundesanwalt ermittelt weiter, ob die deutschen Staatsbürger massenhaft von der NSA ausspioniert wurden. Die Ermittlungen wegen der angeblichen Abhör-Affäre des Kanzler-Handys wurden dagegen eingestellt: Der Generalbundesanwalt sagte am Freitag, dass man die Ermittlungen wegen eines Artikels des Hamburger Magazins Spiegel eingeleitet habe. Darin war ein Foto zu sehen, das den Eindruck erweckte, ein Dokument der NSA zu sein. Das war es aber nicht: Es war eine nachgestellte Infografik des Spiegel, in die ein Gedächtnisprotokoll eines Spiegel-Redakteurs einkopiert gewesen war. Zwar habe man versucht, ein entsprechendes Dokument zu bekommen, sei jedoch nicht erfolgreich gewesen, sagte der Generalbundesanwalt. Es ist allerdings logisch, dass eine Behörde nicht wegen einer vom Spiegel produzierten Grafik strafrechtliche Ermittlungen einleiten kann. Es wäre verheerend, wenn der Generalbundesanwalt wegen allgemeiner Verdächtigungen in Medien und Parteien tätig werden würde. Dies würde jede Rechtsstaatlichkeit in Frage stellen. Dass es in diesem Fall der NSA zugute kommt, ist völlig nebensächlich.

Im übrigen muss eine Bundeskanzlerin davon ausgehen, dass ein nicht verschlüsseltes Handy abgehört wird. Dies gehört zu den Kern-Aufgaben eines Geheimdienstes.

Interessant - und von der Öffentlichkeit mit weit weniger Aufmerksamkeit wahrgenommen - ist die Mitteilung des Generalbundesanwalts, dass er weiter gegen die NSA wegen des Verdachts der Massenausspähung der Deutschen ermittle. Hier sei noch nicht abschließend zu beurteilen, ob eine Straftat vorliege.

Die Mitteilung des Generalbundesanwalt im Wortlaut:

Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Ausspähung eines von der Bundeskanzlerin genutzten Mobiltelefons eingestellt

Der Generalbundesanwalt hat das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Ausspähung eines von der Bundeskanzlerin genutzten Mobiltelefons durch US-amerikanische Nachrichtendienste gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil sich der Vorwurf mit den Mitteln des Strafprozessrechts nicht gerichtsfest beweisen lässt.

1. Ausgangspunkt für die Ermittlungen war ein im Oktober 2013 erstmals in den Medien veröffentlichtes Dokument, das in der Öffentlichkeit als Beleg für ein tatsächliches Abhören des Mobiltelefons der Bundeskanzlerin angesehen wurde. Bei diesem Dokument handelt es sich nicht um einen authentischen Abhörauftrag der National Security Agency (NSA) oder eines anderen US-amerikanischen Nachrichtendienstes. Es soll sich vielmehr um eine Abschrift eines in Augenschein genommenen Dokuments der NSA handeln. Das Dokument im Original zu beschaffen, ist nicht gelungen. Auch die Abschrift oder jedenfalls weitere Einzelheiten hierzu stehen für weitere Ermittlungen nicht zur Verfügung. Auf dieser Grundlage ist eine den Anforderungen der Strafprozessordnung genügende Bewertung des Dokuments sowie der Herkunft der in ihm enthaltenen Daten nicht möglich.

Auch der Inhalt des Dokuments beweist nicht, dass das Mobiltelefon der Bundeskanzlerin möglicherweise seit dem Jahr 2002 abgehört worden ist. Festzustellen war, dass die darin aufgeführte Telefonnummer einem von der Bundeskanzlerin genutzten Mobiltelefon zuzuordnen ist. Ansonsten lassen die Angaben auf dem Dokument verschiedene Interpretationen zu. Keine von ihnen lässt sich mit dem Beginn der ersten Amtszeit der Bundeskanzlerin am 22. November 2005 sowie mit der als Anschlussinhaberin des Mobiltelefons ermittelten CDU-Bundesgeschäftsstelle in Einklang bringen. Dass es sich bei den in dem Dokument genannten Daten um die technischen Zielparameter für die Überwachung des von der Bundeskanzlerin genutzten Mobiltelefons handelt, muss daher eine Vermutung bleiben.

