Trotz heftiger Proteste und Kritik aus dem In- und Ausland hat das polnische Parlament einer Neuordnung des Verfassungsgerichts zugestimmt. 235 Abgeordnete stimmten am Dienstagabend für den Gesetzentwurf der neuen nationalkonservative Regierung, 181 stimmten dagegen und vier enthielten sich. Laut der Neuregelung soll für alle Entscheidungen des Verfassungsgerichts künftig eine Zweidrittelmehrheit notwendig sein statt wie bisher eine einfache Mehrheit. Zudem müssen künftig mindestens 13 der 15 Verfassungsrichter anwesend sein, um ein Urteil fällen zu können - bisher reichten neun Richter.
Der Streit um die Besetzung des Verfassungsgerichts in Polen hat seinen Ursprung noch in der Zeit der liberal-konservativen Regierung: Diese hatte noch kurz für der Wahl neue Verfassungsrichter ernannt - ein Vorgang, den sogar die der neuen Regierung äußerst kritisch gegenüberstehende SPD-Politikerin Gesine Schwan im DLF als problematisch bezeichnete. Die Regierung unter Beata Szydlo hatte sich geweigert, die Bestellung von Anfang Dezember anzuerkennen und amtlich zu veröffentlichen. Die Richter hatten entschieden, dass die Wahl von drei neuen Verfassungsrichtern noch durch das alte liberal-konservative Parlament rechtmäßig und gültig sei. Der nationalkonservative Präsident Andrzej Duda weigert sich, sie zu ernennen.
Das Urteil der Richter ist nach Einschätzung der neuen Regierung nichtig, weil das Gericht nicht in voller Besetzung getagt hat. Statt fünf hätten neun Richter zusammenkommen müssen.
Die Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Ex-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski hatte bei der Parlamentswahl im Oktober eine absolute Mehrheit der Sitze gewonnen. Seit ihrem Amtsantritt nutzt die Regierung von Ministerpräsidentin Beata Szydlo ihre neugewonnene Macht, das Verfassungsgericht neu zu ordnen. Kritiker aus dem Westen werfen der Regierung vor, das Gericht zu politisieren. EU-Präsident Martin Schulz sprach sogar von einem Staatsstreich. Luxemburg drohte Polen mit dem Entzug der Stimmrechte in der EU. Doch auch in anderen Ländern ist es üblich, dass regierungsnahe Politiker Posten in den Höchstgerichten erhalten: So wurde der frühere saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Kurz nach ihrem Wahlsieg hatte die PiS auf der Basis eines von ihr verabschiedeten Gesetzes fünf neue Verfassungsrichter bestimmt und damit eine Welle der Kritik von Opposition, Medien und ausländischen Politikern ausgelöst. Das Verfassungsgericht stufte das Gesetz später als verfassungswidrig ein. Präsident Duda hatte die fünf Verfassungsrichter allerdings bereits vereidigt.
Auch das nun beschlossene Gesetz zum Verfassungsgericht hatte schon im Vorfeld massive Kritik ausgelöst. Der Oberste Gerichtshof Polens warnte in der vergangenen Woche vor einer Lähmung des Gerichts. Die Neuregelung widerspreche "den Funktionsweisen eines Verfassungsgerichts in einem demokratischen Rechtsstaat" und drohe dessen Arbeit "zu behindern oder gar zu verhindern".