Wegen Flüchtlingszahlen in Rekordhöhe vollzieht das traditionell liberale Schweden eine Kehrtwende und führt Grenzkontrollen wieder ein. Die Maßnahme gelte von Donnerstag an zunächst für zehn Tage, erklärte Innenminister Anders Ygeman am Mittwoch auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Die Kontrollen können demnach um je 20 Tage verlängert werden. Betroffen sei vor allem die Öresundbrücke, die die dänische Hauptstadt Kopenhagen mit dem schwedischen Malmö verbindet, sowie die Fährhäfen in der Region.
Der sozialdemokratische Minister forderte zugleich eine faire Lastenverteilung. „Unser Signal an die restliche EU ist glasklar: Schweden ist das Land, das in der Flüchtlingskrise die größte Verantwortung übernommen hat.“ Der Staat zählt neben Deutschland zu den am meisten betroffenen EU-Mitgliedern und hat im Vergleich zur Bevölkerungszahl so viele Asylbewerber wie kein anderes Land aufgenommen. In diesem Jahr erwartet die Regierung 190.000 Neuankömmlinge – doppelt so viele wie die bisherige Rekordzahl, die in den 90er Jahren erreicht wurde. Das Land hat knapp zehn Millionen Einwohner.
Wegen der Flüchtlinge gibt es in Schweden, das für seine liberale Asylpolitik bekannt ist, zunehmend Unruhe. Die Regierung warnte in der vergangenen Woche, dass sie Neuankömmlingen keine Unterkunft mehr garantieren könne. Die Einwanderungsbehörde plant die Unterbringung von Flüchtlingen in beheizten Zelten. Manche könnten auch in Wintersportorten oder einem Freizeitpark unterkommen.
Flüchtlinge aus Richtung Südosteuropa erreichen Schweden auch über Deutschland. So verbinden Fähren Rostock, Rügen oder Travemünde mit Trelleborg sowie Kiel mit Göteborg. Eigentlich sind Grenzkontrollen in den meisten EU-Ländern im Rahmen des Schengen-Abkommens abgeschafft worden. Allerdings hat sie Deutschland wegen der Flüchtlingskrise zumindest an der österreichisch-bayerischen Grenze wiedereingeführt. In Skandinavien hat das kontrollfreie Reisen eine längere Tradition: Die Staaten verständigten sich darauf bereits in den 50er Jahren.