Angela Merkels wiederholte und uneingeschränkte Einladung an alle Flüchtlinge, nach Deutschland zu kommen, wurde nicht von einem Konzept flankiert, wie der Rechtsstaat auf eine solche Politik vorzubereiten sei. Im Gegenteil: Angela Merkels „Wir schaffen das“ bedeutet in Wahrheit „Ihr müsst das schaffen!“ und bezieht sich auf die ehrenamtlichen und freiwilligen Helfer, die Unfassbares leisten, sich aber von der deutschen und der EU-Politik durchweg im Stich gelassen fühlen. Außerdem ist Merkels Aufforderung, es zu schaffen, an die Bevölkerung gerichtet und bedeutet: Ihr habt meine Politik zu schlucken, ohne Wenn und Aber.
Die staatlichen und supranationalen Strukturen werden der Lächerlichkeit preisgegeben. Andere tun so, als ginge sie der Zerfall der EU nichts an: Die Nato verpulfert Hunderte Millionen an Steuergeldern bei einem Manöver, während wenige Kilometer weiter östlich hunderte Flüchtlinge ertrinken. Die Nato schweigt, dass die Küstenwache des Nato-Mitglieds Türkei offenbar bewusst Flüchtlingsboote unter Beschuss nimmt, um noch mehr Schutzgeld von den Schleppern zu erpressen. Die EU lässt sich von der Türkei erpressen: Statt die Transformation der Türkei in einen Polizeistaat wenigstens anzuprangern, rutschen Merkel und die EU-Ratlosen auf Knien nach Ankara, und bitten den Sultan, er möge sie von den Flüchtlingen erlösen (die ihnen, so Merkel, der Herrgott auf den Tisch gelegt hat).
Zugleich höhlt die Willkür-Politik von Angela Merkel die staatlichen Strukturen in Deutschland und Österreich aus: Die am meisten belasteten und am wenigsten zu beneidenden Minister, die Innenminister, sind in beiden Ländern von Partei-Soldaten unter Beschuss geraten, die nicht die geringste Verantwortung zu tragen haben. Wie überhaupt zu beobachten ist, dass die Parteien den Staat, der per Verfassung nicht mit ihnen identisch ist, nach Belieben kapern, und diese Grenzüberschreitung in der Regel mit moralischen Gründen zu rechtfertigen versuchen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einem aktuellen Spruch veranlasst gesehen, dazwischen zu grätschen.
In Deutschland ist der SPD-Politiker Ralf Stegner bereits mächtiger als Bundesinnenminister Thomas de Maizière: Er teilte am Samstag im staatlichen Deutschlandfunk mit, dass de Maizières Weisung an die Beamten, Syrern restriktiver Asyl zu erteilen, „vom Tisch“ sei. Prompt musste der Innenminister seine Anordnung widerrufen. Er war bereits vor einigen Wochen von Bundeskanzlerin Angela Merkel entmachtet worden, nachdem er die teilweise unhaltbaren Zuständen in den Flüchtlingslagern kritisiert hatte. Tatsächlich sind die Zustände seither nicht besser geworden. Der Versuch der Koalition, Menschen ohne Aussicht auf Zukunft in Deutschland in Internierungslagern festzuhalten, wird die Sicherheitsprobleme noch einmal verschärfen.
In Österreich wird die Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von der SPÖ gemobbt, weil sie es gewagt hatte, das Wort „Zaun“ in den Mund zu nehmen. Sie sagte im ORF am Freitag, dass sie auf einem Zaun bestehe, weil der ungeordnete Andrang von tausenden Flüchtlingen an einer nicht gesicherten Grenze zu Panik unter den Flüchtlingen führen könnte und ein nachfolgendes Chaos für die Frauen und Kinder, die unter den Flüchtlingen sind, zur tödlichen Falle werden könnte.
Beide Innenminister sehen sich mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Ihnen unterstehen allerdings die Polizei, die Sicherheitsorgane, die Aufklärung und alle Einrichtungen, die für die Gewährleistung der inneren Sicherheit verantwortlich sind. Diese Minister und die ihnen unterstellten Beamten haben die Chaos-Politik auszubaden, die ihnen eine völlig plan- und orientierungslose Bundeskanzlerin aufgebürdet hat – eine Politik, deren Kurs sich außerdem im Tagesverlauf immer wieder um 180 Grad dreht.
Angela Merkel ist dafür bekannt, dass sie alte Weggefährten eiskalt fallenlässt. Es ist gut denkbar, dass Thomas de Maizière der nächste auf der Liste ist. Über einen Vorgeschmack dessen, was dann kommt, hat der SPD-Mann Stegner einen Vorgeschmack in der ARD gegeben: In der Talkshow Maischberger sagte er, die Verfassung und die Gesetze kümmerten ihn nicht, wenn es um eine konkrete Notsituation geht. Solcherlei Populismus ist für Politiker unzulässig: Ihre einzige Aufgabe besteht darin, Gesetze zu beschließen und einzuhalten. Wenn aufgrund einer Notlage die Gesetze geändert werden müssen, ist das immer möglich. Doch nichts dergleichen ist bisher geschehen – außer einer bürokratischen Runderneuerung des Asylrechts. Zu der akuten Notlage an den innereuropäischen Grenzen gibt es keine verbindlichen Regeln, obwohl die EU, die in der Koalition regierende SPD und Angela Merkel nun drei Monate Zeit gehabt hätten, etwas zu unternehmen. Wenn Politiker jedoch öffentlich postulieren, dass es in ihrem moralischen Ermessen liege, ob sie Gesetze einhalten wollen oder nicht, dann ist das der erste Schritt zur Zerstörung des Rechtsstaats. Die logische Folge der Willkür von Angela Merkel ist die Rückkehr des Polizeistaats auf deutschem Boden. Back to the roots, Angie?