2. Auch die in den Medien bisher veröffentlichten Dokumente, die von Edward Snowden stammen, enthalten keinen gerichtsfesten Nachweis für eine Überwachung des von der Bundeskanzlerin genutzten Mobiltelefons. Der Name der Bundeskanzlerin scheint einem Dokument aus diesem Fundus zufolge zwar mit Hilfe eines Namen-Erkennungs-Programms namens „Nymrod“ häufiger als 300 Mal festgestellt worden zu sein. Aus welchem Datenbestand die Treffer stammen, ist diesem oder anderen Dokumenten aus dem Fundus allerdings nicht zu entnehmen. Ein Beweis, dass die festgestellten Treffer auf einer Überwachung des von der Bundeskanzlerin genutzten Mobiltelefons beruhen, lässt sich damit nicht führen. Eine Recherche des Namens der Bundeskanzlerin in allgemein zugänglichen Quellen wäre strafrechtlich ohne Bedeutung.

3. Nach den eingeholten technischen Stellungnahmen des Bundesnachrichtendienstes (BND), der Bundespolizei (BPol), des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) sowie des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sind zahlreiche Möglichkeiten denkbar, wie auf mobile Kommunikation zugegriffen werden kann. Keines der in Betracht kommenden „Angriffsszenarien“ lässt sich im Falle des von der Bundeskanzlerin genutzten Mobiltelefons nachweisen oder ausschließen. Eine Präzisierung des Tatverdachts nach Tatzeit, Tatort und Tatumständen sowie den handelnden Personen – wie es die Strafprozessordnung fordert – ist daher auf diesem Weg nicht möglich.

4. Weitere Bewei serhebungen versprechen keinen Erfolg. Es bestehen keine weiteren Ermittlungsansätze, mit Hilfe derer sich der Verdacht der Ausspähung des von der Bundeskanzlerin genutzten Mobiltelefons nach Tatzeit, Tatort und Tatumständen weiter konkretisieren ließe. Den mit der Veröffentlichung der sogenannten Snowden-Dokumente befassten Journalisten steht ein umfassendes Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht zu. Die bisher bekannten Äußerungen von Edward Snowden geben ebenso wie der Inhalt der ihm zuzuordnenden veröffentlichten Dokumente keine Hinweise darauf, dass er über eigene Wahrnehmungen oder Kenntnisse zu dem Verdacht der Ausspähung des von der Bundeskanzlerin genutzten Mobiltelefons verfügt. Die vagen Äußerungen von Verantwortlichen der Vereinigten Staaten von Amerika zu einer etwaigen Überwachung der mobilen Telekommunikation der Bundeskanzlerin durch einen US-amerikanischen Nachrichtendienst („not any more“) reichen für eine Beschreibung des Tatgeschehens nicht aus. Die Bemerkungen, die in der Öffentlichkeit als allgemeines Schuldeingeständnis aufgefasst wurden, entbinden nicht von einer den Vorgaben der Strafprozessordnung genügenden Beweisführung. Sollten sich neue erfolgsversprechende Ermittlungsansätze ergeben, werden die Ermittlungen wieder aufgenommen.

5. Die mögliche massenhafte Erhebung von Telekommunikationsdaten der Bevölkerung in Deutschland durch britische und US-amerikanische Nachrichtendienste bleibt weiter unter Beobachtung. Die Prüfung, ob sich aus den Ergebnissen der bisherigen und der noch laufenden Abklärungen Hinweise auf eine konkret verfolgbare Straftat ergeben, ist noch nicht abgeschlossen.

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