Politik

Erdoğan: Nun auch Luftangriffe gegen PKK-Kämpfer in der Türkei

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan hat den Friedensprozess mit der PKK aufgekündigt. Kurz nach seiner Erklärung griff die Luftwaffe PKK-Kämpfer in der Südosttürkei an. Damit erhält der Konflikt eine neue, gefährliche Dimension.
29.07.2015 00:08
Lesezeit: 2 min

Der Friedensprozess der Türkei und der Kurdischen Arbeiterpartei PKK gerät immer mehr in Gefahr. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warf der Gruppe am Dienstag vor, die nationale Einheit des Landes zu gefährden. Deswegen sei es unmöglich, den Friedensprozess fortzusetzen. Das Parlament forderte er auf, die Immunität von Politikern mit Verbindungen zu "terroristischen Gruppen" aufzuheben. Die verbotene PKK warf dem Staatsoberhaupt hingegen einen "Putsch" vor. In Brüssel versicherten die Nato-Partner der Türkei im Kampf gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat ihre Solidarität. Zugleich kritisierten sie aber türkische Angriffe auf kurdische Stellungen im Irak.

Der Konflikt mit der PKK war in der vergangenen Woche mit mehreren Angriffen auf türkische Soldaten und Polizisten wiederaufgeflammt, für die die Gruppe verantwortlich gemacht wird. Die Streitkräfte bombardierten daraufhin kurdische Stellungen. Am Dienstag griff die Luftwaffe wenige Stunden nach Erdogans Pressekonferenz nach eigenen Angaben PKK-Kämpfer in der Südosttürkei an. Dies sei eine Reaktion auf eine Attacke auf türkische Sicherheitskräfte.

Erdogan hatte trotz des Widerstandes aus dem nationalistischen Lager mit Reformen zur Ausweitung der Minderheitenrechte begonnen und im Jahr 2012 Verhandlungen mit der PKK aufgenommen. Er wollte den Konflikt beenden, bei dem seit 1984 etwa 40.000 Menschen getötet worden sind. Seit 2013 galt ein Waffenstillstand. Trotzdem konnte der Präsident auf breiter Basis keine kurdischen Wähler gewinnen. So erhielt die prokurdische Partei HDP bei der Parlamentswahl im Juni überraschend viele Stimmen und trug dazu bei, dass Erdogans islamisch-konservative Partei AKP ihre absolute Mehrheit verlor.

HDP-Chef Selahattin Demirtas sagte nun: "Unser einziges Verbrechen war es, 13 Prozent der Stimmen zu gewinnen." Er hielt der AKP vor, die HDP zerstören zu wollen, um bei Neuwahlen die absolute Mehrheit gewinnen. Erdogan hat der Partei Verbindungen zur PKK unterstellt. Die verbotene Gruppe selbst erklärte, Erdogan wolle seine Ziele nun mit einem Staatsstreich erreichen.

Chancen für eine Fortsetzung des Friedensprozesses gibt es möglicherweise noch immer. AKP-Sprecher Besir Atalay sagte, die Gespräche mit der PKK könnten fortgesetzt werden, wenn "terroristische Elemente" das Land verlassen und die Waffen niederlegen würden. Am Sonntag hatte die PKK die Waffenruhe für beendet erklärt, nicht aber den gesamten Friedensprozess.

Seit der Luftangriffe auf die PKK haben sich in der Südosttürkei Anschläge gehäuft, die mutmaßlich von kurdischen Extremisten verübt wurden. Mehrere westliche Politiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten Erdogan vor einem Ende des Friedensprozesses gewarnt.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg versicherte der Türkei nach einem Treffen der Botschafter der Allianz die Solidarität. "Wir sind geeint in der Verurteilung von Terrorismus, in Solidarität mit der Türkei." Die Türkei hatte das Treffen beantragt, um die Partner über das Vorgehen gegen den IS und die PKK zu informieren. Anders als die Bundesregierung rechtfertigen die USA die Bombardierung von PKK-Stellungen mit dem Argument, bei der Organisation handele es sich um eine terroristische Gruppe.

Erdogan hatte das Bündnis zur Unterstützung seines Anti-Terror-Kampfs aufgefordert. Um militärische Hilfe habe die Türkei aber nicht gebeten, hieß es. Nach Angaben aus Delegationskreisen gab es bei der Zusammenkunft trotz aller Solidaritätsbekundungen auch mahnende Stimmen. "Beim Treffen haben viele Delegationen den Dreiklang aus Solidarität, Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der Fortsetzung des Friedensprozesses betont", verlautete aus EU-Kreisen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Cyberbedrohungen: Unternehmen stehen vor einer Zeitenwende – Sicherheit wird zur wirtschaftlichen Überlebensfrage
29.04.2025

Die Weltwirtschaft hat einen neuen, unsichtbaren Frontverlauf – und dieser verläuft mitten durch die digitalen Netzwerke globaler...

DWN
Politik
Politik Die Hälfte der Deutschen glaubt: Elektroautos sind ein grüner Bluff – was das für Europa bedeutet
29.04.2025

Trotz Milliardensubventionen verliert die grüne Transformation rasant an Rückhalt. Bürger zweifeln, Experten warnen – Europa droht der...

DWN
Politik
Politik Spionage AfD: Ex-Krah-Mitarbeiter angeklagt
29.04.2025

Ein ehemaliger Mitarbeiter des AfD-Politikers Maximilian Krah steht im Verdacht, für einen chinesischen Geheimdienst gearbeitet zu haben...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Zölle: Deutsche Unternehmen bleiben erstaunlich gelassen
29.04.2025

Trotz der hitzigen Rhetorik aus Washington und düsteren Prognosen internationaler Organisationen wie dem IWF zeigen deutsche Unternehmen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Alphabet greift nach Europas Kapital: Anleihe-Offensive des Google-Konzerns mit Signalwirkung
29.04.2025

Die Alphabet-Anleihe ist mehr als ein Finanzmanöver: Sie markiert einen geopolitischen Wendepunkt – und eine Kampfansage im Rennen um...

DWN
Politik
Politik US-Zölle: Trump reagiert auf Druck der Autobranche
29.04.2025

US-Präsident Trump rudert bei seiner Zollpolitik zurück: Nach heftiger Kritik aus der Autoindustrie will das Weiße Haus nun Entlastungen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Wertekrieg: Warum es ökonomisch vernünftig ist, das Wort „Vielfalt“ zu streichen
29.04.2025

Von der internationalen Wirtschaftselite kaum beachtet, vollzieht sich derzeit in den USA eine tektonische Verschiebung – nicht in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Microsoft vollzieht leisen Rückzug aus China – Angst vor Trump-Sanktionen wächst
29.04.2025

Während sich die Spannungen zwischen den USA und China weiter zuspitzen, zieht sich ein globaler Technologieriese offenbar still und...