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Staatspleite: Argentinien verliert Kampf gegen „Geier-Fonds“

Der Pleitestaat Argentinien könnte seine Schulden in Höhe von 1,3 Milliarden US-Dollar an den Hedgefonds Elliott Management von US-Unternehmer Paul Singer begleichen. Doch sollten die restlichen Gläubiger ebenfalls auf all ihren Forderungen beharren, würde Buenos Aires vor der Ausweglosigkeit stehen. Diese hatten zuvor einem Schuldenschnitt ihre Zustimmung gegeben, die sie wieder zurückziehen könnten.
01.08.2014 02:06
Lesezeit: 4 min

Nun ist es amtlich. Argentinien ist offiziell für zahlungsunfähig erklärt worden. Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat das Land auf den Status partial default, also insolvent herabgestuft.

Ein letzter Versuch noch eine Einigung herbeizuführen ist in der letzten Nacht gescheitert. Anzumerken ist, dass Argentinien eigentlich nicht zahlungsunfähig ist, sondern zahlungsunwillig.

Das von sogenannten „Geier-Fonds“ im Zuge eines jahrelangen Rechtsstreits erfochtene Urteil vor dem US Supreme Court, das Argentinien zur Zahlung von 1,3 Milliarden US-Dollar an die Kläger verurteilte, wäre ja letztendlich von Argentinien zu stemmen (mehr hier).

Allerdings bereitet eine juristische Klausel aus dem vorangegangenen Schuldenschnitt mit den übrigen Gläubigern ein Problem, die Argentinien nicht stemmen könnte. Wenn Argentinien die „Geier-Fonds“ bezahlte, dann könnten die anderen Gläubiger, die zuvor einen Schuldenschnitt zugestimmt hatten, plötzlich ebenfalls auf volle Zahlung der Staatsschulden bestehen. Das wäre dann allerdings von Argentinien nicht mehr zu stemmen.

Eine juristische Falle, die man damals wohl seitens einiger Gläubiger bzw. deren Vertreter bewusst gestellt hatte. Denn durch den damaligen Schuldenschnitt im Jahr 2005 erhielten ja die Gläubiger, die dem Schuldenschnitt zugestimmt hatten, wenigstens sofort eine sichere Zahlung seitens Argentiniens. Durch die juristische Klausel hielt man sich jedoch die Tür offen für spätere Nachforderungen für den Fall, dass die Kläger, die dem Schuldenschnitt damals ihre Zustimmung verweigerten Erfolg haben, man als Trittbrettfahrer dann ebenfalls die volle Summe von Argentinien einfordern könnte. Dieser GAU ist nun aufgrund des jetzt ergangenen Urteils eingetreten. Mithin hat der 83-jährige Richter, der zugunsten der „Geier-Fonds“ geurteilt hat, das Schicksal Argentiniens besiegelt.

Nun gibt es in der Finanzwelt Hedgefonds, eigentlich erneut ein Euphemismus, die sich als Vertreter für Klagen auf solche hochriskante Prozesse spezialisiert haben. Sie kaufen die Forderungen von den ursprünglichen Gläubigern im großen Stil zu extrem niedrigen Kosten auf und versuchen danach mit allen juristischen Tricks entweder einen Vergleich oder eben wie jetzt ein vollständiges Urteil gegen die Schuldner zu erwirken. Haben sie damit am Ende Erfolg, dann winken extrem hohe Gewinne. Eigentlich hedgen, engl. absichern, diese Fonds keine Risiken, sondern sie Zocken auf extrem hohe Gewinne bei hohen Risiken. Ihr komparativer Vorteil ist, dass sie über hochspezialisierte Juristen-Teams verfügen, die auf solche Prozessführungen gegen zahlungsunwillige Schuldner spezialisiert sind.

Was ein normaler Gläubiger kaum im Wege einer millionenschweren langandauernden Klage erstreiten könnte, gelingt ihnen von Zeit zu Zeit. Das ist nun bei Argentinien der Fall und jetzt lockt die Beute einer entsprechend hohen Zahlung von 1,3 Milliarden US-Dollar. Selbst wenn man für diesen Prozess beispielsweise 100 Millionen US-Dollar an Anwaltskosten etc. hätte investieren müssen, dann wäre dies ein exorbitanter Gewinn.

Moralisch gerechtfertigt wird dies analog zu den Geiern, dass man auf den Finanzmärkten bei säumigen Schuldnern die Forderungen der Gläubiger dann doch gegen deren massiven Widerstand durchsetzt. Dies schafft dann Marktdisziplin.

