Jacques Klopp hat für die AFP eine interessante Analyse geschrieben, in der er erläutert, warum die Verwicklung von Großbritanniens Premier David Cameron das Ende der EU einläuten könnte:
Er wollte es als "Privatangelegenheit" unter den Teppich kehren, was dramatisch missglückte: Die verheimlichten Offshore-Investitionen des britischen Premierministers David Cameron sind zum politischen Sprengsatz geworden, der ganz Europa erschüttern könnte. Denn der Gesichtsverlust bringt nicht nur ihn selbst in Bedrängnis. Er macht auch seinen Versuch, die Briten vor dem Brexit-Referendum für den EU-Verbleib zu gewinnen, viel schwieriger.
Kaum hatte Cameron am Donnerstag in einem TV-Interview eingeräumt, er sei bis kurz vor seinem Amtsantritt vor sechs Jahren an der panamaischen Blairmore Holding seines verstorbenen Vaters beteiligt gewesen, stürzte sich die Opposition auf das Geständnis: "Lasst diesen Heuchler verschwinden", schrieb der Labour-Abgeordnete John Mann auf Twitter. Cameron sei alles andere als ehrlich gewesen, "er muss sofort zurücktreten".
"Es scheint, als verspiele Cameron gerade das gesamte Vertrauen der Bevölkerung", meldete sich Angus Robertson, Fraktionschef der schottischen Nationalisten (SNP) im britischen Parlament, zu Wort.
Der Verschleierungsversuch seines Kommunikationsteams macht die Sache noch schlimmer. Nachdem die Existenz der Offshore-Holding der Camerons am Sonntag durch die "Panama Papers" enthüllt worden war, erklärte Downing Street die Angelegenheit zunächst zur Privatsache. Am Dienstag dann beteuerte der Premier selbst, er habe "keine Aktie, keinen Fonds, nichts dergleichen im Ausland".
Zwei Tage später dann die nächste Scheibe der Wahrheit, wonach er zwar tatsächlich "derzeit" nicht mehr offshore aktiv sei, bis zu seiner ersten Wahl aber sehr wohl. Auf den letzten Drücker verkaufte er im Januar 2010 seine Anteile im Wert von 30.000 Pfund (37.000 Euro).
Schon 2012 hatte der "Guardian" über den Investitionsfonds berichtet. Den "Panama Papers" zufolge gelang es Ian Cameron mit Hilfe der berüchtigten Finanzkanzlei Mossack Fonseca, die Gewinne 30 Jahre lang der Versteuerung in Großbritannien zu entziehen. Britische Finanzexperten geben hingegen Cameron Recht, wonach alle Gewinne sehr wohl ordnungsgemäß versteuert worden seien.
Doch das Image ist beschädigt. Er sei "stolz auf seinen Vater, und was er erreicht hat", sagte Cameron am Donnerstag in seinem Geständnis-Interview.
"Ich weiß nicht, ob ihm das britische Volk verzeihen wird", fasste Labour-Vize Tom Watson den akuten Vertrauensverlust Camerons im Sender Sky News zusammen. Schließlich habe Cameron andere Geschäftsleute an den Pranger gestellt, die ähnliche Tricksereien anwendeten, und sich zum Vorreiter der Transparenz ausgerufen.
Jenseits des Kanals gilt die Sorge weniger Camerons Zukunft als Premier, als vielmehr der Sorge um das "Brexit"-Referendum am 23. Juni. Schon vor den "Panama Papers" schien dessen Ausgang auf Messers Schneide zu stehen. Camerons Kampagne für den EU-Verbleib des Königreichs zündete bislang nicht. "Nun ist sein dringendstes Anliegen nicht mehr Europa, sondern dass er das Amt des Premierministers nicht verliert", kommentiert die französische Zeitung "Le Journal de la Haute-Marne" am Freitag.
Für Cameron sei der Kampf um das Ja der Briten beim Referendum "der politische Kampf seines Lebens", meint auch BBC-Kommentator James Landale. Und alles, was die Wähler an seinen Wohlstand und seinen privilegierten Hintergrund erinnere, schwäche seine Position. Die Affäre komme deswegen zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt.