Technologie

Das Gras hat Gefühle: Pflanzen wollen nicht gefressen werden

Lesezeit: 2 min
17.07.2014 00:01
Pflanzen können spüren, wenn Raupen sich an ihnen zu schaffen machen. Die Fähigkeit dient zum Selbstschutz: Die Blätter sondern Bitterstoffe ab, die Insekten nicht schmecken.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Offenbar können Pflanzen kleine Insekten wahrnehmen. Sobald beispielsweise eine Raupe über das Blatt kriecht, spürt das die Pflanze. Wenn die Raupe in das Blatt hineinbeißt, merkt die Pflanze das auch. Die Forscher haben das mit Schwingungen versucht nachzubilden. Das geht aus einer Studie der University of Missouri hervor. Doch es wurde bisher erst eine Pflanzenart daraufhin untersucht.

Dabei wurde untersucht, welche Frequenz das Beißen verursacht. Diese Schwingung haben die Wissenschaftler den Pflanzen vorgespielt. Das Ergebnis: Das Acker-Schmalwand – auch bekannt als Schotenkresse oder Gänserauke – reagiert auf die Frequenz und sondert Chemikalien ab zur Abwehr.

Bisherige Untersuchen haben gezeigt, dass unterschiedliche Pflanzen sehr viel aus ihrer Umgebung mitbekommen. So können sie auf Wind, Berührung und akustische Signale reagieren. Daher kommt auch die kreativ abgeleitete Theorie, das man mit allen Pflanzenarten reden, oder ihnen sogar Musik vorspielen soll. Doch noch ist längst nicht bewiesen, ob sich wirklich jede Zimmerpflanze über romantische Lieder und tiefgründige Gespräche freut.

Vielmehr geht es aber darum, worauf Pflanzen hören. So wie Hund, der im Garten liegt und alle möglichen Geräusche aus der Umwelt wahrnimmt. Er hört viel, doch das meiste interessiert ihn nicht und wird ausgefiltert. Hört er dagegen einen anderen Hund oder das Rascheln der Futterpackung, reagiert er sofort. Ähnlich ist es bei Pflanzen. Sie achten dabei auf Insekten, die Blätter fressen.

Das hat die Untersuchung nämlich ebenfalls ergeben: Andere Insekten werden von Pflanzen auch wahrgenommen. Aber nur wenn das Geräusch von beißenden Insekten auftritt, springt der Abwehrmechanismus der Pflanzen an. Sie können also eindeutig unterscheiden und deshalb werden alle anderen Geräusche ausgefiltert.

Das Acker-Schmalwand mit dem lateinischen Namen Arabidopsis thaliana ist demnach sehr empfindlich, wenn es um Vibrationen geht. Wichtig ist hierbei auch zu erwähnen, dass es bisher nur dahingehende Forschungen an dieser Pflanze gibt. Alle Pflanzenarten über einen Kamm scheren fällt damit erst einmal flach.

Untersucht wurden insbesondere Glucosinolate, die auch als Senfölglycoside bekannt sind. Diese Art der Glycoside sind unter anderem bei Pflanzen dafür zuständig, dass Senf scharf schmeckt. Außerdem können sie Wirkstoffe enthalten, die gegen Krebs helfen. Aber auch Anthocyane wurden unter die Lupe genommen. Diese pflanzlichen Farbstoffe sorgen zum Beispiel beim Wein für dessen Farbe und bei Schokolade für einige deren gesunden Effekte im Körper.

Interessant war bei diesen Bestandteilen zu sehen, wie der Abwehrmechanismus funktioniert. Erhöht die Pflanze die Konzentration von Senfölglycoside und Anthocyane – so verliert die Raupe den Appetit. Scheinbar verändert das Kraut dadurch seinen Geschmack und kann sich so vor Insekten schützen.

Pflanzen sind dabei sogar lernfähig. Auch das hat die Studie bewiesen. Im Labor wurden verschiedene Gruppen von Schotenkresse getrennt untersucht. Eine Gruppe wurde sehr häufig den Vibrationen von fressenden Insekten ausgesetzt. Die Kontrollgruppe dagegen überhaupt nicht. Dann wurde ein neuer Versuch gestartet und beiden Gruppen die Geräusche von beißenden Raupen vorgespielt. Als Resultat erzeugten beiden Gruppen das Sekret zur Abwehr. Die Gruppe, die dem Geräusch häufig ausgesetzt war, produzierte aber deutlich mehr Abwehrstoffe, als die bisher geschonte Kontrollgruppe.

Das Acker-Schmalwand passt sich also seiner Umgebung an. Gibt es viele Pflanzenfresser, reagiert der Abwehrmechanismus stärker. Gibt es dagegen nur viel Wind oder Insekten die nicht am Kraut fressen, bleibt die Gänserauke scheinbar entspannt und reagiert zumindest nicht auf diese Umwelteinflüsse.

Jeder Hobbygärtner wird jetzt bestimmt schon das Gras wachsen hören, in der Hoffnung, dass es bald auch Gemüse mit dieser Funktion gibt. Schließlich wäre es praktisch, wenn die eigene Ernte nicht mit Chemikalien vor Pflanzenfressern geschützt werden müsste. Allerdings ist dann wiederum fraglich, welchen Geschmack die Lebensmittel dann haben werden, wenn ihnen beigebracht wird, wie sie ihre Zusammensetzung bei Gefahr verändern können.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Tiefpunkt der Brandenburger Politik: Ministerin entlassen - Minister tritt zurück
23.11.2024

Machtprobe im Streit um die Klinikreform: Regierungschef Dietmar Woidke entlässt in der Bundesratssitzung die grüne Gesundheitsministerin...

DWN
Politik
Politik Rocketman: Putin kündigt Serienproduktion neuer Mittelstreckenwaffe an
23.11.2024

Der Westen verurteilt den Einsatz der neuen russischen Mittelstreckenrakete gegen die Ukraine als neuerliche Eskalation - Moskau feiert...

DWN
Politik
Politik Rentenversicherung vor Engpässen: DRV fordert Maßnahmen zur Stabilisierung
23.11.2024

Die Deutsche Rentenversicherung warnt vor einer möglichen Finanzierungslücke bis 2027. Trotz stabiler Einnahmen erfordert die Rentenkasse...

DWN
Politik
Politik Streit ums liebe Geld: UN-Klimagipfel geht in die Verlängerung
22.11.2024

Milliarden für den Klimaschutz – doch wie weit sind die Staaten wirklich bereit zu gehen? Auf der UN-Klimakonferenz in Baku entbrannte...

DWN
Politik
Politik Netanjahu Haftbefehl: Deutschland und die rechtliche Zwickmühle
22.11.2024

Der Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu erschüttert die internationale Bühne. Deutschland sieht sich in einem schwierigen Spagat:...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch kürzt 5.550 Stellen - 3.800 davon in Deutschland
22.11.2024

Bosch steht vor massiven Einschnitten: Bis zu 5.550 Stellen sollen wegfallen, davon allein 3.800 in Deutschland. Die Krise in der...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis-Prognose 2025: Nach Kurskorrektur steigt der Goldpreis aktuell - wohin geht die Reise?
22.11.2024

Der Goldpreis steht derzeit im Fokus von Anlegern und Edelmetallexperten. Gerade in unsicheren Zeiten wollen viele Investoren Gold kaufen,...

DWN
Politik
Politik Iranisches Atomprogramm: Teheran will mehr Uran anreichern
22.11.2024

Droht der Iran dem Westen mit neuen Atomwaffen? Die IAEA warnt, Teheran wehrt sich – und eskaliert die Urananreicherung. Jetzt könnten...