Finanzen

Griechenland fordert Milliarden schwere „Wachstums-Bazooka“

Lesezeit: 2 min
23.01.2014 00:05
Zur wirtschaftlichen Erholung braucht Griechenland 17 Milliarden Euro von Europa, so der frühere griechische Finanzminister. Das Geld soll in Infrastuktur und Export-orientierte Unternehmen gesteckt werden.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In den vergangenen Jahren war immer wieder davon die Rede, Griechenland könne nicht allein vom Tourismus leben, sondern brauche eine starke Industrie. Da diese nicht vorhanden ist, forderten deutsche Politiker, aber auch die Europäische Investitionsbank (EIB) für das Land einen „Marshallplan“, um Industrien in Hellas aufzubauen. Die EIB wollte sich an derartigen Plänen beteiligen.

Da jedoch ein solcher „Marshallplan“ schon allein deshalb nicht umsetzbar ist, weil in dem Land nicht einmal Katasterämter funktionieren respektive vorhanden sind, und somit keine amtlichen Eigentumsnachweise – Voraussetzung für die Ansiedlung von Industrien, aus denen hervorgeht, wer eigentlicher Besitzer entsprechender Grundstücke ist – scheinen diese Pläne auf Eis gelegt worden zu sein.

Nun fordert der griechische Ex-Finanzminister Nicos Christodoulakis in einem Interview mit dem Handelsblatt für Griechenland eine „Wachstums-Bazooka“ in Höhe von 17 Milliarden Euro für Infrastruktur und exportorientierte Unternehmen. Insgesamt, so Christodoulakis, sollten mit einem „Masterplan“ für Investitionsprojekte in ganz Europa 100 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Dies könne „private Investitionen anziehen und die Stimmung an den Märkten drehen“.

Christodoulakis hatte Griechenland in die Gemeinschaftswährung Euro gebracht. In dem Interview erklärt er, Griechenland habe „die Flexibilität genutzt“, die zur damaligen Zeit für alle Beitrittsländer möglich war. „Alles, was wir getan haben, war legal und transparent“. Richtig „geschummelt“ habe sein Land nicht. Denn dies sei ja sofort von Eurostat oder den Märkten aufgedeckt worden.

Auch andere Länder, wie Deutschland, hätten „sehr kontroverse Dinge“ getan, um dem Euro beizutreten. Dabei vermied er es zuzugestehen, dass es Griechenland vor Beitritt zum Euro in einem geheimen Deal mit Goldman Sachs gelang, das Haushaltsdefizit zu manipulieren.

Griechenland stand 2010 am Rand eines Staatsbankrotts. Mit zugesagten insgesamt 240 Milliarden Euro „Rettungsgeldern“ von den Eurostaaten und dem IWF konnte der griechische Staat vor der Pleite bewahrt werden. Deutschlands Anteile betragen 27,1 Prozent der über den EFSF und EFSM ausgereichten Haftungssummen. Angela Merkel damals vor der Abstimmung im Bundestag: „Scheitert der Euro, scheitert Europa“.

Darüber hinaus erhielt das Land über KfW-Kredite bisher bereits 22,3 Milliarden Euro (hier).

Die Begünstigten der großen „Rettungsschirme“ waren indessen ausländische Banken und Finanzanleger. Des Weiteren wurden 58 Milliarden Euro zur Stabilisierung der hellenischen Banken eingesetzt, anstatt den zu großen und maroden Sektor nachhaltig umzustrukturieren.

Zeitweise erhielten die Banken über die griechische Zentralbank auch ELA-Kredite („Emergency Liquidity Assistance“) von der EZB. Bei ELA-Krediten der EZB haftet rein formal der jeweilige Staat. Wenn dieser jedoch unter einem „Rettungsschirm“ steht, tragen ganz andere Länder beziehungsweise deren Steuerzahler das entsprechende Ausfallrisiko.

Derzeit versucht Griechenland zu erreichen, dass die Banken des Landes weniger Geld zur Absicherung fauler Kredite zurücklegen müssen. Dadurch frei werdende Gelder aus dem Banken-Rettungsschirm sollen genutzt werden, um das griechische Haushaltsloch zu stopfen (mehr hier).

Der IWF schätzt das Haushaltsloch für 2014 und 2015 auf rund elf Milliarden Euro. Die griechische Verschuldung beträgt derzeit 172 Prozent und gilt damit als die schwerste Hypothek des Landes.

Wolfgang Schäuble lehnt derzeit einen zweiten Schuldenschnitt nach Auslaufen der Rettungsmaßnahmen ab. Im Sommer 2013 rechnete er mit einem „dritten Hilfspaket“. Dies würde den Schuldenstand des Landes jedoch erneut erhöhen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...