Finanzen

Aus der Geschichte nichts gelernt: Wirtschaftsprüfer sind unregulierbar

Lesezeit: 2 min
30.08.2015 00:01
Nur vier Wirtschaftsprüfer weltweit haben die Kapazitäten auch die großen, internationalen Unternehmen zu prüfen. Experten sprechen von einem „faustischen Pakt“: Sollte einer der vier Anbieter vom Markt verschwinden, würde die Qualität drastisch sinken. Wie schon bei den Banken ist die Macht der Wirtschaftsprüfer mittlerweile zu groß, um reguliert zu werden.
Aus der Geschichte nichts gelernt: Wirtschaftsprüfer sind unregulierbar

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die vier großen Wirtschaftsprüfungs-Unternehmen nehmen immer öfter die Beratung und die Prüfung von Kunden gleichzeitig vor: Die Gefahr wächst, dass die Prüfungs-Qualität durch so entstehende Interessenkonflikte leidet. PwC, Deloitte, EY und KPMG haben sich von reinen Wirtschaftsprüfern zu Dienstleistern entwickelt, deren Hauptfokus nicht mehr auf der Prüfung, sondern auf der Beratung von Unternehmen in allen Bereichen liegt, so ein Bericht der FT.

Wenn die Prüfer jedoch von Rechtsberatung über Insolvenzbegleitung und Kapitalmarkt- und Cybersicherheitsberatung einfach alles anbieten, werden Interessenkonflikte unvermeidbar: Wer eine Firma trickreich bei der Unternehmensführung und bei der Erstellung der Bilanzen berät, der kann nicht gleichzeitig deren Bilanzen unabhängig prüfen. Noch komplexer wird der Interessenkonflikt, wenn die gleiche Firma, die als Berater eine Insolvenz abwenden soll, von einer eben solchen Insolvenz profitieren könnte.

Wegen zahlreicher so entstandener Konflikte dürfen Prüfunternehmen in den USA seit 2002 eigentlich keine Beratungsdienste mehr für ihre Prüfkunden anbieten. Drei von vier Prüfunternehmen verlagerten daraufhin ihre Beratungs-Segmente in eigene Firmen und regelten mit diesen vertraglich, sich gegenseitig nicht in die Quere zu kommen. Als diese Verträge jedoch ausliefen, bauten die Prüf-firmen ihre Beratungstätigkeiten durch Zukäufe wieder auf, allein nannten sie es nicht mehr „Consulting“ sondern „Advisory Work“.  „Die großen vier machen beim Consulting die große Runde. Sie hatten es, sie haben es abgeschafft, und jetzt bauen sie es wieder auf“, so Fiona Czerniawska von der Forschungseinrichtung Source Information Service gegenüber der FT.

In den Jahren 2011 bis 2013 übernahmen die großen Vier Wirtschaftsprüfer 66 Beratungsfirmen, somit macht das Consulting weltweit wieder 60 Prozent ihrer gesamten Umsätze aus und sie sind mittlerweile dabei, beim Wachstum die traditionellen Beraterfirmen zu überholen.

Experten sehen durch den Beratungschwerpunkt die Wirtschafts-Prüfung als wichtige Kontroll-Funktion für die Kapitalmärkte in Gefahr. „Wirtschaftsprüfung ist eine lebenswichtige öffentlichen Dienstleistung, aber sie ist nicht mehr das Kerngeschäft der Prüfungsfirmen", so Stella Fearnley, von der Bournemouth University in Großbritannien. „Sie haben sich zu Beratern entwickelt, mit dem Ziel, Geld zu verdienen. Das ist sehr gefährlich.“

2011 versuchte der damalige EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier strenge Reformen durchzusetzen und die Unternehmen zu zwingen, ihre  Prüfungs- und Beratungssegmente strikt zu trennen. Die Reform wurde durch intensive Lobbyarbeit der Konzerne jedoch verhindert. Stattdessen wurde ein Rotationssystem eingeführt, das Unternehmen verpflichtet, die Prüfung alle zehn Jahre neu auszuschreiben und alle 20 Jahre zu wechseln. Zudem wurde festgelegt, dass mindestens 30 Prozent ihrer Gebühreneinnahmen auch aus Prüfungsleistungen stammen müssen, bestimmte Beratungsdienste wurden ihnen zudem verboten.

