Der Commerzbank droht neues Ungemach: Neben den faulen Krediten, deren Gefährlichkeit von Analysten als beträchtlich eingestuft wird, könnte nun ein Urteil zu einer Klagewelle gegen die vom Steuerzahler gerettete Bank führen.
Der Bundesgerichtshof will die Aufklärungspflichten von Banken bei offenen Immobilienfonds offenbar ausweiten. Nach der mündlichen Verhandlung in zwei Anlegerschutz-Verfahren zeichnet sich vor dem obersten deutschen Berufungsgericht in Karlsruhe eine Niederlage für die Commerzbank ab. Richter Ulrich Wiechers deutete am Dienstag an, dass er ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt bestätigen werde. Das OLG hatte vor gut einem Jahr geurteilt, dass die Bank Schadenersatz zahlen muss, weil sie den Kunden nicht darüber aufgeklärt hat, dass offene Immobilienfonds die Rücknahme ihrer Anteile auch zeitweilig aussetzen können.
Dagegen war die Commerzbank in Revision gegangen. Wiechers gab ihr wenig Chancen: "Nach unserer vorläufigen Einschätzung könnte die Auffassung des OLG Frankfurt richtig sein." Das für den Nachmittag (14.00 Uhr) erwartete Urteil des 11. Zivilsenats dürfte für Signalwirkung zahlreiche weitere Anlegerklagen haben.
Der BGH entscheidet über zwei parallel gelagerte Verfahren. Darin verlangen die gegen die Commerzbank klagenden Anleger mehrere Tausend Euro Schadenersatz, weil sie beim Erwerb von Anteilen am offenen Immobilienfonds Morgan Stanley P2 Value 2008 angeblich fehlerhaft beraten worden seien. Die Fondsgesellschaft hatte in der Finanzkrise die Rücknahme der Anteile ausgesetzt. Es war der erste deutsche Immobilienfonds, der in der Krise vorübergehend geschlossen worden war, weil Anleger zu viel Geld daraus abgezogen hatten. Die Commerzbank-Kunden verkauften die Anteile mit Verlust über die Börse - und klagten gegen die Bank. Denn sie habe in den Beratungsgesprächen versäumt, sie auf das Risiko hinzuweisen, dass sie ihre Anteile zeitweise nicht zurückgeben könnten.
Der Anwalt der Commerzbank warnte in der Verhandlung davor, man dürfe "die Aufklärungspflichten einer Bank nicht ins Unendliche und damit maßlos übersteigern". Die Aussetzung der Anteilsrücknahme diene letztlich dem zusätzlichen Schutz für die Anleger. Jeder Anleger mit gesundem Menschenverstand habe sich dies ausrechnen können.
Die Vorinstanzen waren sich uneins gewesen: Das OLG Dresden hatte befunden, dass die Bank im Frühjahr 2008 noch nicht über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme hätte aufklären müssen. Schließlich sei so etwas zuvor überhaupt nur viermal vorgekommen - in den Jahren 2005 und 2006. Deshalb sei das Verlustrisiko damals eher "theoretischer Natur" gewesen. Das OLG Frankfurt hatte dagegen den Klägern Recht gegeben. Denn durch die Aussetzung werde der Grundsatz durchbrochen, dass Fondsgesellschaften zur Rücknahme der Anteile verpflichtet. Das sei ein "wesentlicher Umstand" für die Anlageentscheidung.