Politik

EU-Präsident Schulz spricht von Staatsstreich in Polen

Die polnische Regierung ist über eine Aussage von EU-Präsident Martin Schulz aufgebracht: Dieser hatte gesagt, was sich in Polen abspiele, habe Staatsstreich-Charakter. Andere EU-Vertreter versuchten die Polen zu beruhigen und sagten, niemand habe die Absicht, sich in die Innenpolitik eines Landes einzumischen.
15.12.2015 01:31
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Mit Empörung hat die polnische Regierung auf Kritik von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) an ihrem Umgang mit rechtsstaatlichen Prinzipien reagiert. Ministerpräsidentin Beata Szydlo verlangte am Montag eine „Entschuldigung“ von Schulz für seine Äußerung, was sich in Polen abspiele, habe „Staatsstreich-Charakter“. Aber auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte namens der EU-Ratspräsidentschaft, die Unabhängigkeit von Justiz und Medien in Polen sei bedroht.

Schulz sagte im Deutschlandfunk, wenn „Rechtspopulisten“ das Argument in die Hand bekämen, äußere Kräfte der Einmischung in die Innenpolitik ihres Landes zu bezichtigen, erhielten sie „größten Zulauf“. Was sich derzeit in Polen abspielt, habe Staatsstreich-Charakter und sei „dramatisch“. Er nehme an, dass darüber im Europaparlament spätestens im Januar „umfassend“ diskutiert werde.

In Polen waren am Wochenende zehntausende Menschen gegen den Kurs der rechtskonservativen Regierung auf die Straße gegangen. Sie protestierten gegen eine „Schleifung der Demokratie“ durch die neue Regierung. Die Kritiker prangern unter anderem die Einsetzung von der Regierung genehmen Verfassungsrichtern an.

Ministerpräsidentin Szydlo von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sagte vor Journalisten in Warschau, Äußerungen wie die von Schulz seien „inakzeptabel“, sie seien „absolut unberechtigt“ und würden „von der politischen Weltmeinung nicht akzeptiert“. Die PiS regiere auf der Grundlage des „Vertrauens der Bürger“, das in den jüngsten Wahlen zum Ausdruck gekommen sei. Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski sagte in Brüssel, Schulz' Äußerungen seien „unbegründet, ungerecht und skandalös“.

Wir dürfen nicht davor zurückscheuen, mit dem Finger auf diejenigen Länder zu zeigen, in denen Grundrechte und Verfassung mit Füßen getreten werden“, sagte dagegen Asselborn zu Spiegel Online. Wenn ein Land gegen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verstoße, müsse dies künftig im Ministerrat diskutiert werden. Offensichtlich nehme sich die neue Regierung in Warschau ein Vorbild am ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Der Rechtspopulist Orban war wegen seine Vorgehens gegen Justiz und Medien häufig scharf kritisiert worden.

Asselborn versicherte, dass die Entscheidung der polnischen Wähler selbstverständlich akzeptiert werde. „Aber wenn europäische Grundrechte ausgehebelt werden, ist das keine Einmischung in innere Angelegenheiten eines Mitgliedslands, dann muss das unser aller Sorge sein.“

Das Verfassungsgericht hatte am Mittwoch entschieden, dass ein neues Gesetz zur Ernennung von fünf Verfassungsrichtern teilweise gegen die Verfassung verstößt. Das Gesetz war von der neuen rechten Regierungsmehrheit verabschiedet worden. Präsident Andrzej Duda hatte die fünf Verfassungsrichter, deren Ernennung nun für unrechtmäßig erklärt wurde, allerdings schon vereidigt.

Die Regierung in Warschau hatte kurz nach ihrer Amtsübernahme die Chefs von vier der fünf Geheimdienste entlassen. Der fünfte, der Leiter des Anti-Korruptions-Büros CBA, trat wenige Tage später freiwillig zurück. Duda begnadigte den zu drei Jahren Haft verurteilten einstigen CBA-Chef Mariusz Kaminski – den die neue Regierung umgehend zum neuen Geheimdienstkoordinator ernannte.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Rüstungsskandal bei der Nato: Verdacht auf Bestechung und Geldwäsche – Behörden ermitteln gegen Nato-Mitarbeiter
15.05.2025

Über die Nato-Beschaffungsagentur NSPA werden Waffensysteme und Munition im Milliardenwert eingekauft. Nun gibt es den Verdacht, auf...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Gespräche in Istanbul: Nach neuem Sanktionspaket der EU - Putin kommt nicht
15.05.2025

Russlands Präsident Putin bleibt selbst den Friedensgesprächen in Istanbul fern. Was steckt hinter Putins demonstrativem Fernbleiben? Ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Bargeldlos um jeden Preis: Ist Schweden Vorbild oder Extremfall?
15.05.2025

Schweden hat sich in den vergangenen Jahren zu einem nahezu bargeldlosen Land entwickelt. Seit 2007 hat sich der Bargeldbezug im Land...

DWN
Finanzen
Finanzen Unser neues Magazin ist da: Alternative Investments – unverzichtbar, chancenreich und doch kein Allheilmittel
15.05.2025

Die Weltwirtschaft befindet sich im Umbruch: Globale Krisen, politische Polarisierung, Inflationsdruck und regulatorische Verwerfungen...

DWN
Politik
Politik Europa will Verteidigungspakt – aber Frankreich kämpft um Fische
15.05.2025

Am 19. Mai treffen sich erstmals seit dem Brexit die Spitzen der EU und Großbritanniens zu einem hochrangigen Gipfel in London. Ziel ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Daimler Truck-Aktie trotz Prognosesenkung an DAX-Spitze: Lkw-Bauer wehrt sich erfolgreich gegen US-Zölle
14.05.2025

Die Daimler Truck-Aktie trotzt schlechten Nachrichten, überrascht Anleger – doch bleibt der Aufwärtstrend stabil? Zwischen US-Zöllen,...

DWN
Politik
Politik Trumps Arznei-Schock: USA wollen Europas Medikamentenpreise diktieren
14.05.2025

US-Präsident Donald Trump kündigt einen Preissturz bei Arzneimitteln um bis zu 90 Prozent an – doch der Widerstand wächst, auch aus...

DWN
Politik
Politik Regierungserklärung: Merz ruft zum gemeinsamen Aufbruch auf – "Der Staat, das sind wir alle"
14.05.2025

Die erste Merz-Regierungserklärung verspricht klare Antworten auf große Herausforderungen. Doch wie viel Wandel steckt wirklich hinter...