Politik

Der Griechenland-Deal: Kein Grexit, dafür zwei Jahre Rezession

Deutschland signalisiert Zustimmung für ein drittes Kreditpaket für Athen. Doch der Preis für Griechenland ist hoch: Zwei Jahre Rezession werden Arbeitslosigkeit und Armut weiter verschärfen.
13.08.2015 00:01
Lesezeit: 2 min

Griechenland kann offenbar mit der Zustimmung seines größten Gläubigers Deutschland zu einem dritten Kreditprogramm rechnen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte zwar am Mittwoch, die Prüfung der Reformzusagen aus Athen laufe noch. Doch: „Die Richtung der Vereinbarung stimmt.“ Vorgesehen sind unter anderem eine zügige Privatisierung von Staatsbesitz, Steuererhöhungen und der Aufbau einer modernen Verwaltung. Offen bleibt vorerst, ob sich der Internationale Währungsfonds (IWF) weiter finanziell beteiligen wird.

Inzwischen liegen die genauen Texte der technischen Einigung zwischen Troika und der griechischen Regierung vor. Unklar ist zudem, ob alle Regierungen der Euro-Mitgliedsländer den Deal unterstützen.

Dazu Sven Giegold, Wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:

„Der Preis für eine dreijährige Finanzierungsperspektive im Euro und die Rekapitalisierung der griechischen Banken ist hoch. Zwei Jahre Rezession werden Arbeitslosigkeit und Armut weiter verschärfen. 2015 wird nun offiziell erwartet, dass die Wirtschaft zwischen 2,1 und 2,3% schrumpft. Auch in 2016 soll die Wirtschaftsleistung um 0,5% schrumpfen. Es ist wahrscheinlich, dass es angesichts der Kürzung der Staatsausgaben und Steuererhöhungen schlimmer kommt.

Die Erhöhung der Umsatzsteuer ist genauso Teil des Deals wie die Kürzung eines wichtigen Rentenbestandteils, auch für Bezieher niedriger Renten. Zudem enthält der Deal zahlreiche Strukturreformen, von denen viele sinnvoll sind. Ebenso sind weitreichende Privatisierungen geplant, die im Einzelnen zu analysieren und zu bewerten sind. Bizarr ist allerdings, dass der Eigentumswechsel der regionalen Flughäfen an das deutsche Staatsunternehmen Fraport in der Einigung mit Griechenland speziell abgesichert ist. Welche Vermögensgüter des Staates an den neuen Privatisierungsfonds überschrieben werden sollen, wird erst bis März 2016 festgestellt. An dem unrealistischen Ziel auf diese Weise 50 Mrd. Euro einzunehmen, wird festgehalten. Zu befürchten ist daher, dass auch sensible Gereicht wie das Wasser von der Privatisierung nicht verschont bleiben.

Dass die Erwartungen an den vom griechischen Staat zu erwirtschaftenden Primärüberschuss bis 2018 abgesenkt wurden, ist kein Zugeständnis, sondern schlicht eine Anerkennung der Realität. Es ist eine Luftbuchung, dass die griechische Regierung dies als Gewinn von Spielraum in Höhe von insgesamt 20 Mrd. Euro verkauft, denn Raum für neue Maßnahmen entsteht so nicht.

Eine klare Zusage zu einer Umschuldung oder Schuldenstreichung ist offensichtlich nicht Teil des Deals. Auch eine wirkliche Beteiligung der Vermögenden etwa über eine Vermögensabgabe ist nicht geplant.

Insgesamt muss man bezweifeln, dass durch dieses Programm eine positive Dynamik in Griechenland oder auch nur politische Stabilität möglich wird. Denn kaum jemand wird in einem Land investieren, über dem weiter der Hammer der Zahlungsunfähigkeit und des Grexit als realistische Drohung schwebt!

Erfreulich sind trotz des trüben Gesamtbilds einige Details:

- Eine ganze Liste von Maßnahmen soll Steuerhinterziehung und Steuervermeidung bekämpfen. Darunter: Alle Schuldner mit Steuer- oder Sozialversicherungsrückständen sollen veröffentlicht werden. Diese Maßnahme könnte entscheidend sein, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Bürgerrechtlich fragwürdig ist jedoch, dass dies genauso für große wie für kleinste Rückstände gelten soll.

- Die ursprünglich vereinbarte erzwungene Ladenöffnung an Sonntagen soll nicht kommen.

- Eine geplante Kopfgebühr für die Nutzung der Ambulanz der Krankenhäuser von 5 Euro kommt nicht.

- Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) der UN soll bei den kommenden Arbeitsmarktreformen berücksichtigt werden.

- Spareinlagen sollen bei der Rekapitalisierung der Banken angeblich verschont bleiben, damit bliebe Griechenland ein Desaster für Unternehmen wie in Zypern erspart.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Kleinkrieg“ um Lkw-Plätze: Autoclub kritisiert Überfüllung
15.06.2025

Auf und an Autobahnen in Deutschland fehlen viele tausend Lkw-Stellplätze – nach einer Kontrolle an Rastanlagen beklagt der Auto Club...

DWN
Politik
Politik Machtverschiebung in Warschau: Der Aufstieg der Nationalisten bringt Polen an den Abgrund
15.06.2025

In Polen übernimmt ein ultrakonservativer Präsident die Macht – während die liberale Regierung um Donald Tusk bereits ins Wanken...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trotz US-Verboten finden chinesische Tech-Giganten Wege, um im KI-Rennen zu bleiben
14.06.2025

Die USA wollen Chinas Aufstieg im KI-Sektor durch Exportverbote für High-End-Chips stoppen. Doch Konzerne wie Tencent und Baidu zeigen,...

DWN
Technologie
Technologie Einsatz von Tasern: Diskussion um „Aufrüstung“ der Polizei
14.06.2025

Taser gelten als umstritten, nun will Innenminister Alexander Dobrindt damit die Bundespolizei ausrüsten. Kritik kommt von Niedersachsens...

DWN
Finanzen
Finanzen Dividendenstrategie: Für wen sie sich im Aktiendepot lohnen kann
14.06.2025

Mit einer Dividendenstrategie setzen Anleger auf regelmäßige Erträge durch Aktien. Doch Ist eine Dividendenstrategie sinnvoll, wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Krisenmodus in der Industrie: Autohersteller weichen Chinas Regeln aus
14.06.2025

Weil China den Export kritischer Magnetstoffe drastisch beschränkt, geraten weltweite Lieferketten ins Wanken. Autohersteller suchen eilig...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft H&M baut Milliardenhandel mit Secondhand-Mode aus
14.06.2025

H&M will das Image der Wegwerfmode abschütteln – mit gebrauchten Designerstücken mitten im Flagshipstore. Wird ausgerechnet Fast...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Atomkraftgegner fordern Ende der Uran-Geschäfte mit Kreml
14.06.2025

Atomkraftgegner wenden sich an die Bundesregierung: Sie fordern einen Stopp russischer Uranlieferungen nach Lingen. Auch die hybride Gefahr...