Aus einem als „vertraulich“ eingestuften Papier des Bundesnachrichtendienstes (BND) an das Bundesamt für Verfassungsschutz geht hervor, dass der deutsch-französische Rüstungskonzern EADS (heute Airbus Group) Opfer eines US-Cyberangriffs wurde. Wie die „Bild am Sonntag“ (BamS) unter BErufung auf das Dokument berichtet, haben Hacker am 2. November 2011 ein Spionage-Programm auf den Computern des Unternehmens installiert. Der Verfassungsschutz informierte daraufhin den Konzern mit Sitz in München über den Vorfall.
In dem Schreiben heißt es, dass der BND „von einem ausländischen Nachrichtendienst […] Informationen über einen vermutlichen Datenabgriff bei der Firma EADS Deutschland“ erhalten habe. Welcher Auslandsgeheimdienst den BND vor dem Angriff warnte, geht aus dem Dokument nicht hervor. Die Attacke konnte zu einem Server in Los Angeles zurückverfolgt werden. Innerhalb von drei Stunden wurden 5116 Verbindungen zwischen EADS-Rechnern und „den US-Angreifern“ festgestellt.
Zwar fehle ein eindeutiger Beweis für eine Beteiligung der National Security Agency (NSA), doch der Rüstungskonzern sei „seit Jahren das Ziel von US-Geheimdiensten“, so die BamS. Demnach habe die NSA bereits im Jahr 2005 versucht, an Informationen über EADS zu gelangen. Hintergrund der damaligen Abhöraktion sei ein Auftrag des Rüstungsherstellers für den Bau einer Grenzsicherungsanlage in Saudi-Arabien gewesen, berichtet die Zeitung unter Berufung auf deutsche und amerikanische Sicherheitskreise. Der BND habe die Attacke damals jedoch rechtzeitig bemerkt und gestoppt.
Im Fokus der US-Spionage stehen jedoch noch weitere deutsche Konzerne. So berichtete der Tagesspiegel unter Berufung auf die BamS, dass auch Siemens ins Visier der Amerikaner geraten sei. Demnach wollte die NSA den Industriekonzern ausspähen und bat dafür den BND um Mithilfe. Siemens hätte angeblich Kommunikationstechnologie an den russischen Geheimdienst SSSN geliefert, was ein Sprecher des Unternehmens jedoch dementierte.
Der BND soll der NSA jahrelang bei der Spionage gegen europäische Unternehmen, Bürger und Politiker geholfen haben. Die BND-Abhörstation in Bad Aibling wurde dabei unter anderen zum Ausspähen hochrangiger Beamter des französischen Außenministeriums, des Präsidentenpalastes und der EU-Kommission in Brüssel missbraucht. Ausländische Dienste gehen deshalb zunehmend auf Distanz zum BND. Und auch für Bundeskanzlerin Merkel wird die Spionageaffäre zunehmend zum Problem. Denn der BND untersteht der direkten Kontrolle des Bundeskanzleramts, was die Frage aufwirft, seit wann Merkel von den Spionagetätigkeiten der Amerikaner wusste.
So hatte der deutsche Nachrichtendienst das Kanzleramt bereits 2008 in einem Geheimdossier über die Spionageabsichten der NSA in Kenntnis gesetzt. In dem Vermerk hieß es, die NSA habe versucht, Wissen über die Rüstungskonzerne EADS und Eurocopter abzuschöpfen. Dies widerspreche deutschen Interessen, daher habe der BND die Anfragen abgelehnt. Dennoch verteidigte Merkel die Zusammenarbeit mit der NSA. Zwar sollte befreundete Länder sich nicht gegenseitig ausspionieren, doch die Partnerschaft mit der NSA sei für die Sicherheit der Bürger unverzichtbar. Zu den Vorwürfen der Wirtschaftsspionage sagte die Kanzlerin nur: „Das, was zu verbessern ist, muss verbessert werden.“