Politik

Commerzbank droht Klage-Flut: Kunden müssen besser aufgeklärt werden

Die Commerzbank steuert auf eine höchstrichterliche Niederlage vor dem Bundesgerichtshof zu. Sie hatte versucht, sich über den Verweis auf den "gesunden Menschenverstand" vor einer Aufklärung bei Immobilienfonds zu drücken. Nun drohen zahlreiche Anlegerklagen, die den Steuerzahler interessieren müssen: Die Commerzbank musste in der Finanzkrise vom Staat gerettet werden.
29.04.2014 12:36
Lesezeit: 2 min

Der Commerzbank droht neues Ungemach: Neben den faulen Krediten, deren Gefährlichkeit von Analysten als beträchtlich eingestuft wird, könnte nun ein Urteil zu einer Klagewelle gegen die vom Steuerzahler gerettete Bank führen.

Der Bundesgerichtshof will die Aufklärungspflichten von Banken bei offenen Immobilienfonds offenbar ausweiten. Nach der mündlichen Verhandlung in zwei Anlegerschutz-Verfahren zeichnet sich vor dem obersten deutschen Berufungsgericht in Karlsruhe eine Niederlage für die Commerzbank ab. Richter Ulrich Wiechers deutete am Dienstag an, dass er ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt bestätigen werde. Das OLG hatte vor gut einem Jahr geurteilt, dass die Bank Schadenersatz zahlen muss, weil sie den Kunden nicht darüber aufgeklärt hat, dass offene Immobilienfonds die Rücknahme ihrer Anteile auch zeitweilig aussetzen können.

Dagegen war die Commerzbank in Revision gegangen. Wiechers gab ihr wenig Chancen: "Nach unserer vorläufigen Einschätzung könnte die Auffassung des OLG Frankfurt richtig sein." Das für den Nachmittag (14.00 Uhr) erwartete Urteil des 11. Zivilsenats dürfte für Signalwirkung zahlreiche weitere Anlegerklagen haben.

Der BGH entscheidet über zwei parallel gelagerte Verfahren. Darin verlangen die gegen die Commerzbank klagenden Anleger mehrere Tausend Euro Schadenersatz, weil sie beim Erwerb von Anteilen am offenen Immobilienfonds Morgan Stanley P2 Value 2008 angeblich fehlerhaft beraten worden seien. Die Fondsgesellschaft hatte in der Finanzkrise die Rücknahme der Anteile ausgesetzt. Es war der erste deutsche Immobilienfonds, der in der Krise vorübergehend geschlossen worden war, weil Anleger zu viel Geld daraus abgezogen hatten. Die Commerzbank-Kunden verkauften die Anteile mit Verlust über die Börse - und klagten gegen die Bank. Denn sie habe in den Beratungsgesprächen versäumt, sie auf das Risiko hinzuweisen, dass sie ihre Anteile zeitweise nicht zurückgeben könnten.

Der Anwalt der Commerzbank warnte in der Verhandlung davor, man dürfe "die Aufklärungspflichten einer Bank nicht ins Unendliche und damit maßlos übersteigern". Die Aussetzung der Anteilsrücknahme diene letztlich dem zusätzlichen Schutz für die Anleger. Jeder Anleger mit gesundem Menschenverstand habe sich dies ausrechnen können.

Die Vorinstanzen waren sich uneins gewesen: Das OLG Dresden hatte befunden, dass die Bank im Frühjahr 2008 noch nicht über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme hätte aufklären müssen. Schließlich sei so etwas zuvor überhaupt nur viermal vorgekommen - in den Jahren 2005 und 2006. Deshalb sei das Verlustrisiko damals eher "theoretischer Natur" gewesen. Das OLG Frankfurt hatte dagegen den Klägern Recht gegeben. Denn durch die Aussetzung werde der Grundsatz durchbrochen, dass Fondsgesellschaften zur Rücknahme der Anteile verpflichtet. Das sei ein "wesentlicher Umstand" für die Anlageentscheidung.

Die Commerzbank war wegen hoher Bonuszahlungen an das Management erst vor wenigen Wochen in die Schlagzeilen geraten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hitzestress am Arbeitsplatz: Mehr Krankmeldungen bei Extremtemperaturen
02.07.2025

Extreme Sommerhitze belastet nicht nur das Wohlbefinden, sondern wirkt sich zunehmend auf die Arbeitsfähigkeit aus. Bei Hitzewellen...

DWN
Politik
Politik Europa vor dem Zerfall? Ex-Premier Letta warnt vor fatalem Fehler der EU
02.07.2025

Europa droht, zum Museum zu verkommen – oder zum Spielball von Trump und China. Italiens Ex-Premier Letta rechnet ab und warnt vor dem...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...