Politik

Koalition will nach EU-Kritik Ökostrom-Gesetz noch retten

Die Bundesregierung versucht nach einer radikalen Entscheidung aus Brüssel die deutsche Ökostrom-Förderung zu retten. Die Änderungen der EU müssen bis Dienstagabend eingearbeitet sein, sonst drohen der Industrie Milliarden-Verluste. Die Opposition spricht von „Missachtung des Parlaments".
24.06.2014 11:17
Lesezeit: 1 min

Im Streit mit der EU will der Bundestag das neue Ökostrom-Gesetz auf der Zielgeraden noch retten. Am Dienstagmorgen traf sich der Energie- und Wirtschaftsausschuss zu Beratungen über die von der EU-Kommission geforderten Änderungen, die noch bis zum Abend in den Gesetzentwurf eingearbeitet werden sollen. Am Montagabend hatten sich bereits die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD im Kanzleramt bei Angela Merkel getroffen. Der Gesetzentwurf zum Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) muss von der EU-Kommission gebilligt werden, da sonst milliardenschwere Rabatte für die Industrie auf die Ökostrom-Umlage nicht mehr gewährt werden können. Deutschland steht unter Zeitdruck: Die EU verlangt laut Wirtschaftsministerium noch für Dienstag eine Vorlage (mehr dazu hier).

Die Opposition zeigte sich empört und beantragte eine Vertagung der Ausschuss-Sitzung. „Das ist ein unglaublicher Vorgang“, sagte Grünen-Vize-Fraktionschef Oliver Krischer. Eine echte Beratung sei so nicht möglich. Erst am Nachmittag wolle die Regierung rund 200 Seiten an Formulierungshilfen liefern. „So etwas habe ich noch nie erlebt, eine Missachtung des Parlaments“, sagte er. „Das Gesetz wird so vom Prestigeobjekt zur Bankrotterklärung der Regierung." Ein Vertagung wird es allerdings wohl nicht geben, die Opposition aus Grünen und Linken ist im Parlament deutlich in der Minderheit.

Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake hatte nach einem Treffen mit EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia neue Forderungen der Kommission mitgebracht. Im Kern geht es um vier Punkte: Drei davon scheinen lösbar, bedeuten aber wohl milliardenschwere Mehrbelastungen für die Industrie. In einem vierten Punkt sieht die Bundesregierung derzeit keine Einigungsmöglichkeit, da sonst die deutsche Ökostrom-Förderung über eine Umlage generell vor dem Aus stünde. So verlangt die EU einem Papier des Wirtschaftsministeriums zufolge, importierten Strom aus dem Ausland von der Umlage auszunehmen. Das sei bisher nicht der Fall gewesen und rechtlich nicht umsetzbar. Hier will es die Regierung auf einen Konflikt mit der EU ankommen lassen. In den Gesetzentwurf soll nach Angaben aus Koalitionskreisen aber ein Kompromiss-Signal an die EU gesendet werden.

Dass es überhaupt zu den neuen Auseinandersetzungen mit der EU gekommen ist, wurde auch in Regierungskreisen mit Verwunderung und Verärgerung aufgenommen. Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Monaten permanent mit Brüssel verhandelt, um das Ökostrom-Gesetz mit den Bedingungen der Kommission in Einklang zu bringen. Im April verkündete Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel einen Erfolg, woraufhin der Gesetzentwurf im Bundeskabinett beschlossen wurde.

Am Dienstagnachmittag beraten die Koalitionsfraktionen, bis sich am Abend der Ausschuss erneut trifft, um die letzten Änderungen abzusegnen. Am Freitag soll die Novelle des EEG im Bundestag beschlossen werden.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank: Deutsche Exportwirtschaft verliert deutlich an globaler Stärke
14.07.2025

Die deutsche Exportwirtschaft steht laut einer aktuellen Analyse der Bundesbank zunehmend unter Druck. Branchen wie Maschinenbau, Chemie...

DWN
Politik
Politik EU plant 18. Sanktionspaket gegen Russland: Ölpreisobergrenze im Visier
14.07.2025

Die EU verschärft den Druck auf Moskau – mit einer neuen Preisgrenze für russisches Öl. Doch wirkt die Maßnahme überhaupt? Und was...

DWN
Technologie
Technologie Datenschutzstreit um DeepSeek: Deutschland will China-KI aus App-Stores verbannen
14.07.2025

Die chinesische KI-App DeepSeek steht in Deutschland unter Druck. Wegen schwerwiegender Datenschutzbedenken fordert die...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 unter Druck – Sommerkrise nicht ausgeschlossen
14.07.2025

Donald Trump droht mit neuen Zöllen, Analysten warnen vor einer Sommerkrise – und die Prognosen für den S&P 500 könnten nicht...

DWN
Politik
Politik Wenn der Staat lahmt: Warum die Demokratie leidet
14.07.2025

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt eindringlich vor den Folgen staatlicher Handlungsunfähigkeit. Ob kaputte Brücken,...

DWN
Politik
Politik Fluchtgrund Gewalt: Neue Angriffe in Syrien verstärken Ruf nach Schutz
14.07.2025

Trotz Versprechen auf nationale Einheit eskaliert in Syrien erneut die Gewalt. Im Süden des Landes kommt es zu schweren Zusammenstößen...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut nach 45 Beitragsjahren: Jeder Vierte bekommt weniger als 1300 Euro Rente
14.07.2025

Auch wer sein Leben lang gearbeitet hat, kann oft nicht von seiner Rente leben. Dabei gibt es enorme regionale Unterschiede und ein starkes...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Immer montags krank? Jede zweite Führungskraft findet Blaumachen akzeptabel
14.07.2025

Gefährlicher Trend: Mitarbeiter fehlen jährlich durchschnittlich 21 Tage – an Montagen steigt die Zahl der Krankmeldungen um...