Politik

Panik in London: Parteichefs sagen Termine ab und rasen nach Schottland

Lesezeit: 2 min
10.09.2014 16:12
Die Führer der großen englischen Parteien haben am Montag überraschend alle Termin abgesagt und sind nach Schottland geflogen: Am Wochenende waren Umfragen bekannt geworden, dass die Stimmung in Schottland kippt. Die reale Möglichkeit der Abspaltung hat die englischen Politiker aufgescheucht. Nachdem sie sich monatelang über das Referendum lustig gemacht hatten, stehen ihnen nun offenkundig der Angstschweiß auf der Stirn.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

David Cameron würde es „das Herz brechen“, wenn sich Schottland für die Unabhängigkeit von Großbritannien entscheidet. Daher reiste er gemeinsam mit den beiden Parteichefs Ed Miliband und Nick Clegg nach Edinburgh, um die „Familie der Nationen“ zusammenzuhalten. Miliband rief sogar alle Briten dazu auf, aus Solidarität die schottischen Flaggen zu hissen.

Großbritanniens Premier David Cameron hat gut eine Woche vor dem Referendum über Schottlands Unabhängigkeit emotional für den Zusammenhalt des Vereinigten Königreichs geworben. Dieses sei eine „Familie von Nationen“, zu der die „starke und stolze Nation“ der Schotten seit 300 Jahren freiwillig gehöre, sagte er am Mittwoch in Edinburgh. „Mir würde das Herz brechen, wenn diese Familie von Nationen, die wir aufgebaut haben, zerrissen würde“.

Die Furcht vor einem „Ja“ der Schotten zur Unabhängigkeit führt in London zu ungewöhnlichen Bündnissen: Der konservative Premierminister David Cameron kündigte am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung mit den Parteichefs von Labour und den Liberal-Demokraten eine Wahlkampftour in den Norden Großbritanniens an. Man sei bei vielen Dingen verschiedener Meinung, hieß es in der Erklärung. „Aber an eine Sache glauben wir leidenschaftlich: Es ist besser, wenn das Vereinigte Königreich zusammenbleibt.“

Cameron hatte sich bislang aus der Debatte über eine Loslösung Schottlands nach mehr als 300 Jahren weitgehend herausgehalten. Dahinter steht die Befürchtung, dass seine Herkunft aus der englischen Oberschicht und seine konservativen politischen Ansichten bei den allgemein stärker linksgerichteten Schotten nicht gut ankommen würden. Allerdings hat das „Nein“-Lager in den vergangenen Wochen deutlich an Boden verloren. Einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage von TNS zufolge liegen Befürworter und Gegner einer Unabhängigkeit inzwischen Kopf-an-Kopf. Laut Experten haben sich in den letzten Tagen vor der Abstimmung am 18. September insbesondere immer mehr Frauen für eine Abspaltung entschieden.

Die Regierung hat betont, dass sie weiter auf ein geeintes Königreich setzt und keine Vorbereitungen für eine schottische Unabhängigkeit trifft. Die Finanzaufsicht FCA dagegen hält nach eigenen Angaben einen Plan B bereit. „Wir haben dafür grundsätzlich Vorkehrungen getroffen“, sagte FCA-Chef John Griffith-Jones vor einem Parlamentsausschuss. Bankeninsidern zufolge prüft die Großbank Lloyds eine Verlegung des Konzernsitzes, falls die Schotten für die Unabhängigkeit stimmen. Lloyds habe wie die Royal Bank of Scotland (RBS) schon mit der britischen Notenbank Beratungen aufgenommen. Sowohl Lloyds als auch RBS wurden in der Finanzkrise mit Steuer-Milliarden gerettet.

Notenbankchef Mark Carney selbst erklärte auf einer Gewerkschaftskonferenz, eine Währungsunion sei nach einer Unabhängigkeit Schottlands nicht denkbar. Er verwies darauf, dass alle drei Parteien im Parlament dagegen seien. „Insgesamt ist eine Souveränität nicht vereinbar mit einer Währungsunion.“ Die schottischen Nationalisten haben erklärt, am Pfund festhalten zu wollen.

Miliband rief die Menschen in ganz Großbritannien auf, ihre Verbundenheit mit Schottland zu zeigen und die schottische Fahne - ein weißes Andreaskreuz auf blauem Grund - zu hissen. In einer Erklärung hieß es, die Städte und Dörfer im Vereinigten Königreich sollten so eine Botschaft in den Norden senden: „Bleibt bei uns.“


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Der Chefredakteur kommentiert: Kleiner Blackout - kein neuer Strom mehr in Oranienburg! Echt jetzt?
19.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Städtereisen neu entdeckt: Easyjet läutet Renaissance der Rollkoffer ein
19.04.2024

Vor genau 20 Jahren eroberte Easyjet mit seinen günstigen Flügen das Festland der EU. Der Start in Berlin-Schönefeld begann...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft G7-Außenministertreffen: Israel-Iran Konflikt überschattet Agenda
19.04.2024

Nach israelischem Angriff auf Iran: G7-Außenministertreffen auf Capri ändert Agenda. Diskussionen zu China und Cyber-Sicherheit werden...

DWN
Politik
Politik Forsa-Zahlen: Die Grünen unterliegen den Fliehkräften der Abwärtsspirale
19.04.2024

Und schon wieder eine Etage tiefer. Der Sog verstärkt sich und zieht die Partei Bündnis 90/Grüne immer weiter hinab in der Wählergunst....

DWN
Technologie
Technologie Sehnsuchtsort Mond – Wettlauf um Macht und Rohstoffe
19.04.2024

Forscher, Technologiefirmen und ganze Staaten streben nach neuen galaktischen Ufern. Der Mond lockt mit wertvollen Rohstoffen und dient...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: So ist die Lage
19.04.2024

Nach neuen Angriffen: USA und NATO erhöhen Unterstützung für Ukraine, während Russland seinen Machtanspruch verstärkt.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Exportbeschränkungen: Deutsche Ausfuhren in den Iran gestiegen
19.04.2024

Deutsche Exporte in den Iran trotzen geopolitischen Spannungen: Anstieg trotz EU- und US-Sanktionen. Welche Kritikpunkte gibt es in diesem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
19.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...