Politik

USA erhöhen den Druck auf Merkel, fordern Ende des Laien-Spiels

Lesezeit: 3 min
09.07.2015 01:54
Die US-Regierung ist zunehmend ungehalten über das Chaos in der EU. In ungewohnt deutlicher Weise hat US-Finanzminister Jack Lew seinem Unmut Ausdruck verliehen. Er hält die EU offenkundig für eine Dilettanten-Truppe. Man kann ihm kaum widersprechen.
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US-Finanzminister Jack Lew hat sich äußerst ungehalten über das anhaltende Chaos in der EU geäußert: Bei einer Veranstaltung der Brookings Institution in Washington warf Lew der EU ein dilettantisches Verhalten bei den Verhandlungen mit Griechenland vor: „Keiner von uns, der schon einmal Budget-Verhandlungen geführt hat und an fiskalpolitischen Diskussionen teilgenommen hat, würde hunderte Milliarde Dollar riskieren, nur weil es eine Lücke von ein paar Milliarden Dollar gibt.“ Lew sagte, dass die Greichenland-Krise völlig unnötig sei. Zwar sieht er keine „unmittelbare Bedrohung“, glaubt aber, dass ein Crash in Griechenland „einen wirtschaftlichen Schaden von hunderten Milliarden Dollar verursachen“ würde. Er wisse definitiv, wie man das Problem lösen könne und ärgerte sich, dass man nun in einer sehr kurzen Zeit zu einer Lösung kommen muss. Die „Gefahr eines Unfalls steigt dramatisch, wenn man immer wieder diese Deadlines auf Leben und Tod setzt“.

Lew sieht die Lösung eindeutig in einem Schuldenschnitt – und attackiert damit Angela Merkel direkt. Merkel hatte in der Nacht nach dem Gipfel noch einmal gesagt, es werde „keinen Haircut“ geben. Lew ist der Auffassung, dass die Euro-Retter dafür sorgen müssten, „die Schulden in Europa zu restrukturieren, um sie tragfähig zu machen“. Er forderte die Europäer auf, den Schuldenberg von 317 Milliarden Dollar zu restrukturieren.

Lew sagte, ein Crash in Griechenland sei ein Risiko, das weder die europäische noch die globale Wirtschaft gebrauchen könnten: „Ich glaube, das wäre ein geopolitischer Fehler.“

Die Amerikaner haben in der Tat seit Monaten gesagt, dass die EU Griechenland nicht fallen lassen dürfe. Diese Haltung ist zum einen der geopolitischen Bedeutung Griechenlands als Vorposten der Nato an der Südflanke geschuldet.

Tatsächlich haben die Amerikaner die Finanzkrise 2008 viel entschiedener bekämpft als die Europäer: Banken wurden verstaatlicht und rekapitalisiert. Zugleich hat die US-Regierung dafür gesorgt, dass die großen Banken nach dem Lehman-Crash nicht in die Liquiditätsfalle tappen. Genau das geschieht aktuell in Griechenland: Die EZB versorgt die Banken zwar mit ELA-Notkrediten, aber die Höhe reicht nicht aus, um eine Banken-Panik zu verhindern. Schon jetzt gibt es zahlreiche Firmenpleiten, weil die Unternehmen die notwendigen Kredite nicht bekommen. Die Folgen sind fatal: Es ist viel schwerer, eine Wirtschaft nach einem Banken-Crash wieder aufzubauen als einen Zusammenbruch rechtzeitig zu verhindern. Beobachter erwarten, dass der Schaden schon jetzt nicht mehr abzuwenden sei: Sie erwarten den Zusammenbruch von mehreren Banken, auch wenn es noch zu einer politischen Einigung kommt.

Vor allem aber haben die Amerikaner – gegen die man sonst alles Mögliche einwenden kann, eine andere Haltung in Krisen-Situationen: In solchen pflegen sie rasch und unideologisch zu handeln. Sie setzen dann klare Prioritäten und verzetteln sich, wenn es wirklich gefährlich ist, nicht im parteipolitischen oder gar von Ressentiments getragenen Kleinkrieg.

Genau dies geschieht jetzt in der EU: Man reitet auf Prinzipien herum, obwohl Gefahr im Verzug ist. Die Einhaltung der Prinzipien hätten die Euro-Retter schon viel früher sicherstellen können und müssen. Die verschachtelten EU-Strukturen führen jedoch dazu, dass sich jeder vor der Verantwortung drückt. Besonders Angela Merkel hat in dieser Krise eine denkbar unglückliche Rolle gespielt: Sie hat sich blind auf ihre Berater verlassen, um am Ende eine falsche Entscheidung zu vermeiden. Sie hat jedoch übersehen, dass die Berater – insbesondere die Troika – untereinander zerstritten waren und unterschiedliche Interessen verfolgten.

Merkels größte Angst besteht allerdings vor dem Moment, an dem sie den deutschen Steuerzahlern sagen muss, dass all ihre Versicherungen, Griechenland sei auf gutem Weg und die deutschen Steuergelder sind sicher, nicht halten.

Die Amerikaner unterscheiden sich aber noch in einem anderen Punkt von der EU: Sie sind eine Nation, die in einer Krise innerhalb von wenigen Stunden definieren kann, was ein nationales Interesse ist. Die Euro-Zone besteht aus 19 Staaten. Und weil das offenbar noch nicht kompliziert genug ist, ruft die EU nun alle 28 Mitgliedsstaaten zu einem Gipfel zusammen, um sich zu einigen. Es liegt auf der Hand, dass eine ohnehin schon komplexe Situation dadurch noch unübersichtlicher wird.

Der historische Fehler von Merkel und Schäuble liegt darin, dass sie die Gefahr einer Banken-Panik unterschätzen. Diese kann eine Wirtschaft innerhalb kürzester Zeit zerstören. Die Ansteckungsfolgen sind unabsehbar und können nicht mehr beherrscht werden.

Zugleich sind die Euro-Retter trotz aller Einheits-Rhetorik nationale Egoisten geblieben. Lew hat messerscharf erkannt, dass der griechische Premier Alexis Tsipras seinen Wählern einen weiteren Austeritätskurs nicht verkaufen kann, wenn er nicht im Gegenzug einen Schuldenschnitt als Erfolg vermeldet.

Derart pragmatisches Denken ist jedoch Merkel und Schäuble fremd. Sie wollen recht behalten. Und sei es, dass sie am Ende sagen können: Wir haben es Euch ja immer gesagt! Weil ihr nicht das getan habt, was wir Euch gesagt haben, sind wir gemeinsam in den Abgrund gestürzt. Ätsch! Man könnte es auch Todestrieb nennen.


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