Politik

Speerspitze gegen Russland: Ukraine kommt leichter an Geld als Griechenland

Lesezeit: 2 min
17.06.2015 01:33
Der IWF fordert von Griechenland, seinen Schuldenstand bis Ende des Jahrzehnts auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die Euroländer-Steuerzahler jedoch einen Schuldenschnitt akzeptieren. Im Fall der Ukraine ist der IWF allerdings bereit, auch nach einem Zahlungsausfall weiterhin Kredite zu liefern.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Während der IWF einerseits den Griechen nicht die geringste Luft zum Atmen gibt, ist der Fonds andererseits bereit, an die Ukraine auch nach einem Bankrott die zugesagten Kredite zu bewilligen.

IWF-Chefin Lagarde sagte nach einem Treffen mit Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk und Finanzministerin Natalie Jaresko in Washington vor einigen Tagen, dass der IWF „auch Kredite vergeben könnte, wenn die Ukraine feststellt, dass es nicht in der Lage ist, ihre Schulden zu bedienen,“ wie die Deutsche Welle auf ihrer englischsprachigen Website berichtet.

Dies gilt also für die Ukraine, deren Anleihen um 9 Prozent einbrachen, nachdem Finanzministerin Natalie Jaresko erklärte, das Land würde einen Staatsbankrott erleiden, falls die privaten Gläubiger keinen Schuldenschnitt hinnehmen würden. Der größte Gläubiger, die Investmentgesellschaft Franklin Templeton, hält ukrainische Schuldpapiere im Wert von 7,6 Milliarden Dollar und pokert mit dem IWF und der Ukraine bis zur allerletzten Minute um einen Bail-out aus ihren verzockten Investments zu erreichen. Weil Russland als zweitgrößter Gläubiger sein Veto einlegen kann, lässt Moskau die US-Investoren in der Ukraine vorerst auflaufen.

Ähnliche Zugeständnisse findet der IWF bei Weitem nicht gegenüber Griechenland. Der entscheidende Punkt liegt in der Äußerung Lagardes, man sei bereit, auch nach einem Zahlungsausfall der Ukraine weiterhin Kredite zu liefen.

Im Fall Griechenlands dagegen besteht der Fonds darauf, den Schuldenstand bis 2020 auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu senken. Um dies zu erreichen, müsse Athen einen Primärüberschuss – also Staatsausgaben vor Schuldendienst – von 4,5 Prozent des BIP vom kommenden Jahr an erreichen, wie der IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard in seinem Blog fordert. Dabei seien jedoch zwei Bedingungen erforderlich: Griechenland müsse sich zu glaubhaften Reformen verpflichten und die Euro-Staaten müssten einer „signifikanten zusätzlichen Finanzierung“ und einer „Schuldenerleichterung“ zustimmen. Kurzum: Die Steuerzahler der Eurozone müssten neues Geld bereitstellen und auf Teile der alten Kredite verzichten.

Der Unterschied liegt freilich darin, dass Griechenland einen Schuldenstand von nahezu 180 Prozent des BIP aufweist, die Ukraine dagegen 94 Prozent. Im Vergleich hierzu: Im Jahr 2013 lag die Staatsschuldenquote der Ukraine noch bei 41 Prozent.

Der Grund, weshalb der IWF eine so harte Linie gegenüber Griechenland fährt ist, dass der IWF angibt, der Fonds könne nur so lange an Bord (der Rettungsaktion) sein, bis Griechenland nicht endlich seine Zahlungsfähigkeit erreicht – was er mit den Steuerzahlern der USA begründet, da die USA mit knapp 17 Prozent an den Einlagen des IWF beteiligt sind.

In anderen Worten: was für den IWF ein großes Risiko der eigenen Haftung im Fall Griechenlands ist, bedeutet im anderen Fall nur einen kleinen Stolperstein, sobald Kiew im Spiel ist.

Als es zuletzt um Spekulationen ging, die darauf hinausliefen, die Ukraine könne sich seiner Zentralbank bedienen, um seine Gläubiger zu bezahlen, betonte Lagarde, die Reserven der Nationalbank „kann die Ukraine nicht verwenden für die Bedienung von Staatsschulden, ohne dass der Regierung neuen Schulden entstehen“, wie Zero Hedge berichtete. Dies liefe gegen das Ziel des IWF-Bail-out-Programms für das notleidende Land.


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen Boom-Segment aktive ETFs: BlackRock startet fünf neue Fonds
07.09.2024

Blackrocks ETF-Tochter iShares erweitert ihr Angebot in Europa um fünf neue aktive ETFs. Ziel der Fonds ist es, Anlegern kostengünstige...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Flexible Arbeitszeiten: Sind Vollzeitjobs ein Auslaufmodell?
07.09.2024

Eine repräsentative Befragung der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass nur noch eine Minderheit eine Stelle mit festen Arbeitszeiten...

DWN
Finanzen
Finanzen Derivate Erklärung: So funktionieren Zertifikate, CFDs und Optionsscheine
07.09.2024

Derivate wie Futures, Optionen, Zertifikate, Optionsscheine, Swaps und CFDs sind heftig umstritten. Einige sehen darin notwendige...

DWN
Technologie
Technologie Wasserstoffprojekt in Namibia könnte KZ-Gedenkstätte gefährden
07.09.2024

Deutschland unterstützt ein Großprojekt zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Lüderitz. An diesem Ort befand sich einst das erste...

DWN
Immobilien
Immobilien Tag des offenen Denkmals: 7 ungewöhnliche Monumente in Deutschland
07.09.2024

Ob Schloss Neuschwanstein oder Siegessäule: Viele Denkmäler in Deutschland sind international bekannt. Hier werfen wir einen Blick auf...

DWN
Technologie
Technologie Stromerzeugung aus Windkraft: Die Dynamik nimmt ab
07.09.2024

Im vergangenen Jahr war Windkraft erstmals die Hauptquelle der hiesigen Stromerzeugung, weit vor Kohle. Doch in diesem Jahr ist eine...

DWN
Politik
Politik Trump-Erfolg im Schweigegeld-Prozess: Urteil erst nach US-Wahl
07.09.2024

Im New Yorker Prozess wegen Schweigegeldzahlungen von Ex-Präsident Donald Trump wird das Strafmaß erst nach der Präsidentschaftswahl...

DWN
Panorama
Panorama Studie: Ungesunde Ernährung bereits bei Kleinkindern weit verbreitet
07.09.2024

Laut einer aktuellen Studie ernähren sich bereits Kleinkinder zu süß und ungesund. Wie das Max Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe, ein...