Politik

Versicherungskonzern Ergo baut 2400 Stellen ab

Lesezeit: 2 min
01.06.2016 15:07
Der Versicherungskonzern Ergo baut radikal um. In den kommenden vier Jahren soll jede siebte Stelle im Unternehmen wegfallen. 2021 soll dann eine halbe Milliarde Euro Gewinn abgeliefert werden.
Versicherungskonzern Ergo baut 2400 Stellen ab

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der neue Vorstandschef Markus Rieß verpasst Deutschlands zweitgrößtem Versicherungskonzern Ergo eine Radikalkur. Im Zuge des Umbaus sollen in den kommenden vier Jahren 2400 Vollzeit-Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut werden, vor allem im Vertrieb, wie Rieß am Mittwoch in Düsseldorf ankündigte.

Damit verliert rechnerisch jeder siebte der 14.300 Ergo-Mitarbeiter im Inland den Job. 565 Arbeitsplätze sollen an anderer Stelle neu entstehen. Ergo sei bei den Kosten nicht konkurrenzfähig, sagte Rieß. Zugleich will er eine Milliarde Euro in die Hand nehmen und damit die Produkte, die veraltete IT und die Verwaltung auf Vordermann bringen. „Ich traue uns diesen Wandel auch zu“, sagte der vom Marktführer Allianz gekommene Rieß. „Ergo ist eine große Gesellschaft, die unter ihren Möglichkeiten bleibt.“

Die größten Einschnitte plant der ehemalige Bankmanager laut Reuters in der Lebensversicherung. Neugeschäft will Ergo künftig nur noch mit fondsgebundenen, anderen kapitalmarktnahen sowie mit Risiko-Lebensversicherungen machen, die die Bilanz bei niedrigen Zinsen weniger belasten. Der Münchener-Rück-Vermögensverwalter MEAG soll dabei helfen. Aus dem Geschäft mit klassischen Policen mit langfristigen Garantien will Rieß komplett aussteigen, die sechs Millionen bestehenden Policen von Ergo Leben (früher Hamburg-Mannheimer) und Victoria Leben werden abgewickelt. Der Konzern geht damit weiter als andere Versicherer, die sich von Policen mit langfristigen Garantien mehr oder weniger verabschieden. Ergo denke aber nicht daran, den Bestand an einen Abwickler wie den Finanzinvestor Cinven (Heidelberger Leben) zu verkaufen, sagte Rieß.

Neben der erfolgreichen Tochter Ergo Direkt will Rieß einen reinen Online-Versicherer mit Billigtarifen ins Leben rufen, der nur noch über das Internet mit seinen Kunden kommuniziert. Die neue Gesellschaft soll 2017 zunächst mit einer Kfz-Versicherung an den Start gehen. In drei Jahren soll Ergo damit - abgesehen von der Lebensversicherung - stärker wachsen als die zwei bis vier Prozent, die die Branche im Schnitt erreicht.

Aber auch im althergebrachten Geschäft soll der Vertrieb stärker zentralisiert werden. „Wir leisten uns heute mehrere Vertriebsorganisationen und in der Verwaltung aufwendige Prozesse“, sagte Rieß. Die Verwaltungskosten lägen deutlich über dem Durchschnitt der Branche. Sie sollen bis spätestens 2020 um 280 Millionen Euro niedriger sein als heute. In der Schaden- und Unfallversicherung will Rieß die Kostenquote von 34 Prozent auf weniger als 30 Prozent drücken. Marktführer Allianz liegt bei 25 Prozent. Ausbauen will Ergo das Geschäft im Ausland - auch mit Zukäufen - sowie mit Gewerbe- und Industriekunden.

Wenn die Strategie 2021 greift, will Ergo bei der Münchener Rück mehr als 500 Millionen Euro Gewinn pro Jahr abliefern. Das hatte sie seit Jahren nicht geschafft. Das Investitions- und Sparprogramm verschlingt freilich zunächst eine Milliarde Euro. Davon schlagen 300 Millionen allein in diesem Jahr zu Buche. Das treibt Ergo zum zweiten Mal in Folge leicht in die Verlustzone und drückt den Gewinn der Münchener Rück auf 2,3 (Vorjahr: 3,1) Milliarden Euro. Für das nächste Jahr verspricht Rieß wieder deutlich schwarze Zahlen. Münchener-Rück-Chef Nikolaus von Bomhard stellte sich hinter den Plan: „Das Strategieprogramm wird Ergo wieder zu einer starken Ertragssäule von Munich Re machen.“

Arbeitnehmervertreter sehen den Ergo-Umbau mit gemischten Gefühlen: „Was dieses Programm von den vorherigen unterscheidet, ist, dass ernsthaft Geld dafür in die Hand genommen wird“, sagte Verdi-Fachbereichsleiter Frank Fassin, der auch dem Aufsichtsrat von Ergo angehört, der Nachrichtenagentur Reuters. „Die Produkte waren nicht mehr wettbewerbsfähig. Allerdings geht das wieder auf Kosten der Beschäftigten.“ Dabei hätten in den vergangenen Jahren bei Ergo schon Tausende ihren Arbeitsplatz verloren. Das habe auch die Glaubwürdigkeit der Vorstandschefs unterhöhlt. Die Gewerkschaft dringt auf einen Verzicht auf Entlassungen im Zuge des Umbaus. Rieß hält das allerdings nicht für machbar.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag zum Handelsstart mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Europäische Unternehmen sehen düstere Aussichten in China
10.05.2024

Die jährliche Geschäftsklimaumfrage der EU-Handelskammer in Peking zeigt, dass europäische Unternehmen ihre Wachstumschancen in China so...