Trotz seines geplanten EU-Austritts will sich Großbritannien weiter gegen Pläne stemmen, eine europäische Armee und ein EU-Militärhauptquartier aufzubauen. Solche Pläne würden die NATO "untergraben", sagte der britische Verteidigungsminister Michael Fallon am Dienstag beim Treffen mit seinen EU-Kollegen in Bratislava.
"Wir werden weiter jedes Vorhaben einer europäischen Armee oder eines EU-Armeehauptquartiers ablehnen", sagte Fallon. Die Nato müsse "Eckpfeiler" der Verteidigung in Europa bleiben. Zwar sei auch London überzeugt, dass Europa mehr in der Flüchtlingskrise und im Kampf gegen Terrorismus tun müsse, fuhr Fallon fort. Es sei aber "der falsche Weg, einfach nur die Nato zu kopieren und zu untergraben".
Großbritannien gehört mit seiner Kriegsbeteiligung in Syrien zu den Hauptverantwortlichen der Eskalation im Nahen Osten. Zuletzt waren die Briten an der irrtümlichen Bombardierung der syrischen Armee bei einem Luftangriff beteiligt. Die Briten sind außerdem über ihre Geheimdienste aktiv mit Söldnertruppen in Syrien verbunden.
Offenkundig will London versuchen, das Vakuum vor dem EU-Austritt zu nutzen, um die EU weiter zu blockieren. Tatsächlich ist Großbritannien immer noch offiziell Mitglied der EU mit allen Rechten und Pflichten. Wegen des Austritts braucht London allerdings keine Rücksicht mehr auf Harmonie und Zusammenarbeit in der EU nehmen.
Zuletzt hatte die EU ein sehr schlüssiges Konzept vorgelegt, welches sowohl die gemeinsamen Sicherheitsinteressen als auch Synergien berücksichtigt. Der Brexit-Verhandler Michel Barnier sagte im Interview mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten, dass die EU bei der militärischen Sicherheit mehr Eigenverantwortung übernehmen müsse. Er betonte ausdrücklich, dass diese Initiative nicht gegen die Nato gerichtet sei.
Eigentlich hatte auch US-Präsident Barack Obama gefordert, dass sich die Europäer stärker selbst engagieren müssen. Doch die transatlantischen Thinkstanks opponieren massiv gegen die Idee einer EU-Armee. Dem US-Magazin Politico sagte François Heisbourg vom IISS in London, dass die EU-Staaten selbst zerstritten seien. Heisbourg leistet gleich selbst einen Beitrag zur Zwietracht: Seiner Meinung nach gehe es den Franzosen nur darum, "deutsches Geld für französische Gewehre" zu ergattern. Ein Thinktanker der "American Academy" in Berlin zweifelt an der Bereitschaft der Deutschen, in der Welt in den Krieg ziehen zu wollen - auch diese Wortmeldung zielt auf Zwietracht. Sie wird im übrigen gerne genau andersrum verwendet: Wenn Deutschland nämlich Anstalten macht, irgendwo in der Welt eine größere Rolle zu spielen, warnen dieselben Zirkel vor der historischen Dimension des deutschen Größenwahns.
Deutschland und Frankreich plädieren dabei unter anderem für die Schaffung eines EU-Hauptquartiers für militärische und zivile Auslandseinsätze, die Gründung eines schnell einsetzbaren Sanitätskorps und eine verstärkte Rüstungskooperation."Es geht nicht um eine europäische Armee, sondern darum, unsere Fähigkeiten in Europa besser miteinander zu verknüpfen", sagte von der Leyen. "Alles, was Europa stärkt in der Verteidigung, stärkt auch die Nato."
Mogherini sagte, die EU strebe die Stärkung im Verteidigungsbereich ergänzend zur Nato an. "Das ist nichts Ideologisches", sagte die Außenbeauftragte. Der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian hoffte, dass "vor Jahresende bedeutsame Fortschritte" erzielt werden könnten.
Großbritannien wird noch mindestens zwei Jahre EU-Mitglied bleiben, bis die komplizierten Verhandlungen über den Austritt aus der Union abgeschlossen sind. So lange könnte das Land Beschlüsse im Verteidigungsbereich blockieren, die normalerweise einstimmig fallen müssen. Theoretisch könnte London dies nutzen, um in den Verhandlungen mit der EU über den weiter angestrebten Zugang zum europäischen Binnenmarkt ein Druckmittel zu haben.
De facto hat London kein Veto-Recht: 1985 hatte die italienische Ratspräsidentschaft in Mailand verkündet, dass es, Um solche Verhandlungen zu beginnen, nicht mehr der Einstimmigkeit bedürfe. Das ergibt sich auch aus den EU-Verträgen, die die Zusammenarbeit einzelner Mitgliedsstaaten ausdrücklich vorsieht. Allerdings geht es hier weniger um eine rechtliche, als viel mehr um eine politische Frage. Die Briten wollen Militär-Weltmacht bleiben und die EU klein halten. Daher werden sie alle Lobbyhebel in Bewegung setzen, um das Vorhaben zu torpedieren.
Fallon drohte allerdings auf eine entsprechende Frage nicht ausdrücklich mit einem Veto. Großbritannien sei mit seinen Bedenken aber nicht alleine, sagte er. "Es gibt keine Mehrheit für eine EU-Armee." Und auch andere Regierungen lehnten "Einschnitte in die Souveränität der Nationalstaaten" ab.
Berlin und Paris haben aber bereits auf bisher ungenutzte Möglichkeiten nach Artikel 46 des EU-Vertrags verwiesen, auch in einer kleineren Gruppe von Ländern im Verteidigungsbereich voranzuschreiten. Für die sogenannte ständige strukturierte Zusammenarbeit wäre zunächst ein Beschluss mit qualifizierter Mehrheit notwendig - London allein könnte dies somit nicht blockieren.
Dabei würden Bereiche festgelegt, in denen in einem begrenzten Kreis im Verteidigungssektor zusammengearbeitet wird. Weitere Beschlüsse fallen in der Gruppe dann wieder einstimmig.