Der Automobil-, Chemie- und Versicherungssektor sind laut einer gemeinsamen Studie von Tata Consultancy Services und Bitkom Research am weitesten in der Digitalisierung fortgeschritten. 68 Prozent der befragten Automobilunternehmen planen, digitale Ansätze schnell und umfassend zu implementieren. In der Chemie- und Pharmabranche planen 59 Prozent proaktiv digitale Initiativen. 57 Prozent der Finanz- und Versicherungsunternehmen treiben bereits aktiv Digitalisierungsprojekte voran.
Das Fazit der Forschenden: Deutsche Unternehmen erkennen zwar die strategische Bedeutung digitaler Innovationen, schlagen aber nicht umfassend Kapital aus den sich daraus ergebenden Chancen. Das gilt insbesondere für den Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Die Hälfte der Studienteilnehmer bewegt sich noch nicht entschlossen genug in Richtung digitaler Transformation.
Die Studienergebnisse kommen angesichts der „Digitalen Strategie 2025“ der Bundesregierung zu einem denkbar günstigen Zeitpunkt. Diese zielt darauf ab, die führende Position Deutschlands im Bereich der modernen, integrierten Fertigungstechnologie weiter zu stärken. Die Digitale Strategie 2025 bildet als Teil der Industrie-4.0-Initiative das Herzstück des Entwicklungsplans für die deutsche Industrie. Sie setzt in hohem Maße die Fähigkeit voraus, digitale Technologien einzusetzen – vom industriellen Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) bis hin zu Künstlicher Intelligenz (KI) und Automatisierung, unterstützt von neuen Entwicklungen in cloudbasierten Services und mobilen Anwendungen.
„Mit dem größten IT-Sektor Europas – und dem viertgrößten weltweit – ist Deutschland gut aufgestellt, um die Herausforderungen von Industrie 4.0, dem Internet der Dinge und der Digitalen Strategie 2025 der Bundesregierung zu meistern“, sagt Sapthagiri Chapalapalli, Vice President Central Europe bei TCS Deutschland. Die größten Unternehmen Deutschlands hätten bereits fantastische Fortschritte darin erzielt, digitale Ansätze in ihrer Organisation zu verankern. Größeren Herausforderungen sehe sich der Mittelstand gegenüber, der noch immer Mühe habe, die Chancen der digitalen Transformation zu ergreifen.
„Die Studie hebt hervor, dass Unternehmen jeder Größe proaktiver über ihre digitale Zukunft nachdenken und so schnell wie möglich damit beginnen müssen, entsprechend zu planen und Strategien zu entwickeln“, so Chapalapalli weiter. Noch sei ‚Made in Germany‘ ein weltweit anerkanntes Gütesiegel, aber die Unternehmen riskierten, vom Wettbewerb abgehängt zu werden, wenn sie nicht handeln. „Die Chancen sind ungeheuer spannend, es gilt jetzt, die Herausforderung anzunehmen.”
Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran und Entscheider in allen Bereichen der deutschen Wirtschaft sind sich der Tragweite dieser Entwicklung bewusst. Zugleich aber bestehen laut der Studie in drei Schlüsselbereichen noch Herausforderungen:
- Digitalisierung ist selten ein integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie: Nur 20 Prozent der Unternehmen planen, digitale (Geschäfts-)Plattformen zu entwickeln und bereitzustellen. Eine Ausnahme bildet das Marketing: 75 Prozent der Befragten nutzen bereits Datenanalysen für gezielte Kundenkampagnen. In der übergreifenden strategischen Ebene vieler Unternehmen dagegen scheint die Digitalisierung noch schwach verankert zu sein – 78 Prozent der Befragten gaben an, dass Digitalisierungsinitiativen in erster Linie von der IT-Abteilung oder dem CIO vorangetrieben werden, statt umfänglich in die Unternehmensstrategie integriert zu sein. Das aber ist entscheidend, wenn es darum geht, die digitale Transformation sinnvoll zu gestalten. 44 Prozent der Befragten sehen Kundenservices als Top-Priorität. Mehr als ein Drittel der Unternehmen will zusätzliche virtuelle oder digitale Services anbieten.
- Das Potenzial sozialer Medien wird nicht voll ausgeschöpft: Die Unternehmen fokussieren ihre Social-Media-Aktivitäten in der Regel auf Kundenservice, Vertrieb und Marketing, seltener dagegen auf HR und Recruitment – zwei Bereiche, die in Zeiten zunehmend Social-Media-affiner Bewerber immer wichtiger werden. Darüber hinaus haben nur zehn Prozent Crowdsourcing-Initiativen in sozialen Netzwerken gestartet, um die spezifischen Wünsche von Kunden direkt in die Produktentwicklung einfließen zu lassen oder Innovationen zu fördern. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Unternehmen dieses enorme Potenzial erst noch erschließen müssen, wenn sie sich stärker vom Markt differenzieren und Wettbewerbsvorteile erzielen wollen.
- Nur ein Drittel (37 Prozent) der untersuchten Unternehmen sieht sich in der Lage, Big Data zu analysieren: Den Unternehmen sind organisatorische und administrative Aufgaben wichtiger als die potenziellen neuen Services und Geschäftsmodelle, die durch Big Data möglich werden.
„Der Begriff ‚Digitale Transformation‘ fasst die Herausforderungen zusammen, denen jede Wirtschaft in der Welt gegenübersteht – Disruption und Komplexität, getrieben durch die rasante digitale Innovation“, sagt Dr. Satya Ramaswamy, Vice President und Global Head of Digital Enterprise bei TCS. Mit den Herausforderungen gingen jedoch auch enorme Chancen einher. Einer Wirtschaft wie der deutschen, die im Bereich fortschrittlicher Fertigungstechnik weltweit führend sei, eröffneten sich besonders weitreichende Möglichkeiten.
„Das diesjährige World Economic Forum in Davos fokussierte die Effekte dessen, was viele die ‚vierte industrielle Revolution‘ nennen. Viele Unternehmen jedoch, auch deutsche, haben sich in dieser Hinsicht bisher zu zögerlich verhalten“, so Ramaswamy weiter. Das sei keine nachhaltige Strategie, denn die Wirkkräfte der Digitalisierung führten dazu, dass sich ganze Geschäftsmodelle grundlegend änderten. „Es gilt jetzt, entschlossen zu handeln, um die Chancen zu nutzen und den Anschluss nicht zu verlieren.”