Politik

USA wollen EU zu neuen Russland-Sanktionen zwingen

Die Bemühungen einiger EU-Länder, die Sanktionen gegen Russland zu beenden, dürften scheitern: Die US-Regierung besteht auf der Verlängerung. Der polnische EU-Präsident Tusk ist auf der Seite der Amerikaner und kann die Entscheidung der EU entsprechend steuern.
16.12.2015 14:16
Lesezeit: 3 min
USA wollen EU zu neuen Russland-Sanktionen zwingen
Das neue Buch von Michael Maier. (Foto: FBV)

Die US-Regierung verlangt von der EU die Verlängerung der Sanktionen gegen Russland. Auch wenn US-Präsident Barack Obama versucht, zum Ende seiner Amtszeit die Beziehungen zu Russland zu normalisieren: Er kann sich im Fall der Sanktionen nicht gegen die Nato-Interessen, die Geheimdienste und die Neocons durchsetzen. Stellvertretend für diese Gruppen formuliert der private Geheimdienst Stratfor die Forderungen:

„Die USA bestehen darauf, dass Russland die Vereinbarung von Minsk vollständig umsetzt und eine vollständige Rückkehr zur Grenze zwischen Russland und den Separatisten-Gebieten der Ukraine einleitet, um diese Gebiete der Kontrolle durch die Ukraine zu überlassen. Erst dann werden die Sanktionen gegen Russland gelockert oder aufgehoben. Russland hat seinerseits versucht, von der Ukraine politische Zugeständnisse zu erringen. Doch Washington hat Kiews Position, wonach die Umsetzung der Sicherheitskomponenten von Minsk die Voraussetzung für Fortschritte bei den politischen Komponenten darstellen, unterstützt.

Dabei weiß Washington nur zu genau, dass die Ukraine ihre eigenen wesentlichen Einschränkungen bei der Umsetzung der Sicherheitskomponenten hat. Russlands umfassende Strategie, den Konflikt im Osten des Landes zu nutzen, um die Regierung in Kiew zu untergraben und ihre Orientierung gen Westen umzukehren, steht in einem fundamentalen Widerspruch zu den US-Interessen in der Ukraine. Diese Tatsache macht einen Dialog zwischen beiden Staaten über die Ukraine äußerst schwierig – egal in welcher Hinsicht.“

Obamas Spielraum ist minimal, weil er die „Falken“ schon im Falle Syriens vor den Kopf gestoßen hat und gegen ihren Willen versucht, einen Waffenstillstand gemeinsam mit den Russen zu erreichen. Doch die Regierung in Washington verliert mit jedem Tag an Kraft, weil sich ihre Amtszeit dem Ende zuneigt und die mächtigen Player aus Rüstungs-, Energie- und Technologie-Lobby bereits längst sondieren, wer künftig in Washington nach ihren Pfeifen tanzen wird die Regierungsgeschäfte führen wird. Außerdem verfolgt US-Vizepräsident Joe Biden handfeste persönliche Wirtschaftsinteressen in der Ukraine, weshalb er eine Stärkung der russischen Position auf jeden Fall verhindern will.

Vor allem die Nato besteht auf einer harten Linie – und hat hier in weiser Voraussicht einen Keil in die EU getrieben: Der EUObserver berichtet, dass Litauen und Polen kategorisch gegen eine Aufhebung der Sanktionen sind, weil sie Russland als militärische Bedrohung sehen. Die beiden Außenminister Witold Waszczykowski und Linas Linkevicius haben am 11. Dezember einen geharnischten Brief an die EU-Kommissare Cecilia Malmström und Außenbeauftragte Federica Mogherini geschrieben. Der Inhalt des Briefs deckt sich mit der Stratfor-Analyse. In dem Schreiben wird EU-Präsident Juncker kritisiert, weil er sich für eine Entspannung mit Russland eingesetzt habe.

Die Hardliner in Washington können bei ihrer Strategie auf einen engen Verbündeten setzen: EU-Präsident Donald Tusk ist ein Gegner Russlands und kann das Ansinnen seines Heimatlandes sehr praktisch unterstützen: Er hat das Thema „Sanktionen“ beim Gipfel in ein derart enges Programm gepresst, dass mehr als eine kursorische Debatte nicht möglich ist. Das Wall Street Journal vermutet dahinter eine Taktik des polnischen US-Verbündeten. Daher werden die EU-Vertreter die Verlängerung nach einer Scheindebatte abnicken. Einen Tag vor den politisch immer langen Weihnachtsferien ist es äußert unwahrscheinlich, dass sich ein Staat zu einem Veto ermannen könnte.

