Die chinesische Regierung konnte die Talfahrt der Börsen zwar fürs Erste bremsen, doch der Crash hat das Vertrauen der Investoren schwer erschüttert. Diese waren bisher überzeugt davon, dass die Regierung die Märkte fest im Griff habe. Doch die Maßnahmen der Behörden hätten die Lage nur noch verschlimmert. Der größte Kurseinbruch seit 20 Jahren war erst der Anfang, sind sich auch Analysten großer Investmentbanken sicher. Die Citigroup warnt ihre Kunden bereits, dass der Ausverkauf „noch einen weiten Weg“ vor sich habe und bei Morgan Stanley rechnet man sogar damit, dass der chinesische Aktienmarkt um weitere 30 Prozent einbrechen könnte.
Binnen drei Wochen verlor der Shanghaier Aktienmarkt rund 30 Prozent an Wert. Der Technologie-Index ChiNext brach im selben Zeitraum sogar um 42 Prozent ein. Vorangegangen war eine monatelange Börsenrallye, wobei bis zu 80 Prozent der Aktien von Kleinanlegern gehalten wurden. Darunter befanden sich viele Rentner, die ihre Pensionen aus Mangel an Alternativen in Wertpapiere investierten, da der chinesische Immobilienmarkt stagniert und Sparanlagen keine Renditen mehr abwerfen. Die Regierung hatte den Aktienmarkt über alle Medien stark geredet und war damit ursachlich am Aufblähen der Blase beteiligt. Am Ende könnte der Crash bis zu 3,5 Billionen Dollar ausgelöscht haben.
Die chinesische Regierung bemühte sich die verheerenden Folgen des Börsensturzes über massive Markteingriffe einzudämmen. Zunächst wurde der Handel mit einigen Papieren zeitweise ausgesetzt. Ein weiterer Einbruch sollte über milliardenschwere Stützungskäufe durch die größten chinesischen Broker verhindert werden – mit geringem Erfolg. Auch die Ankündigung eines 250 Milliarden Yuan (36,6 Milliarden Euro) schweren Konjunkturprogramms konnte die Anleger nicht beruhigen. Schließlich verabschiedeten die Behörden drakonische Gesetze, um weitere Panikverkäufe zu verhindern. Anleger müssen ihre Anteile nun ein halbes Jahr halten, wenn sie mehr als fünf Prozent der Aktien eines Unternehmens besitzen. Bei Verstößen drohen ihnen harte Strafen. Zudem kündigten die Behörden an, entschieden gegen „böswillige Leerverkäufe, Markmanipulation und die Verbreitung von Gerüchten“ vorzugehen.
Diese drastischen Maßnahmen konnten den Ausverkauf zunächst stoppen und die Talfahrt der Börsen bremsen. Doch Jonathan Garner, Analysten bei Morgan Stanley, sieht im aktuellen Kurssturz keine günstige Kaufgelegenheit für Anleger. Vielmehr rechne er damit, dass der Shanghai Composite um weitere 30 Prozent einbrechen könnte. Die schwachen Wirtschaftsdaten der Unternehmen sowie die hohe Anzahl von Aktienkäufen auf Kredit würden eine weitere Korrektur unumgänglich machen, so Garner im Gespräch mit Business Insider. Immerhin notiere der Index auch nach dem Kurssturz noch 93 Prozent über dem Vorjahreswert, was auf eine deutliche Überbewertung hindeute.
„Die nächste globale Rezession ist made in China“, sagte Ruchir Sharma im Interview mit Bloomberg. Sharma ist bei Morgan Stanley Investment Management verantwortlich für die Märkte der Schwellenländer. „In den nächsten Jahren werden die wunden Punkte für die Weltwirtschaft wohl vor allem in China liegen“, so Morgan-Stanley-Manager Sharma. Er ist der Ansicht, dass eine anhaltende Abkühlung in China in den nächsten Jahren das Wachstum der Weltwirtschaft unter die Zwei-Prozent-Marke drücken könnte, was einer globalen Rezession gleichkäme. Die zweitgrößte Volkswirtschaft trug im letzten Jahr immerhin 38 Prozent zum globalen Wachstum bei. Im Jahr 2010 betrug der Anteil Chinas am Weltwirtschaftswachstum dagegen nur 23 Prozent. Es wäre somit das erste Mal seit 50 Jahren, dass die Weltwirtschaft eine Rezession erfährt, ohne dass zugleich die amerikanische Wirtschaft schrumpft.