Politik

„Internationale Lachnummer“: Spanien kann keine Regierung bilden

Spanien dürfte noch vor Weihnachten zum dritten Mal innerhalb eines Jahres wählen. Premier Rajoy verlor am Freitag eine weitere Vertrauensabstimmung. Die Übergangsregierung kann keine Gesetze verabschieden und kein Budget beschließen.
03.09.2016 01:54
Lesezeit: 2 min

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Carola Frentzen und Emilio Rappold von der dpa analysieren die Lage in Spanien:

Im „Congreso de los Diputados“ in Madrid wird debattiert und gezankt, geklatscht und gebuht, aber das Resultat ist immer das gleiche: Es will einfach keine Regierung zustande kommen. Wie soll es nun weitergehen auf der Iberischen Halbinsel?

Wenn es noch ein Fünkchen Hoffnung auf eine Normalisierung der politischen Lage in Spanien gegeben hatte, so wurde diese am Freitagabend zunichte gemacht. Auch die letzte Warnung von Außenminister José Manuel García-Margallo, man drohe zur „internationalen Lachnummer“ zu verkommen, nutzte nichts: Die Kandidatur von Mariano Rajoy für eine Wiederwahl als Regierungschef wurde auch im zweiten und vorerst letzten Versuch abgeschmettert.

Nach mehr als 250 Tagen und zwei Parlamentswahlen siecht die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone weiter in einer Polit-Blockade vor sich hin, die bald auch finanzielle Folgen haben könnte. Denn eine geschäftsführende Regierung, wie Rajoy sie seit Dezember führt, darf weder Gesetz- noch Etatentwürfe präsentieren. Brüssel hatte dem Defizitland aber bereits Ende Juli aufgetragen, bis Mitte Oktober konkrete Pläne zum Schuldenabbau vorzulegen.

Unnachgiebig und eisern in ihrem „Nein“ zu Rajoy fügten die Oppositionsabgeordneten um Sozialisten-Chef Pedro Sánchez und den Führer der linken Protestpartei Podemos (Wir können), Pablo Iglesias, dem Interims-Regierungschef zum zweiten Mal innerhalb von 48 Stunden eine bittere Niederlage zu. Ausnahmslos stimmten sie gegen den 61-Jährigen aus dem konservativen Lager, der damit nicht einmal eine einfache Mehrheit hinter sich bringen konnte.

Alle Akteure des politischen Kasperletheaters haben jetzt noch zwei Monate Zeit, um eine Lösung zu finden. Scheitern sie, würde das Königreich wohl zum „Gespött Europas“ mutieren, wie Rajoy schon seit Wochen warnt. Die Spanier müssten zum dritten Mal innerhalb von nur zwölf Monaten an die Urnen – just am ersten Weihnachtstag.

Was nun?, fragen sich Medien, Politiker und Intellektuelle. Schriftsteller Ruben Amón, ein angesehener Kolumnist der renommierten Zeitung „El País“, sieht nur eine Chance: Die des „Königsopfers“. Nur wenn die Volkspartei (PP) die Reizfigur Rajoy durch einen anderen Spitzenkandidaten ersetze, sei ein Nachgeben der Sozialisten (PSOE) bis Ende Oktober denkbar, meint er.

Amón steht mit seiner Ansicht nicht allein da. Die Sozialisten hatten nämlich dem Wähler versprochen, ein Fortbestehen der von Stabilität, aber auch von Korruptionsaffären und Sparwut geprägten Regierung Rajoy unter allen Umständen verhindern zu wollen. Ohne den Mann aus Galicien könnten Sánchez & Co. durch eine Enthaltung bei einer bis Ende Oktober noch möglichen neuen Abstimmung über die Bildung einer konservativen Regierung ihr politisches Gesicht wahren - und das Land doch gleichzeitig aus der Sackgasse führen.

Politische Beobachter sehen derweil auch eine sozialistische Version des „Königsopfers“. Bei der PSOE regt sich intern zwar noch kein wirklicher Widerstand gegen die strikte Position des Parteiführers, der seinen Erzfeind Rajoy schon mal als „miserabel“ beschimpft hat und auch eine Koalition mit Podemos ausschließt. Aber Sánchez ist bei seinen Kollegen nach den jüngsten schlechtesten Wahlresultaten der Parteigeschichte als Führer auch nicht unumstritten.

Jetzt sind alle Augen auf den 25. September gerichtet. Sollte die PSOE nämlich bei den Regionalwahlen in Galicien und im Baskenland neue Pleiten erleiden, könnte Sánchez ins Wackeln geraten. Dass in der Politik das letzte Wort fast nie wirklich das letzte Wort ist, machte ein ranghoher Parteikollege des 44-Jährigen am Donnerstag deutlich. „Nach den Regionalwahlen kann sich vieles ändern. Wir haben auch das Recht, unsere Positionen zu überdenken“, sagte der Regierungschef der Region Kastilien-La Mancha, Emiliano García-Page.

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