Politik

Deutsche Banken verärgert über alarmistische Töne aus der Bafin

Die kleinen und regionalen Banken sind offenkundig verärgert über ein von der Bafin veröffentlichtes, sehr pessimistisches Bild. Die Banken könnten trotz der extremen Zins-Politik der EZB ordentlich wirtschaften. Die Banken fordern statt alarmistischer Töne die Rückkehr der EZB zu einer zivilisierten Zins-Politik.
18.09.2015 23:40
Lesezeit: 2 min

Die allermeisten kleinen und mittelgroßen Banken in Deutschland kommen trotz massiver Gewinneinbußen auch in den nächsten Jahren mit niedrigen Zinsen zurecht. "Die Ertragslage der Banken ist sehr ernst", sagte der für Bankenaufsicht zuständige BaFin-Direktor Raimund Röseler am Freitag bei der Vorstellung der Ergebnisse eines Stresstests in Frankfurt. Die Institute selbst gehen bis 2019 im Schnitt von einem Gewinnrückgang um 25 Prozent vor Steuern aus. Wenn die Zinsen so niedrig bleiben oder weiter abrutschen, müssen sie sich nach Berechnungen ihrer Aufseher sogar auf einen Einbruch um 50 bis 75 Prozent einstellen. "Aber die meisten Banken haben inzwischen genügend Speck angelegt, um die Niedrigzinsphase überstehen zu können", sagte Röseler.

Bundesbank und BaFin hatten 1500 Sparkassen, Genossenschafts- und Privatbanken unter die Lupe genommen, die nicht direkt von der Europäischen Zentralbank (EZB) überwacht werden. Gerade diese kleineren Institute seien als Kreditgeber das "Rückgrat des deutschen Mittelstandes". Sie stehen für rund ein Viertel des Bankenmarktes. Im vergangenen Jahr hatten sie zusammen zehn Milliarden Euro verdient. Die 21 Großbanken, die unter der EZB-Aufsicht stehen, könnten niedrige Zinsen besser abpuffern, sagte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret.

Die anfälligsten unter den kleinen Instituten will die BaFin künftig genauer überwachen, wie Röseler ankündigte. 40 von ihnen drohten spätestens im Jahr 2019 Verluste, wenn die Leitzinsen bis dahin nicht wieder steigen. "Es gibt deutsche Banken, deren Geschäftsmodell schon heute in Frage steht", sagte Dombret. Im "Worst-Case-Szenario", einem weiteren Zinsrückgang, bei dem die Banken nicht gegensteuerten, würde sogar jede fünften der 1500 Banken Verluste schreiben. Dennoch erfüllten die meisten auch in diesem unwahrscheinlichen Fall die Kapitalanforderungen noch. "Mit dem Ausfall eines Instituts ist nicht zu rechnen", sagte Dombret. Gerade Volksbanken und Sparkassen hätten ausreichend stille Reserven und Kapitalpuffer, um die Verluste aufzufangen.

ABKEHR VON GRATIS-GIROKONTEN?

Dombret und Röseler appellierten dennoch an die Banken, sich weniger von Zinsen abhängig zu machen. Gratis-Girokonten könnten bald der Vergangenheit angehören. "Es geht um die Durchsetzung kosten- und risikogerechter Preise", sagte der BaFin-Direktor. Mehr als die Hälfte der befragten Banken hätten die Provisionen wegen der niedrigen Zinsen schon erhöht. Auch die Kosten könnten noch weiter gedrückt werden. Eine große Fusionswelle erwarte er nicht, sagte Röseler. Eher würden Banken weiter schrumpfen oder das Geschäft aufgeben.

Die Banken selbst zogen eine positive Bilanz: Die Ergebnisse des Stresstests zeigten, dass die Institute stabil und auch im Dauerstress durch die niedrigen Zinsen widerstandsfähig seien, erklärte die Deutsche Kreditwirtschaft. Die Sorgen der Aufseher seien unbegründet. Die EZB müsse ihre expansive Geldpolitik aber sachte zurückfahren. Denn auch bei einer abrupten Zinserhöhung drohen den Banken nach dem Stresstest Gewinneinbußen von zehn Prozent.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...

DWN
Politik
Politik Gasförderung Borkum: Kabinett billigt Abkommen mit den Niederlanden
02.07.2025

Die Bundesregierung will mehr Gas vor Borkum fördern und stößt damit auf heftigen Widerstand von Umweltschützern. Das Vorhaben soll...

DWN
Immobilien
Immobilien Klimaanlage einbauen: Was Sie vor dem Kauf wissen müssen
02.07.2025

Die Sommer werden heißer – und die Nachfrage nach Klimaanlagen steigt. Doch der Einbau ist komplizierter, als viele denken. Wer nicht in...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerke: 220.000 neue Anlagen binnen sechs Monaten
02.07.2025

Mehr als 220.000 neue Balkonkraftwerke sind in Deutschland binnen sechs Monaten ans Netz gegangen. Während Niedersachsen glänzt, fallen...