Politik

Lächeln statt Rechnen: Kredite werden nach Gefühl vergeben

Eine aktuelle Studie belegt, dass die Vergabe von Kleinkrediten von den Gefühlen der Kreditgeber abhängt. Ein sympathisches Lächeln habe dabei einen stärkeren Einfluss als negative Gefühle wie Mitleid oder Schuld. Rationale Argumente und messbare Faktoren spielten entgegen der Erwartungen kaum eine Rolle.
02.09.2015 12:22
Lesezeit: 2 min

Die Vergaben von Mikrokrediten basiert auf einen Konzept, das durch den Inder Muhammad Yunus weltbekannt wurde. Kleinkredite beginnen bereits bei geringen Summen ab einem Euro. Das Geld wird an Personen vergeben, die in der Regel keinen Zugang zu normalen Bankinstituten haben, oder dort nicht kreditwürdig sind. Populär ist diese Art der Kreditvergabe in Entwicklungsländern.

Die Forscher Brian Knutson und Alexander Genevsky haben mit dem Mikrofinanzunternehmen Kiva zusammengearbeitet, um eine umfassende Studie anzufertigen. Sie untersuchten die Vergabe von mehr als 13.000 Minikrediten an reale Antragssteller. Das Ergebnis war eindeutig: Lösen die Anträge positive Emotionen aus, ist die Wahrscheinlichkeit einer Zusage höher, als wenn negative Gefühle projiziert werden.

Für die Auswertung wurden erstmals große Datenmengen aus Sachunterlagen und Informationen aus Neuro-Imaging miteinander vereint. Dieser Ansatz erlaubt es den Forschern, eine Aussage über die Auswirkungen von Emotionen auf rationale Entscheidungen zu treffen.

28 Probanden wurden während der Arbeit für die Geldvergabe überwacht. Die Hirnaktivität wurde mithilfe spezieller Messverfahren aufgezeichnet. Die experimentellen Bedingungen gaben den Personen den Kreditantrag und ein Foto des Antragsstellers als Entscheidungsgrundlage. Diese mussten anhand dieser Unterlagen entscheiden, ob ein Kredit bewilligt wird.

In der Auswertung der Daten zeichnet sich deutlich ab, dass es positive Emotionen sind, die eher zu einer Bewilligung führen. Aufregung, Freude und Hoffnung bringen die Probanden dazu, der Vergabe eines Kredites zuzustimmen. Sowohl die schriftlichen Anträge, als auch die Bilder spielen dabei eine Rolle, welche Emotionen hervorgerufen werden.

Macht das Bild des Antragsstellers einen positiven und offenen Eindruck auf die Sachbearbeiter, haben diese von Anfang an ein gutes Gefühl. Bewerber mit diesen Bildern haben eine wesentlich höhere Bewilligungsrate ihrer Darlehen, als Personen mit Bildern, die negative Gefühle hervorrufen. Im Gesamtvergleich schneiden die Antragssteller mit diesen Fotos am schlechtesten ab.

Aber nicht nur die Bilder sind ausschlaggebend. Auch der allgemeine Eindruck ist relevant. Anträge, die eine negative Geschichte berichten und beim Leser Traurigkeit oder gar Schuldgefühle hervorrufen, enden ebenfalls schneller auf dem Stapel für abgelehnte Kredite. Die Ergebnisse der Studie zeigen klar auf, dass die ausgelösten Emotionen eine direkte Auswirkung auf rationale Entscheidungen haben.

Für das Experiment wurde ein bestimmter Teil des Gehirns betrachtet. Der Nucleus accumbens ist eine Region im Vorderhirn, die mit Motivation, Freunde und belohnendem Verhalten assoziiert wird. Auch gemeinnützige Handlungen werden mit dieser Region in Verbindung gebracht.

Knutson sagt, „positive Auswirkungen oder Emotionen – wie zum Beispiel Aufregung – sind überraschenderweise ausschlaggebender als negative Emotionen, wie Traurigkeit.“ Das schreibt der Medical Express. Die nicht-monetären Aspekte, wie Fotos und persönliche Hintergründe, sind ein kraftvoller Auslöser von Gefühlen und sind entscheidend für den Vergabeprozess.

Die Forscher sind davon überzeugt, dass sie die Forschungsergebnisse dazu nutzen können, eine positive Auswirkung auf die Risikobereitschaft von Mikrofinanzinstituten zu erzielen. Dies würde finanziell schwache und bedürftige Personen unterstützen. Kleine Änderungen im Kreditantrag können eine Bewilligung herbeibringen. Besonders für Entwicklungsländer bietet sich ein großes Erfolgspotential.

Traditionelle Wirtschaftstheorien hatten bisher die emotionalen Einflüsse nicht als einen entscheidenden Faktor in der Kreditvergabe betrachtet. Mit den Ergebnissen der Studie können Anträge und Bearbeitungen gezielt modifiziert werden. Antragssteller können zum Beispiel darauf achten, ein Foto beizulegen, das einen fröhlichen Eindruck hinterlässt.

Die Auswertungen weiterer Daten zeigen außerdem, dass rationale Ansätze, den Antrag zu verbessern, kaum Auswirkungen haben. Nach einer geringeren Kreditsumme zu fragen oder den Antrag ins Englische übersetzen zu lassen, hat nahezu keinen Effekt. Diese unpersönlichen Aspekte rufen weder positive noch negative Reaktionen hervor.

Probanden wurden im Vorfeld zu ihren allgemeinen Vergabekriterien befragt. Häufig wurden hier rationale und messbare Faktoren als persönliche Entscheidungsfaktoren genannt. Die Messdaten zeigten aber auf, dass die endgültige Vergabe nicht hauptsächlich durch diese Punkte beeinflusst wurde.

Die Studie belegt also, dass es nicht die logischen Fakten sind, die den Bearbeiter beeinflussen, sondern die grundlegenden neuralen Reaktionen. Positive oder negative Emotionen sind einer der wichtigen Bestimmungsfaktoren in diesem Bereich.

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