Deutsche Forscher an der RWTH Aachen haben eigene Solarstraßen entwickelt. Die in den Straßenbelag eingebaute Photovoltaik liefert nicht nur Energie, sondern soll zusätzlich noch Schadstoffe aus der Luft filtern. Den Forschern zufolge könnte die Nutzung der rund 1,4 Milliarden Quadratmeter „horizontalen Flächen“ für die Solarenergie in Deutschland genug Strom für 20 Millionen E-Fahrzeuge liefern, so Ingenieur Lukas Renken vom Team der RWTH Aachen.
Solar-Module gibt es derzeit in Deutschland nur für Dächer und Fassaden, nicht jedoch für waagrechte Flächen wie Straßen, die potentiell jedoch viel mehr Fläche bieten als Dächer. Würden nur 15 Prozent der Straßen mit den Solarmodulen ausgestattet und für Energieerzeugung genutzt, bräuchte Deutschland den Entwicklern zufolge kein einziges Atomkraftwerk mehr.
Die etwa fünf bis sechs Millimeter dicken Solar-Module sind aus bruchsicherem und rutschfestem Spezialglas und können wie ein Fliesenteppich zusammengesetzt und einzeln ausgetauscht werden. Allerdings sind die Forscher noch in der Testphase: In den nächsten zwei Jahren werden die technischen und wirtschaftlichen Risiken befahrbarer Solar-Module erforscht, eine erste Testsfläche entsteht dazu in Berlin. So müssen sie zum Beispiel eine mechanische Belastbarkeit von bis zu 11,5 Tonnen Achsenlast haben, um auch LKWs tragen zu können.
Hierzu könnten die Forscher nach Frankreich schauen, wo die Konkurrenz bereits einen ähnlichen Belag zur Marktreife gebracht hat, der auch schwere Transporter tragen kann (siehe Video am Anfang des Artikels). Frankreichs Regierung will in den nächsten fünf Jahren rund 1000 Kilometer Straßen mit Solarzellen ausstatten. Diese sollen Strom für fünf Millionen Franzosen liefern, bezahlt werden soll die neue Energie mit Steuern auf Erdöl.
Auch die Aachener Forscher werden staatlich gefördert, denn mit dem Projekt wollen die Wissenschaftler auch das wachsende Strombedarfs-Problem angehen, dass durch die Energiewende und die geplante Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektroautos bevorsteht. Denn der Ausstieg aus dem Atomkraft macht alternative Stromquellen unverzichtbar zudem steigert die zunehmende Elektromobilität den Verbrauch.
Durch die Solarmodule könnten sich die Straßen quasi selbst finanzieren: Die lokalen Versorger können auf regenerative Alternativen umstellen und langfristig die Kosten für die Straßenerhaltung refinanzieren, so Donald Müller-Judex vom RWTH Forschungspartner Solmove GmbH. Der Energieaufwand für die Produktion der Module werde demnach in drei Jahren ausgeglichen. Das System soll zudem mit einer Lebensdauer von 25 Jahren länger halten als konventioneller Asphalt, der in der Regel nach 20 Jahren grundsaniert werden muss.
Doch die Forscher haben den Bodenbelag nicht nur zur Energiegewinnung entwickelt, sondern gleich noch mit einem weiteren klimafreundlichen Feature ausgestattet: Die besondere Oberfläche führt zu photokatalytischen Effekten, baut Stickstoff ab und kann zur Luftreinhaltung beitragen, so Lukas Renken. An warmen Sommertagen kann Stickstoffdioxid zu Stickstoffmonoxid zerfallen und mit dem Luftsauerstoff bodennahes, schädliches Ozon bilden. Über 40 Prozent dieser Emissionen verursacht der Straßenverkehr.
Damit nicht genug: Die Fahrbahnen sollen zudem selbstreinigende Eigenschaften erhalten, damit möglichst wenig Schmutz das Sonnenlicht von den Solarzellen abhält. Eine akustisch optimierte Struktur macht die Solarstraßen zudem besonders leise und reduziert den Straßenlärm erheblich.
Zu guter letzt haben die Ingenieure eine denkbar bequeme Art der Energieübertragung geplant: Dank Induktionsschleifen versorgen die Photovoltaik-Fahrbahnen die Autos während der Fahrt drahtlos mit Energie. Auch Ampelsysteme werden über die Module mit Energie versorgt, ebenso wie in den Seitenstreifen integrierte LED-Lampen zur Straßenbeleuchtung. Sollte dann noch Energie übrig bleiben, haben die Entwickler auch an Systeme gedacht, die die überschüssige Energie zwischenspeichern.