Wikileaks hat die Mitschrift einer Telefonkonferenz von drei hochrangigen IWF-Mitarbeitern veröffentlicht. Der IWF berät dort, wie man Angela Merkel dazu drängen kann, einen Schuldenerlass für Griechenland zuzustimmen. Griechenland zeigt sich verärgert, dass Deutschland „erpresst“ werden soll.
Bei dem auf der Wikileaks-Internetseite am Samstagmorgen veröffentlichten Dokument handelt es sich nach Angaben der Enthüllungsplattform um die Abschrift einer Telefonkonferenz vom 19. März zwischen dem Dänen Poul Thomsen, dem IWF-Chef für Europa, der rumänischen IWF-Griechenland-Unterhändlerin Delia Velculescu und der bulgarischen IWF-Haushaltsexpertin Iva Petrova.
Das Telefonprotokoll zeigt das Misstrauen des IWF gegenüber Athen und der EU: Thomsen beschwert sich darüber, dass die Verhandlungen mit dem Mittelmeerland nur schleppend vorankommen und die Wirtschaftsprognosen des IWF und der EU für Griechenland voneinander abweichen.
Der IWF plädiert dafür, dass die europäischen Gläubiger Griechenland einen Teil seiner Schulden erlassen, die eigenen Kredite will der IWF aber zur Gänze zurückgezahlt haben. Nur wenn es zu dieser Einigung komme, will der IWF dem geplanten dritten Kreditpaket zustimmen. Vor allem Deutschland ist gegen diese Einigung.
Mit der Drohung, dem Kreditpaket nicht zuzustimmen, so die Überlegung, könne Druck auf die EU-Geldgeber und dabei vor allem auf Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgeübt werden, zu einer Einigung noch im April zu kommen.
Thomsen soll wörtlich gesagt haben: „Im Kern sagen wir zu dem Zeitpunkt ,Schauen sie, Frau Merkel, sie stehen vor einer Frage, sie müssen darüber nachdenken, was mehr kostet: weiter vorangehen ohne den IWF würde den Bundestag sagen lassen, der IWF ist nicht an Bord? - oder sie wählen den Schuldenerlass und damit das, was Griechenland nach unserer Meinung braucht, und behalten uns an Bord.’ Richtig? Genau um diesen Punkt geht es.“
Griechische Offizielle reagierte verärgert auf die Enthüllung. Es sei der Beweis, dass der IWF Deutschland mit dem Thema Schuldenerlass „erpressen“ würde, schreibt die FT.
Thomsen sagt weiterhin, dass Merkel durch die Flüchtlingskrise - und den damit verbundenen Druck und Kosten für Deutschland - eher bereit sein könnte, die Linie des IWF mitzutragen. Die Frage sei Schuldenschnitt und Zusammenarbeit mit dem IWF, oder kein Schuldenschnitt, aber dafür kein IWF mehr in der Troika und höhere Kosten für alle Verhandler. Vor diese Wahl müsse man Merkel stellen.
Thomsen wird außerdem mit der Aussage wiedergegeben, in der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass die Griechen nur dann zu einer Entscheidung kämen, wenn sie nahezu zahlungsunfähig seien. Die Frage sei, wie es zu einer Entscheidung komme. Velculescu sagt dem Protokoll zufolge, sie stimme Thomsen zu, dass es eines „Ereignisses“ für eine Entscheidung bedürfe. Sie wisse aber nicht, welches Ereignis das sein werde.
Die Gespräche zwischen Griechenland und der Kreditgebern - EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB), Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM), der Unterstützungsfonds der Eurozone, und IWF - sollen am Montag nach zweiwöchiger Unterbrechung wieder aufgenommen werden. Der IWF hat dem letzten Kreditprogramm für das hochverschuldete Griechenland noch nicht zugestimmt.
Unter dem Druck seiner internationalen Gläubiger hatte Athen zugestimmt, im Gegenzug für neue Kredite in Höhe von 84 Milliarden Euro Privatisierungen und einschneidende Kürzungen bei den Sozialsystemen, unter anderem bei den Renten, vorzunehmen.
Die griechische Regierung verlangte am Samstag „Erklärungen“ vom IWF. Regierungschef Alexis Tsipras kündigte einen Brief an die IWF-Chefin Christine Lagarde und die EU-Staats- und Regierungschefs an. Eine Regierungssprecherin sagte am Samstag im staatlichen Fernsehen, man wolle vom IWF wissen, ob es dessen offizielle Position sei, kurz vor dem EU-Referendum in Großbritannien Bedingungen für eine Pleite Griechenlands herbeiführen zu wollen. Die FT zitiert einen hochrangigen griechischen Beamten: „Wir werden nicht erlauben, dass irgendjemand Griechenland oder Deutschland erpresst.“