Eine rasante Zunahme von Anlagebetrugsfällen im Londoner Finanzzentrum alarmiert britische Behörden. In den letzten zwei Jahren stieg die Zahl der Betrugsfälle auf über 5.000, mit einem geschätzten Schaden von 1,73 Milliarden Pfund. Die Betrüger greifen dabei auf renommierte Adressen in Londons Innenstadt zurück, um potenziellen Opfern eine falsche Seriosität vorzugaukeln. Die Büros im „Tower 42“ auf der Old Broad Street oder im „Heron Tower“ gehören zu den teuersten der ganzen Stadt. Doch scheinbar haben sich dort auch Betrüger eingemietet, die ahnungslosen Kunden wertlose Beteiligungen verkaufen.
Die Anlagebetrüger setzen ihre Opfer mittels Kaltanrufen unter Druck und bringen sie dazu, hohe Summe in Wein, Edelsteine, Kunst, Antiquitäten, Öl-Quellen, Waldstücke, Immobilien oder exotische Rohstoffe zu investieren. Zu diesem Zweck kaufen sie Listen mit potenziellen Opfern auf, die kurz vor der Pensionierung stehen oder durch Demenzerkrankungen anfälliger für Betrug sind. Sobald die Opfer realisieren, dass sie bei diesen fiktiven Investments um ihre Ersparnisse betrogen wurden, schlagen die Kriminellen ein zweites Mal zu. Sie tarnen sich als Privatermittler und versprechen, das verschwundene Geld gegen einen Gebühr von mehreren Tausend Pfund wiederzufinden. Der durchschnittliche Schaden beläuft sich dabei auf 1,25 Millionen Pfund.
Nun verhaftete die Polizei dutzende Verdächtige in Londons Top-Adressen und deckte dabei mindestens 14 verschiedene kriminelle Vereinigungen auf, wie die FT berichtet. Zudem wurden die zwei Büroservice-Betreiber Regus und Servcorp mit Geldstrafen belegt, weil sie es versäumt hätten, weitreichende Erkundigungen über ihre Mieter einzuholen. Büroservice-Unternehmen vermieten neben Räumlichkeiten auch Postadressen an internationale Kunden und leiten gegen eine Gebühr den Briefverkehr ins Ausland weiter. Die Geldstrafen sollen die Branche anhalten, künftig größere Sorgfalt bei der Auswahl ihrer Kunden an den Tag zu legen.
„Wir haben einen Anstieg bei Investment-Betrügern erlebt, die in der City of London operieren“, zitiert die FT die Ermittlerin Teresa Russell von der Polizei der City of London. Der etwa eine Quadratmeile umfassende Bereich im Herzen Londons zählt juristisch gesehen nicht zu Großbritannien und verfügt sowohl über eigene Gesetze als auch über eine eigene Polizeieinheit. Das Gebiet ist auch nicht dem Steuerwesen des Vereinigten Königreichs unterworfen, was es für Finanzinstitute zum begehrten Firmensitz macht, wie der Guardian berichtet.
Auch der Gebietsverwaltung der City of London ist die zunehmende Zahl an Betrügern ein Dorn im Auge. „Wir haben unseren Ruf als führendes Finanzzentrum und den wollen wir erhalten, also dürfen wir diese Dreckskerle nicht reinlassen“, sagte Jon Averns von der City of London Corporation gegenüber der FT.
Die Polizei setzt zwar langfristig auf Strafverfolgung, doch kurzfristig will sie den Betrügern vor allem das Leben so schwierig wie möglich machen. Unterstützung erhält sie dabei von der Londoner Polizei und den Steuerbehörden. Die Behörden führten in einigen Büros spontane Hausdurchsuchungen durch und entdeckten dabei auch gefälschte Diamanten.
„Wir haben in einigen Räumlichkeiten Kisten von Diamanten gefunden, die buchstäblich wie Schuhkartons aufgeschichtet waren. Sie waren stark beschädigt, etwa 100 Pfund wert, wurden jedoch für über 9.000 Pfund verkauft“, so die Polizeibeamtin Russell zur FT. „Was die Leute dabei nicht sehen, sind die Konsequenzen. Es gab bereits Selbstmorde. Das zerstört das Leben von Menschen.“
Derweil zeigt die Verhaftungswelle erste Erfolge, denn die Betrugsfälle nehmen nach Aussagen der Polizei allmählich ab. Als nächstes wollen die Behörden Londons zweites Finanzzentrum, die Canary Wharf, ins Visier nehmen. Denn das langfristige Ziel sei es, die Anlagebetrüger komplett aus London zu vertrieben, doch dies sei eine „enorme Aufgabe“, so Russell.