Technologie

Forscher stellen Kälterekord mit Blei aus Schiffswrack auf

Italienische Wissenschaftler haben einen neuen absoluten Kälterekord aufgestellt. Sie kühlten einen 400 Kilogramm schweren Kupferblock auf minus 273,144 Grad Celsius herunter. Bisher wurden diese Temperaturen nur für wenige Atome große Objekte erreicht. Für den Rekord verwendeten die Forscher Blei aus einer gesunkenen römischen Galeere.
14.04.2015 11:38
Lesezeit: 2 min

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Wissenschaftlern des Cryogenic Underground Observatory for Rare Events (CUORE) in Italien gelang es einen 400kg schweren Kupferblock auf -273,144 °C abzukühlen und stellte so einen Kälterekord für Objekte dieser Größe auf. 15 Tage lang wurde das Kupfer mit Hilfe der Wissenschaftler so kalt gehalten und zur Forschung genutzt.

Der absolute Nullpunkt liegt bei -273,15°C bzw. Null Kelvin (K). Darunter geht es nicht, weil Temperatur das Maß für die Vibration der Atome eines Objekts ist. Bei Null Kelvin bewegen sich die Atome überhaupt nicht mehr. Dem dritten Hauptsatz der Thermodynamik entsprechend kann kein Objekt bis zum absoluten Nullpunkt abgekühlt werden. Allerdings versuchen Wissenschaftler in aller Welt aus verschiedenen Gründen Objekte auf sehr geringe Temperaturen – wenige Bruchteile eines Kelvins – herunterzukühlen.

In Italien gelang es den Forschern des CUORE 2014 einen Block aus Kupfer 15 Tage lang bei 0,006K zu halten, berichtet IFLScience. Üblicherweise werden Kälterekorde im Bereich von Bruchteilen eines Kelvins nur mit einer geringen Anzahl an Atomen aufgestellt – der Kupferblock des CUORE hatte dagegen eine Masse von 400kg. Für Objekte in solchen Maßstäben wurden nie zuvor so geringe Temperaturen erreicht - der Aufwand ist riesig.

Die geringste erreichte Temperatur beträgt weniger als ein Milliardstel eines Kelvins, kurz 100pK. Verwendet wurde dabei ein kleines Stück Rhodium, bestehend aus einer geringen Anzahl an Atomen – lediglich wenige Milliarden. 1997 gewann das Forscherteam, das hinter dieser Arbeit steckte, den Physiknobelpreis. Es ermöglichte auch die Entdeckung des Bose-Einstein-Kondensats, für die vier Jahre später der Physiknobelpreis verliehen wurde.

So niedrige Temperaturen erreicht man nicht mit einem herkömmlichen Kühlschrank. Für den Weltrekord wurde zumindest ein ähnliches Prinzip namens Evaporation verwendet, um die Atome auf 0,003K zu kühlen. Der Rest des Weges wird üblicherweise mit Lasern bestritten, die den Vibrationen entgegenwirken können und die Atome so nahezu zum Stillstand abbremsen.

Das CUORE verfügt über ein Kühlgerät, das laut Aussage der Forscher einzigartig sei. Nicht nur die Größe, die extremen Temperaturen und die Kühlkraft seien kaum vergleichbar. Die verwendeten Materialien und Technik sollen Garanten für sehr geringe Mengen an Radioaktivität sein. Deshalb wird versucht die Grundstrahlung möglichst vollständig abzuhalten.

Diese ist bei sehr geringen Temperaturen nämlich unerwünscht, da bei radioaktivem Zerfall auch Wärme entsteht. Ein weiterer Grund, weshalb äußere Strahlung verhindert wird, damit eine möglichst niedrige Lautstärke im Block gehalten werden kann, um die Prozesse im Inneren beobachten zu können.

Um diese geringen Mengen an Fremdstrahlung von der Probe fernzuhalten wird Blei genutzt. Allerdings strahlt auch Blei, weil es nicht rein ist und radioaktive Atomkerne enthalten sind. Nach einiger Zeit verringert sich die Eigenstrahlung, da die radioaktiven Atome zerfallen. Die Halbwertszeit, also die Zeit, in der die Hälfte der Atome eines radioaktiven Stoffs zerfallen, beträgt allerdings häufig einige hundert Jahre. Es ist sinnvoll Metall zu verwenden, das bereits vor möglichst langer Zeit aus dem Boden geholt wurde.

Im Falle des CUORE wurde Blei aus einer gesunkenen römischen Galeere verwendet, berichtet das Fachblatt Nature. Wäre das Schiff nicht gesunken, hätten die Römer das Metall für Münzen, Wasserrohre oder als Schleudermunition verwendet. Im CUORE wird das Blei als Abschirmung im Kryostat (Kühlgerät) verwendet.

Die Forschungsgelder wurden allerdings nicht einfach verschwendet, nur um einen Rekord aufzustellen. Tatsächlich wird CUORE verwendet um spezielle Formen von Radioaktivität zu entdecken. Darunter befindet sich der bisher nicht festgestellte Prozess des sogenannten neutrinolosen doppelten Betazerfalls. Bisher wurden nur Zerfälle nachgewiesen, bei denen zwei Nukleonen in einem Atomkern zerfallen sind.

Ein Kernzerfall kann durch die geringe Temperaturerhöhung des Blocks erkannt werden. Gemessen wird das von rund 1000 sogenannten Tellurdioxid-Kristallen. Solch ein Kristall ist ein elektrischer Widerstand, der sich mit der Temperatur verändert. Auf diese Wiese ist es möglich sehr geringe Temperaturen und Wärmeänderungen sichtbar zu machen.

Die geringste - natürlich auftretende - Temperatur beträgt übrigens 1K im Bumerangnebel. Die durchschnittliche Temperatur des Universums liegt immerhin bei 2,725K. Diese Temperatur wurde jedoch nicht mit einem konventionellen Thermometer – oder wie im CUORE mit Tellurdioxid-Kristallen ermittelt – sondern mithilfe der Hintergrundstrahlung. Es stellte sich heraus, dass die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung genau solch einer Strahlung entspricht, die ein Objekt mit einer Temperatur von 2,725K ausstrahlt.

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