Politik

Gegen Opposition: Türkisches Parlament hebt Schutz für Abgeordnete auf

Das türkische Parlament hat am Freitag für die Aufhebung der Immunität von mehr als einem Viertel der Abgeordneten gestimmt. Für den Vorstoß der islamisch-konservativen AKP stimmten 373 der 550 Parlamentarier. Der Schritt richtet sich vor allem gegen die Fraktion der pro-kurdischen HDP.
20.05.2016 12:21
Lesezeit: 1 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Das türkische Parlament hat am Freitag mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit für die Aufhebung der Immunität von mehr als einem Viertel der Abgeordneten gestimmt, berichtete das Parlamentsfernsehen. Der Schritt richtet sich vor allem gegen die Abgeordneten der Oppositionspartei HDP. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wirft ihnen vor, der «verlängerte Arm» der Terrororganisation PKK zu sein. Erdogan hatte dazu aufgerufen, ihre Immunität aufzuheben.

Vor der Abstimmung war es im Plenum zu einem Eklat gekommen. Parlamentarier der größten Oppositionspartei CHP verließen während der Debatte am Freitagvormittag unter Protest vorübergehend den Saal, wie der Sender CNN Türk berichtete. Sie skandierten dabei: «Die Türkei ist laizistisch und wird laizistisch bleiben.»

Die Aufhebung der Immunität geschieht über eine befristete Verfassungsänderung, so die dpa. Konkret stimmten die 373 Abgeordneten am Freitag dafür, einen Satz aus Artikel 83 für jene 138 Mitglieder der Nationalversammlung auszusetzen, denen Straftaten vorgeworfen werden. Der Satz besagt: «Ein Abgeordneter, der vor oder nach der Wahl eine Straftat begangen haben soll, darf nicht festgenommen, verhört, verhaftet oder vor Gericht gestellt werden, wenn die Versammlung nicht anderweitig entscheidet.» 138 Abgeordnete stimmten dagegen.

Damit ist der Weg für eine Strafverfolgung frei. Die HDP befürchtet die Festnahme von Abgeordneten ihrer Fraktion, gegen die vor allem Terrorvorwürfe erhoben werden. Parlamentarier anderer Parteien sehen sich Anschuldigungen wie etwa Amtsmissbrauch ausgesetzt.

Die 138 Abgeordneten, denen die Immunität entzogen wird, verteilen sich auf alle vier Parteien im Parlament: Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu gehören 27 zur islamisch-konservativen AKP (317 Sitze), 51 zur Mitte-Links-Partei CHP (133 Sitze), 50 zur pro-kurdischen HDP (59 Sitze) und neun zur ultrarechten MHP (40 Sitze). Außerdem soll der einzigen parteilosen Abgeordneten die Immunität entzogen werden.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Rolf Mützenich, warnte das türkische Parlament im Vorfeld vor einer «Selbstentmachtung». Sollte Erdogan mit seinem Vorhaben durchkommen, werde «ein weiterer Baustein einer demokratischen Entwicklung in der Türkei entfernt», sagte Mützenich am Freitag im rbb-Inforadio. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte das Parlament in Ankara zuvor in der «Süddeutschen Zeitung» zum Widerstand gegen «autokratische Ambitionen» Erdogans aufgerufen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik USA kürzen Sicherheitshilfe für Europa – Baltikum besonders betroffen
08.09.2025

Die USA kürzen ihre Sicherheitshilfe für Osteuropa drastisch. Besonders das Baltikum gerät ins Wanken – und Deutschland muss stärker...

DWN
Politik
Politik Klinik-Atlas vor dem Aus: Warken plant das Ende von Lauterbachs Prestigeprojekt
08.09.2025

Der Klinik-Atlas von Karl Lauterbach sollte Transparenz für Patientinnen und Patienten schaffen. Doch nach Kritik und hohen Kosten plant...

DWN
Technologie
Technologie CATI-Analyse: E-Autos im Aufwind – was treibt den Markt für E-Fahrzeuge wirklich an?
08.09.2025

Die IAA in München rückt die Elektromobilität ins Rampenlicht. Eine aktuelle CATI-Analyse zeigt Chancen und Risiken für E-Fahrzeuge...

DWN
Politik
Politik Frankreichs Regierung vor Absturz bei Vertrauensfrage
08.09.2025

Frankreichs Regierung steht unter massivem Druck: Premier François Bayrou riskiert mit der Vertrauensfrage sein politisches Überleben....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Besser als prognostiziert: Deutsche Industrieproduktion steigt dank Maschinenbau deutlich
08.09.2025

Die deutsche Industrieproduktion zeigt im Juli einen unerwarteten Aufschwung – vor allem dank des Maschinenbaus. Doch bleibt der Trend...

DWN
Politik
Politik Putin testet die Welt: Selenskyj fordert härtere Sanktionen gegen Moskau
08.09.2025

Nach massiven Angriffen auf die Ukraine fordern Selenskyj und westliche Partner entschlossene Reaktionen. US-Präsident Trump denkt laut...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wohnungslos trotz neuem Job? Viele Firmen greifen ein
08.09.2025

Der Wohnungsmarkt in Deutschland ist hart umkämpft. Arbeitnehmer stoßen bei Ortswechseln oft an Grenzen: bezahlbarer Wohnraum fehlt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Saab-Aktie: CEO Johansson über Milliardenaufträge, Wachstumsschmerzen und geopolitische Risiken
08.09.2025

Unter Micael Johansson ist die Saab-Aktie durch die Decke gegangen: Börsenwert versechsfacht, Mitarbeiterzahl explodiert. Doch der Konzern...