Politik

Sanktionen: Italienische Exporte nach Russland brechen ein

Die italienische Wirtschaft meldet einen dramatischen Einbruch der Exporte nach Russland. Die Unternehmen versuchen, durch gezielte Maßnahmen wie Joint Ventures mit russischen Unternehmen, ihre Marktanteile zu halten. Für die ohnehin fragile italienische Wirtschaft ist die Entwicklung bedrohlich.
24.07.2015 01:35
Lesezeit: 2 min
Sanktionen: Italienische Exporte nach Russland brechen ein
Ernesto Ferlenghi von der Confindustria Russia. (Foto: Confindustria)

Ernesto Ferlenghi, der Präsident von der für die Russland-Beziehungen zuständigen Industriellenvereinigung Confindustria, legt im Gespräch mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten ernüchternde Zahlen auf den Tisch:

„Die Analyse der Daten der ersten vier Monate des Jahres 2015 ergibt im Vergleich zum gleichen Zeitraum von 2014 einen Rückgang von 11,9 Prozent im Handel zwischen Italien und Russland und von 29 Prozent bei den italienischen Exporten nach Russland. Wir beziehen uns dabei auf die Daten des russischen Zolls. Die italienischen Unternehmen, die seit Jahrzehnten nach Russland exportierten, verlieren ungefähr acht Millionen Euro pro Tag, weil uns die Exporte fehlen. Insgesamt sind uns über zwei Milliarden Euro aus dem Export verloren gegangen.“

Ferlenghi ist besorgt, dass es sich hier um eine langfristig gefährliche Entwicklung für die italienische Wirtschaft handelt: „Die Zahlen bestätigen leider den Trend von 2014.“

Die Ursachen sieht Ferlenghi im Zusammenwirken von ungünstigen Faktoren:

„Die kumulierte Auswirkung ergibt sich aus der Verringerung der Inlandsnachfrage in Russland. Zugleich stellen wir eine Verlangsamung des russischen BIP-Wachstums fest. Dies ist durch den Verfall des Ölpreises bedingt, der innerhalb eines Jahres auf die Hälfte gefallen ist. Schließlich ist es die Folge des Wechselkurses Rubel-Euro und der Sanktionen und Gegensanktionen.“

Trotzdem wollen die Italiener den für sie äußerst wichtigen russischen Markt nicht kampflos aufgeben. Zuletzt hatten Premier Matteo Renzi und Russlands Präsident Wladimir Putin vereinbart, Möglichkeiten zu suchen, die bilateralen Handelsbeziehungen trotz der Sanktionen zu verbessern.

Die italienische Wirtschaft versucht, durch andere Formen im russischen Markt präsent zu bleiben. Ferlenghi:

„Die italienischen Unternehmen versuchen mit der größten Energie, auf die Bemühungen der russischen Regierung, die fehlenden Importe durch lokale Produktion zu substituieren, einzugehen. Wir wollen unsere Marktanteile aus der Vergangenheit mittels einer neuen Strategie halten, und zwar mittels des Aufbaus von Joint Ventures und Verlagerung der Produktion nach Russland durch den Austausch von Know-How.“

Ferlenghi verweist darauf, dass auch die deutschen Unternehmen von den Sanktionen in dramatischer Weise betroffen sind. Am Donnerstag hatte der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft bekanntgegeben, dass die deutschen Exporte nach Russland um 30 Prozent eingebrochen sind.

Die Industrie in Italien meldet für den Monat Mai wegen der Russland-Sanktionen insgesamt einen Auftragsrückgang. Die Aufträge verringerten sich saisonbereinigt zum Vormonat um 2,5 Prozent, wie das Statistikamt (Istat) am Mittwoch mitteilte. Während aus dem Inland etwas mehr Bestellungen eingingen als im April, brachen die Aufträge aus dem Ausland ein.

Im April hatte es noch ein Auftragsplus von 5,5 Prozent gegeben. Daher erwartete der Internationale Währungsfonds (IWF), dass die Wirtschaftskraft des EU-Landes dieses Jahr um 0,7 Prozent zulegen wird. Das wäre das erste Wachstumsjahr seit 2011. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone dümpelt jedoch seit Jahren vor sich hin und hinkt der Erholung im Währungsraum hinterher.

Mit den neuen Zahlen dürfte auch die Hoffnung schwinden, dass die italienische Wirtschaft die Rezession hinter sich lassen könnte.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Panorama
Panorama Umwelt? Mir doch egal: Klimaschutz verliert an Bedeutung
13.05.2025

Klimaschutz galt lange als gesellschaftlicher Konsens – doch das Umweltbewusstsein in Deutschland bröckelt. Eine neue Studie zeigt, dass...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohntraum wird Luxus: Preise schießen in Städten durch die Decke
13.05.2025

Die Preise für Häuser und Wohnungen in Deutschland ziehen wieder deutlich an – vor allem in den größten Städten. Im ersten Quartal...

DWN
Finanzen
Finanzen Wird die Grundsteuer erhöht? Zu viele Ausgaben, zu wenig Einnahmen: Deutsche Kommunen vorm finanziellen Kollaps
13.05.2025

Marode Straßen, Bäder und Schulen: Fast neun von zehn Städten und Gemeinden in Deutschland droht in absehbarer Zeit die Pleite. Bereits...

DWN
Politik
Politik EU im Abseits: Trump bevorzugt London und Peking – Brüssel droht der strategische Bedeutungsverlust
12.05.2025

Während Washington und London Handelsabkommen schließen und die USA gegenüber China überraschend Konzessionen zeigen, steht die EU ohne...

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona nie wieder gesund? Die stille Epidemie der Erschöpfung
12.05.2025

Seit der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der ME/CFS-Betroffenen in Deutschland nahezu verdoppelt. Rund 600.000 Menschen leiden inzwischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtkampf der Tech-Eliten: Bill Gates attackiert Elon Musk – „Er tötet die ärmsten Kinder der Welt“
12.05.2025

Ein milliardenschwerer Konflikt zwischen zwei Symbolfiguren des globalen Technologiekapitalismus tritt offen zutage. Der frühere...

DWN
Politik
Politik Pflege am Limit? Ministerin fordert Reform für mehr Eigenverantwortung
12.05.2025

Pflegekräfte sollen mehr dürfen und besser arbeiten können – das fordert Gesundheitsministerin Nina Warken zum Tag der Pflegenden....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden ungenutzt: Irischer Top-Investor fordert Einsatz von Pensionsgeldern zur Stärkung europäischer Technologie
12.05.2025

Die europäische Technologiebranche droht im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten. Der Grund: Staatlich geförderte...