Der Generalbundesanwalt wirft Bloggern des Blogs Netzpolitik.org Landesverrat vor und ermittelt. Darüber informierte die oberste Ermittlungsbehörde die Blogger in einem Brief, den Netzpolitik.org am Donnerstag veröffentlichte. Es geht um die Veröffentlichung von Informationen und Dokumenten des Bundesamts für Verfassungsschutz. «Wir lassen uns nicht einschüchtern», schrieben die Blogger. Der Generalbundesanwalt hatte die Blogger über die Anzeige in einem Brief informiert, den Netzpolitik.org veröffentlichte. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sprach von einem Angriff auf die Pressefreiheit.
Die Bundesregierung wolle mit den Anzeigen wegen Landesverrats die Wahrheit über die deutsche Verstrickung in den NSA-Skandal unterdrücken, sagte der Gründer von Netzpolitik.org, Markus Beckedahl der ARD. Es werde zunehmend klar, dass die Bundesregierung «knietief im Sumpf von NSA und Co» stecke.
«Wir haben jetzt den Verdacht, dass sie durch solche Strafanzeigen (wegen Landesverrats) scharf schießen gegen diejenigen, die dazu beitragen wollen, diesen größten Überwachungsskandal in der Geschichte der Menschheit mit aufdecken zu wollen», sagte Beckedahl. Netzpolitik.org werde seine Arbeit fortsetzen und begrüße «weitere Dokumente, die beweisen, wie unsere Geheimdienste, (...) ohne dass wir als Gesellschaft darüber diskutiert haben, das Internet zu einer globalen Totalüberwachungsmaschinerie (...) umgebaut» hätten.
Netzpolitik.org hatte in zwei Artikeln Pläne des Verfassungsschutzes zum Ausbau der Internet-Überwachung beschrieben. Dazu veröffentlichte der Blog Auszüge von Dokumenten des Inlandsgeheimdienstes. Der Verfassungsschutz selbst habe Anzeige erstattet, heißt es im Schreiben des Generalbundesanwalts. Die Bundesanwaltschaft war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Dem Schreiben zufolge wird gegen Beckedahl und gegen Autor André Meister ermittelt.
Netzpolitik.org berichtet unter anderem in Echtzeit aus dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Der Blog ist eine wichtige Quelle zur Aufklärung des NSA-Skandals geworden.
Der Generalbundesanwalt hat dagegen gewisse Schwierigkeiten, überhaupt den Namen der NSA richtig auszusprechen: Bei einer Pressekonferenz nannte die dem Justizministerium unterstellte Behörde die NSA einmal NASA und einmal SNA genannt (Videos am Anfang des Artikels). Der Generalbundesanwalt, die Bundesanwälte, die Oberstaatsanwälte und Staatsanwälte beim Bundesgerichtshof sind auf Lebenszeit berufene Beamte.
Der DJV verurteilte die Ermittlungen scharf. Das Vorgehen sei ein «unzulässiger Versuch, zwei kritische Kollegen mundtot zu machen», sagte der Bundesvorsitzende Michael Konken. Er forderte den Generalbundesanwalt auf, die Ermittlungen einzustellen.
Tatsächlich ist der Eingriff eine schwere Verletzung der Pressefreiheit und zeigt, dass die Bundesregierung wegen der Spionage-Affäre äußerst nervös ist. Alle bisherigen offiziellen Ermittlungen sind im Sand verlaufen. Allerdings sagte der Generalbundesanwalt vor einigen Wochen, dass man weiter dem Verdacht der Massenüberwachung durch die NASA NSA nachgehe.