Wer in der EU wirklich das Sagen hat, zeigt ein Ausspruch des italienischen Außenminister Paolo Gentiloni. Er sagte in Brüssel laut EUObserver: „Vor einem Jahr wäre ich mit Italien allein dagestanden mit meiner Einstellung, dass wir lieber einen Dialog mit Russland führen sollten als eine Mauer zu errichten. Doch das ist heute die allgemeine Ansicht von allen Mitgliedsstaaten.“ Die italienische Wirtschaft hatte erst am Dienstag massiv den sofortigen Stopp der Sanktionen gefordert.

Mithin kann festgehalten werden: Selbst wenn die EU-Staaten einstimmig der Meinung sind, etwas zu ändern, können sie diese Politik nicht umsetzen.

***

In seinem neuen Buch erklärt DWN-Herausgeber Michael Maier wie sehr Deutschland und Europa bereits in den Strudel moderner Kriege geraten sind. Die Sanktionen sind Teil eines von den USA geführten Finanzkrieges gegen Russland. Die Amerikaner haben leichtes Spiel, weil viele EU-Institutionen nicht mehr die Interessen Europas vertreten.

Michael Maier: „Das Ende der Behaglichkeit. Wie die modernen Kriege Deutschland und Europa verändern“. FinanzBuch Verlag München, 228 Seiten, 19,99€. Bestellen Sie das Buch hier direkt beim Verlag.

Oder kaufen Sie es im guten deutschen Buchhandel das Buch ist überall erhältlich. Wir unterstützen den Buchhandel ausdrücklich, er muss gefördert werden!

Oder bestellen Sie das Buch bei Amazon. Mit einem Kauf unterstützen Sie die Unabhängigkeit der Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Hitzeschutzplan für Sporttreibende: Das Gesundheitsrisiko soll gemindert werden
05.06.2025

Durch die Klimakrise wird es in Deutschland immer heißer. Gerade für Sporttreibende kann das im Sommer zur Gefahr werden: Mit ihrem neuen...

DWN
Politik
Politik EU-Kommission startet Defizitverfahren gegen Österreich
05.06.2025

Österreich steht wegen seiner hohen Neuverschuldung unter Druck. Die EU-Kommission will ein Defizitverfahren einleiten – und könnte...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuerentlastungen: Bundesregierung will Investitionen ankurbeln
05.06.2025

Steuerliche Anreize sollen die deutsche Wirtschaft aus der Flaute holen. Die Bundesregierung setzt auf Abschreibungsmöglichkeiten und eine...

DWN
Politik
Politik Showdown in Washington: Merz trifft Trump – Annäherung oder Abrechnung?
04.06.2025

Bundeskanzler Friedrich Merz reist nach Washington, um Donald Trump die Hand zu reichen – doch der Empfang dürfte frostig werden....

DWN
Politik
Politik Bulgarien bekommt den Euro - nicht alle freuen sich darüber
04.06.2025

Die EU-Kommission macht den Weg frei: Bulgarien darf 2026 den Euro einführen. Doch im Land regt sich massiver Widerstand. Während...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell auf Rekordkurs: Doch deutsche Anleger bleiben zurückhaltend – die Gründe
04.06.2025

Der Goldpreis steigt erneut auf ein beeindruckendes Niveau – doch die deutsche Nachfrage sinkt. Was steckt hinter dieser paradoxen...

DWN
Politik
Politik Zinswende mit Risiko – Steuert Lagarde Europa in die Deflation?
04.06.2025

Christine Lagarde will am Donnerstag erneut die Zinsen senken – trotz globaler Unsicherheiten, Handelskonflikten und überraschend...

DWN
Politik
Politik NATO fordert 5 Prozent fürs Militär – doch Europas Regierungen spielen weiter auf Zeit
04.06.2025

Während Russland aufrüstet und zum Gegenschlag bereitsteht, warnt die NATO vor einem historischen Sicherheitskollaps – doch viele...