In diesem Fall heißt die juristische Zockerbude Elliott Management, meldet die FAZ. Geleitet wird sie von Paul Singer einem der Top-400 reichsten US-Amerikaner, der bestens mit dem US-Establishment vernetzt ist.

Wem nutzt es? Offenbar Elliott Management, wenn es das Urteil auch zur Vollstreckung bringen kann. Dazu muss die Weltgemeinschaft insbesondere durch die internationalen Finanzmärkten die erforderliche Unterstützung gewähren. Ansonsten wäre es nur ein Stück wertloses Papier, da ja der „Geier-Fond“ selbst außerstande ist, die Vollstreckung des Urteils durchzusetzen. Dass die Zahl der willigen Unterstützer außerhalb der USA nicht allzu groß sein dürfte, ist einsichtig. Warum sollte man die USA bei der Vollstreckung solcher Strafzahlungen unterstützen zumal zahlreichen hochverschuldete Ländern durchaus ein ähnliches Schicksal drohen könnte. Es geht ja auch um die moralische Frage, ob ein superreicher „Geier-Fonds“ ein armes Land wie Argentinien in den Ruin treiben darf.

Die Mercosur-Staaten haben sich bereits hinter Argentinien gestellt. Mithin wird die Kluft zwischen den USA als Hegemon und den lateinamerikanischen Staaten zwangsläufig größer. Gleichzeitig ist China als weißer Ritter gemeinsam mit Russland aufgetreten und bietet großzügig Argentinien und zahlreichen anderen lateinamerikanischen Ländern Finanzhilfen und Entwicklungszusammenarbeit an, berichtet Deutsche Bank Research. Hinzu kommt die Gründung einer New Development Bank (NDB) der BRICS-Staaten, die sich als Konkurrenz zur Weltbank um die Finanzierung von Entwicklungsprojekten engagieren soll, berichtet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Inwieweit dieses hochgesteckte Ziel am Ende erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten (mehr hier).

Trotzdem machen sich China und Russland mit einem rasanten Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen in Lateinamerika für die USA gefährlich breit (mehr hier). Was einst der Hinterhof der USA war, könnte leicht zu einem Partner der neuen Allianz China-Russland gegen die G7 werden. Die USA sind derzeit dabei mit ihrer rüden Politik – wie jetzt auch der juristisch inszenierten Staatspleite Argentiniens – keine Freunde in der Welt zu machen.

Mithin könnte der „Geier-Fond“ von Herrn Singer, ungewollt als Kollateralschaden seiner Strategie vor US Gerichten, die Außenpolitik der USA und deren Ansehen in der Welt massiv geschadet haben. Es wäre ein weiterer Pyrrhus-Sieg für die Obama-Administration deren Außenpolitik ja wenige Erfolge vorzuweisen hat. Mit seinen drakonischen Strafzahlungen gegenüber europäischen Banken, wie zuletzt BNP Parisbas, hat man ja auch in Europa die Verhältnisse zerrüttet, berichtet das Handelsblatt.

Mit dem massiven Druck auf die EU - immer schärfere Sanktionen gegen Russland zu beschließen - schafft man auch immer größere Spannungen zu den bisher loyalen Verbündeten. Auch wenn es an der Oberfläche derzeit vor Solidaritätsbekundungen der Staats- und Regierungschef in der Öffentlichkeit nur so klappert , unter der Decke brodelt es. Es gibt eine stille Wut in Europa, die insbesondere auch durch den NSA-Skandal, die Lehmann-Pleite und zahlreiche andere Eskapaden der USA, einen wachsenden Spalt zwischen die transatlantischen Beziehungen treibt.

Man kann den Fall Argentinien auch als Muster für mögliche Klagen im Rahmen der Investitionsschutzabkommen im Rahmen von CETA und TTIP ansehen.

Das Vertrauen in die USA ist jedenfalls derzeit schwer gestört. Das trägt maßgeblich zur globalen Fragilität bei, da bereits China und Russland sich klar gegen die USA als Hegemon der Welt stellen.

Wir gehen jedenfalls äußerst turbulenten Zeiten entgegen. Ohne eine internationale Insolvenzordnung für Staatspleiten wird es auch in Zukunft Staatspleiten wie in Argentinien geben. Die Kosten werden immer die Steuerzahler tragen müssen.

 

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