Deutschland

Kohle-Kraftwerke: Bundesregierung zahlt Strom-Betreibern Prämien für Stilllegung

Die Bundesregierung will zur Erreichung ihrer Klimaschutzziele Braunkohle-Kraftwerke vom Netz nehmen. Dafür erhalten die Stromkonzerne sogar Prämien.
02.07.2015 11:37
Lesezeit: 2 min

Die umstrittene Strafabgabe für alte Kohle-Kraftwerke von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ist endgültig vom Tisch. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer legten sich in der Nacht zu Donnerstag stattdessen darauf fest, zur Erreichung ihrer Klimaschutzziele Braunkohle-Kraftwerke vom Netz zu nehmen und in eine Reserve zu schicken. Das erfuhr die dpa aus Regierungskreisen.

Dafür erhalten die Stromkonzerne Prämien. Bis 2020 sollen dann Kraftwerksblöcke mit einer Gesamtleistung von 2,7 Gigawatt endgültig stillgelegt werden. Damit hat sich eine breite Kohlelobby aus Gewerkschaften, Industrie, Braunkohle-Ländern, Union und Teilen der SPD gegen Gabriel durchgesetzt.

Beim heftig umstrittenen Ausbau der Stromnetze habe es zwischen den drei Parteichefs eine „umfassende Verständigung“ gegeben, wie es nach dem mehr als fünfstündigen Spitzentreffen im Kanzleramt aus Regierungskreisen hieß.

Um Seehofer entgegenzukommen, sollen bei den großen neuen Nord-Süd-Stromautobahnen stärker als bisher vorgesehen bestehende Trassen genutzt werden. Auch sollen teure Erdkabel vorrangig verlegt werden, um den Widerstand von Anwohnern zu reduzieren. Konkrete Details dazu wollte Gabriel am Vormittag in Berlin vorstellen. Netzbetreiber fürchten durch mehr Erdkabel erhebliche Verzögerungen und Milliarden-Mehrkosten.

Neuigkeiten gibt es auch in Sachen Atom: Bei den langfristigen Kosten des Atomausstiegs will die Bundesregierung die Energiekonzerne in die Pflicht nehmen. Man werde sicherstellen, „dass sich die Energiekonzerne nicht ihrer Verantwortung für den Rückbau von Atomkraftwerken und für die Lagerung des Atommülls entziehen können“, heißt es.

Die Atomkonzerne haben dafür rund 36 Milliarden Euro an Rückstellungen in ihren Bilanzen stehen. Allerdings gibt es erhebliche Zweifel, ob die Konzerne, die wegen des Ökostrombooms mit ihren Kraftwerken viel weniger Geld verdienen, dauerhaft für die Atom-Altlasten geradestehen können. Die Regierung betont nun aber, es werde dafür gesorgt werden, dass sich das Haftungsvermögen nicht verkleinere.

Für mehr Energieeffizienz sollen Fördermittel für Verbraucher und Kommunen bis 2020 um bis zu 1,2 Milliarden Euro pro Jahr aufgestockt werden. Damit will die Koalition den Anteil umweltfreundlicher Anlagen, die aus Gas Strom und Wärme erzeugen (KWK), erhöhen. Auch war geplant, dass Immobilienbesitzer staatliche Anreize zum Austausch alter Heizungspumpen erhalten. Um die Finanzierung zu klären, hatte auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an der Spitzenrunde teilgenommen.

Mit ihrem Maßnahmenpaket glaubt die Koalition fest daran, ihr Klimaversprechen einzuhalten: „Deutschland wird das Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Bezugsjahr 1990 zu reduzieren, erreichen“, hieß es aus Regierungskreisen. Für Kanzlerin Merkel wäre es eine Blamage gewesen, wenn Deutschland vor dem Weltklimagipfel im Dezember in Paris die eigenen Ziele verfehlt hätte.

Greenpeace kritisierte den Verzicht auf die Kohle-Abgabe scharf. „Angela Merkel hat ihr Klimaversprechen von Elmau gebrochen“, sagte Experte Tobias Münchmeyer der dpa. Statt wie beim G7-Gipfel angekündigt den Ausstieg aus der Kohle einzuleiten, lasse die Kanzlerin alle Träume der Kraftwerksbetreiber wahr werden: „Sie müssen weniger CO2 sparen und bekommen dafür auch noch Millionen zugesteckt.“ So sieht es auch die Energie-Expertin der Linken, Eva Bulling-Schröter: „Gabriel muss sein kluges Konzept des Klimabeitrags zu Grabe tragen. Stattdessen vergoldet die Bundesregierung die Stilllegung einer Hand voll Dreckschleudern von RWE, Vattenfall und Mibra.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kursgewinne oder Verluste: Anleger hoffen auf drei entscheidende Auslöser für Börsenrally
18.07.2025

Zölle, Zinsen, Gewinne: Neue Daten zeigen, welche drei Faktoren jetzt über Kursgewinne oder Verluste entscheiden. Und warum viele...