Bei Zusammenstößen zwischen prorussischen und prowestlichen Demonstranten im ostukrainischen Donezk ist mindestens ein Mensch getötet worden. 15 weitere wurden am Donnerstag wegen diverser Verletzungen in einem Krankenhaus behandelt, wie die örtlichen Gesundheitsbehörden ferner mitteilten. Aktivisten zufolge starben zudem zwei weitere Demonstranten. Dies wurde aber zunächst nicht offiziell bestätigt. Es war der schwerste Gewaltausbruch in der Ukraine seit dem Umsturz in Kiew vor knapp drei Wochen, als binnen weniger Tage in der Hauptstadt etwa 100 Menschen getötet wurden.
Bei dem Todesopfer am Donnerstag handelte es sich laut Behördenangaben um einen 22-Jährigen, der an den Folgen einer Messerstichwunde gestorben sei. Er gehörte Aktivisten zufolge dem Lager der Demonstranten an, die eine Annäherung der Ukraine an die Europäische Union forderten. Diese waren im Zentrum des russischgeprägten Donezk auf dem Lenin-Platz mit Hunderten Sympathisanten von Russlands Präsident Wladimir Putin aneinandergeraten. Die Polizei versuchte nach Angaben von Journalisten vor Ort vergeblich, die beiden Gruppen auseinanderzuhalten. Es flogen demnach Rauchbomben und andere Wurfgeschosse. Erst am späten Abend beruhigte sich die Lage.
Donezk liegt unweit der Grenze zu Russland. Ukrainische Behördenvertreter haben der Regierung in Moskau vorgeworfen, prorussische Gruppen gezielt zu unterstützen. Russland hat sich nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch das Recht vorgehalten, militärisch im Osten der Ukraine und auf der Krim einzugreifen, sollte die überwiegend russischstämmige Bevölkerung dort in Gefahr gerate.
Die Übergangsregierung in Kiew tritt für eine engere Anbindung an den Westen ein. Ein dazu über Monate hinweg ausgehandeltes Abkommen mit der EU hatte Janukowitsch im vergangenen Jahr kurzfristig platzen lassen und damit die Massenproteste ausgelöst, die nach gut einem Vierteljahr letztendlich zu seiner Absetzung führten.
Allerdings fühlt sich ein großer Teil der Bevölkerung insbesondere im Osten und auf der Krim Russland deutlich näher als dem Westen. Die Lage in der Ukraine hat sich in den vergangenen Tagen auch deshalb zugespitzt, weil auf der Krim am Wochenende ein Referendum über die Zukunft der Halbinsel ansteht. Dabei geht es darum, ob sich die Krim abspalten und Teil Russlands werden soll. Westliche Staaten, darunter auch Deutschland, stufen das Referendum als illegal ein und drohen der Regierung in Moskau mit Sanktionen, sollte sie sich die Krim einverleiben. Der Chef der separatistischen Krim-Regionalregierung, Sergej Aksjonow, sagte in einem Reuters-Interview, mehr als 80 Prozent der Bevölkerung auf der Halbinsel befürworteten eine Eingliederung in die Russische Föderation.
Russland hat auf der Krim seine Schwarzmeerflotte stationiert und auf der Halbinsel de facto seit vergangener Woche die Kontrolle übernommen. Das Land verstärkte zudem seine Militärpräsenz an der ukrainischen Grenze. Die Armee begann am Donnerstag mit einer Reihe von Manövern mit 8500 Soldaten. Dabei kamen nach Angaben des Verteidigungsministeriums auch Artillerie und Raketenwerfer zum Einsatz.
Die Regierung in Kiew warf Russland vor, ein Aufklärungsflugzeug in der Nähe der Meeresenge beschossen zu haben, die das ukrainische Festland von der Krim trennt. Es sei der zweite derartige Beschuss innerhalb von fünf Tagen gewesen. Ob es Schäden an der Maschine gab, erklärt die Regierung nicht.
Die Ukraine-Krise belastet zunehmend die internationalen Finanzmärkte. Mit Spannung wird das an diesem Freitag angesetzte Treffen von US-Außenminister John Kerry und seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in London erwartet. Kerry sagte, er hoffe, dass doch noch eine Entspannung kurz vor dem Referendum am Sonntag gelinge. Sollte die Abstimmung jedoch dazu führen, dass die Krim durch Russland annektiert werde, würden die USA und die EU ernsthafte Schritte gegen Russland unternehmen.