Das führte allerdings nur zu einem Karussell-Verfahren und die ständigen Wechsel der Anbieter haben das Problem der Interessenkonflikte nur verschärft, da die Wirtschaftsprüfer sich bei jedem Wechsel neu zwischen Prüfungsarbeit oder lukrativerer Beratungsarbeit entscheiden mussten.

Die Herausforderung für die Regulierungsbehörden wird verstärkt durch die Tatsache, dass es nur vier großen Prüfungsgesellschaften gibt, die überhaupt in der Lage sind multinationale Unternehmen prüfen zu können. Die Industrie kann es sich nicht leisten, eine der Firmen wegen Regulierungsdruck oder Wettbewerbsdruck zu verlieren.

Sproul von Deloitte Consulting sagt dazu: „Es wäre für den Markt ein enormer Nachteil, wenn es nur noch drei Prüfungsunternehmen gäbe.“ Es sei daher wichtig, sicherzustellen, dass die Wirtschafts-Prüfung für die Unternehmen attraktiv bleibt. Steigender Preisdruck, zu hoher Regulierungsdruck oder ein erhöhtes Risiko für Rechtsstreitigkeiten bergen die Gefahr, das Geschäft gänzlich unattraktiv zu machen. Ein langjähriger ehemaliger Partner bei einem der vier großen Unternehmen sagt: „Es ist eine faustische Beziehung. Wenn wir einen der „Großen Vier“ verlieren stünden wir vor noch viel größeren Problemen“.

Alle diese Bedenken hinsichtlich Prüfungsqualität und Unabhängigkeit werden von der schieren und steigenden Größe der Prüfungsunternehmen verschärft. Fearnley dazu: „Gemeinsam mit den Banken sind auch die Wirtschaftsprüfer „too big to fail“ und zudem zu groß, um intern verwaltet zu werden und zu groß, um reguliert zu werden.“ Das Oligopol der großen Vier sei demnach wie ein Unfall, der darauf wartet, zu passieren.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Politik
Politik Bericht: Habeck-Mitarbeiter sollen Kritik am Atom-Aus missachtet haben
25.04.2024

Wichtige Mitarbeiter von Bundesministern Habeck und Lemke sollen laut einem Bericht interne Zweifel am fristgerechten Atomausstieg...

DWN
Finanzen
Finanzen Feiertagszuschlag: Was Unternehmer an den Mai-Feiertagen beachten sollten
25.04.2024

Feiertagszuschläge sind ein bedeutendes Thema für Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen. Wir werfen einen genauen Blick auf die...

DWN
Finanzen
Finanzen Teurer Anlegerfehler: Wie der Blick in den Rückspiegel fehlgeht
25.04.2024

Anleger orientieren sich an den Renditen der vergangenen drei bis zehn Jahre, um Aktien oder Fonds auszuwählen. Doch laut Finanzexperten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikation im Wandel – Was es für Unternehmen in Zukunft bedeutet
25.04.2024

In einer Ära schneller Veränderungen wird die Analyse von Trends in der Unternehmenskommunikation immer entscheidender. Die Akademische...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - es fällt schwer, in deutschen Großstädten beim Angebot der Essenskuriere den Überblick zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Familienunternehmer in Sorge: Land verliert an Wettbewerbsfähigkeit
25.04.2024

In einer Umfrage kritisieren zahlreiche Familienunternehmer die Politik aufgrund von übermäßiger Bürokratie und Regulierung. Besonders...